: Leerstand, weil Behörde schläft
Wilhelmsburger Vermieter lassen Wohnungen in begehrter Lage leerstehen, um Mieten hochzutreiben. Bezirksamt weiß von nichts ■ Von Marco Carini
Mit munterer Resonanz hatten die InitiatorInnen der Anti-Leerstands-Kampagne zwar gerechnet, doch das Ergebnis übertraf alle Erwartungen. Jeden Tag erfuhren die Wilhelmsburger GALierInnen von weiteren Wohnungen, die seit Monaten offenbar unbewohnt sind.
Am Wochenende zog der GAL-Vorsitzende Lutz Neysters nun eine erste „schlimme“Zwischenbilanz der „Kampagne gegen Leerstand und Wuchermieten“. Danach wurden den Grünen innerhalb von nur zehn Tagen 73 Wohnungen und vier komplette Mehrfamilienhäuser bekannt, die seit geraumer Zeit dem Wohnungsmarkt entzogen sind. „Einige Wohnungen stehen nachweislich schon seit drei Jahren leer“, konstatierte Lutz Neysters entsetzt.
Über das Wilhelmsburger Wochenblatt und den Inselboten hatte die GAL alle WilhelmsburgerInnen aufgefordert, sie über schon seit längerem unvermietete Wohnungen zu informieren. Die grünen PolitikerInnen wollten damit überprüfen, ob es in dem Viertel, das in diesem Jahr sein 325jähriges Bestehen feiert, tatsächlich nur so wenig Leerstand gibt, wie vom Bezirksamt Harburg behauptet. Das hatte wenige Wochen vor dem Kampagnen-Start offiziell mitgeteilt, im Ortsamtsbereich Wil-helmsburg seien in den vergangenen drei Jahren nur insgesamt 14 leerstehende Wohnungen bekannt geworden.
Die grünalternativen KommunalpolitikerInnen hingegen brauchten nicht einmal zwei Wochen, um mit minimalem Aufwand von mehr als fünfmal soviel unbewohnten Behausungen Wind zu bekommen. Besonders viele Leerstände registrierten die GALierInnen in den schönen Altbauzeilen im Reiherstiegviertel. „Hier verlangen private Vermieter Wuchermieten, die kein Mensch bereit ist zu zahlen“, nennt Neysters den Hauptgrund für die vielen gardinenlosen Fenster. Warmmieten bis 20 Mark pro Quadratmeter sind nach Recherchen der Grünen im Reiherstieg und den angrenzenden Straßen keine Seltenheit.
Daß dem zuständigen Einwohneramt Leerstände in dieser Größenordnung unbekannt sind, führt Neysters darauf zurück, „daß die Ahndung von spekulativen Nichtvermietungen und Mietüberhöhungen für die Baubehörde nur unterste Priorität“hat. Während etwa in Frankfurt Leerstände „intensiv verfolgt“würden, gebe es in Hamburg keine BehördenmitarbeiterInnen, „denen die Zeit eingeräumt wird“, sich auf die Suche nach unvermieteten Wohnungen zu begeben.
Die GAL will dem Harburger Einwohneramt nun unter die Arme greifen und der Behörde in zwei Wochen die aktuelle Leerstands-Liste übergeben. Bis dahin können noch alle WilhelmsburgerInnen die Leerstand-Spürhunde unter Tel: 753 25 40 über weitere unbewohnte Objekte in Kenntnis setzen.
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