Leck in Gronau: Verunsicherung nach Ölfunden
Wie kam das Rohöl ins Naturschutzgebiet? Im Münsterland sind nach der Entdeckung noch viele Fragen offen. Zu viele, finden Umweltschützer.
KÖLN taz | Drei Wochen nach der Entdeckung eines Ölaustritts aus unterirdischen Speichern im münsterländischen Gronau stehen Ursache und Ausmaß des Desasters noch immer nicht fest. Die Menschen vor Ort haben Angst und fühlen sich vom Betreiber des Speichers und Behörden schlecht informiert.
Am 12. April hatte ein Landwirt in Gronau-Epe Öl in seinem Boden bemerkt, an zwei weiteren Stellen wurde ebenfalls aus der Erde dringendes Öl entdeckt. Die Fundstellen liegen in einem Naturschutzgebiet, unter dem sich in drei unterirdischen Speichern Teile der „nationalen Ölreserve“ befinden, insgesamt 1,4 Millionen Kubikmeter Rohöl. Das Öl lagert in tausend Metern Tiefe in Kavernen, die durch den Abbau von Salz entstanden sind.
Die Anwohner in der Region hat der Vorfall erschüttert, sagt Henry Tünte, Geoökologe und Sprecher des Umweltverbandes BUND im Kreis Borken. Die Leute fühlten sich schlecht informiert – trotz der technischen Details, die Bezirksregierung und die Betreiberfirma Salzgewinnungsgesellschaft Westfalen (SGW) im Internet veröffentlichen.
„Mein Eindruck ist, dass Betreiber und Behörden viel mehr wissen als sie sagen“, sagt Tünte. Der Umweltschützer fordert etwa eine Veröffentlichung der meldepflichtigen und nicht-meldepflichtigen Vorfälle aus der Vergangenheit. „Aber die SGW mauert“, sagte er. Fest steht nur, dass Öl im Boden ist – wo und wie viel ausgetreten ist, ist unbekannt.
Lieber keine Schätzung
Schätzungen der Bezirksregierung zufolge könnten bis zu 200.000 Liter Rohöl ausgelaufen sein. Die SGW bestreitet die Zahl, will aber selbst keine Schätzung abgeben. Da der Druck in der verdächtigen Kaverne abgesenkt wurde, geht die SGW davon aus, dass kein weiteres Öl austritt. Bislang wurden 2.441 Tonnen verseuchter Boden abgebaggert.
Die Anlage in Gronau ist seit 40 Jahren in Betrieb. „Meines Wissens hat es außer dem Druckabfall im Februar und einem Leck in einer Pipeline vor sieben Jahren keine weiteren Vorfälle gegeben“, sagte ein SGW-Sprecher. Deshalb sei eine Aufstellung über Vorfälle unnötig.
Im Februar war in einem der Speicher der Druck abgefallen – Hinweis auf ein Leck. Beschädigungen wurden keine gefunden. Die Aufsichtsbehörde, die Bezirksregierung Arnsberg, genehmigte den Weiterbetrieb. Ob es einen Zusammenhang zu den Ölfunden gibt, ist unklar. „Wir sind noch in der Phase der Ursachenermittlung“, sagte Christoph Söbbeler, Sprecher der Bezirksregierung Arnsberg.
Der BUND NRW fordert, dass sämtliche vergleichbare Anlagen auf den Prüfstand müssen. Auch Fracking müsse laut Geschäftsleiter Dirk Jansen, neu bewertet werden. „Dass ein Schadenereignis wie in Gronau überhaupt eintreten kann, zeigt ein Restrisiko, von dem uns immer wieder weißgemacht wird, dass es tolerabel sei“, sagte er.
Die Landesregierung hat dafür kein offenes Ohr. Als „Schlaumeier“ kanzelte Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) nach einem Besuch in Gronau die ab, die Konsequenzen aus dem Desaster fordern. Erst wenn die Schadensursache feststeht, wollen sich das grün geführte Umwelt- und das Wirtschaftsministerium zu möglichen Konsequenzen äußern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen