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Leben in BrandenburgEisenhüttenstadt auf Probe

Mit Gratis-Probewohnen will Eisenhüttenstadt neue Ein­woh­ne­r gewinnen. Auf zwei Plätze hatten sich 2.000 Menschen beworben – nun sind die Ersten eingezogen.

Zentral und ziemlich ruhig: In dieser Häuserzeile in Eisenhüttenstadt befinden sich die Probewohnungen Foto: Patrick Pleul/dpa

Eisenhüttenstadt taz | Mit ihrem Fahrrad steht eine Rentnerin in der Einfahrt zu einem Einkaufscenter in Eisenhüttenstadt. Um sie herum erstrecken sich Wiesen und Teer. Die 72-Jährige ist auf dem Weg ins Fitnessstudio. Über 50 Jahre lebe sie schon hier, erzählt sie und deutet in die Ferne, in Richtung eines Wohnhauses. „Ist eine Rentnerstadt, aber mir gefällt es“, sagt die Frau, die ihren Namen lieber nicht nennen will. Alles sei erreichbar, Arzt, Supermarkt, Friseur, und es gebe das Oder-Ufer und das Friedrich-Wolf-Theater.

Die Erreichbarkeit, die findet auch Melanie Henninger gut. Anders als die Seniorin wohnt Henninger nicht seit mehr als einem halben Jahrhundert, sondern erst seit zwei Tagen in Eisenhüttenstadt. Die IT-Beraterin aus Bremen ist probeweise hier. Sie wurde zusammen mit einem weiteren Probewohner von der Stadt ausgewählt; für zwei Wochen lebt sie kostenlos in einer möblierten Gästewohnung im Zentrum von Eisenhüttenstadt.

Das Pilotprojekt zum Probewohnen ist ein Versuch, Menschen für das Leben in Eisenhüttenstadt zu gewinnen. Die DDR-Planstadt an der deutsch-polnischen Grenze galt einst als sozialistische Vorzeigestadt. Rund 50.000 Menschen lebten früher hier, heute sind es nur noch etwa 24.000.

Am Wochenende extrem ruhig

In Zeiten von Wohnungsnot und engen Großstädten wirbt man deshalb mit dem verfügbaren Platz, der Ostmoderne und den günstigen Mieten. 6 Euro kalt kostet der Quadratmeter. Interesse scheint es zu geben: Mehr als 2.000 Be­wer­be­r:in­nen hatten sich für das Probewohnen in Eisenhüttenstadt beworben, berichtet Projektleiterin Julia Basan.

Am Wochenende hat Melanie Henninger schon den Stadtteil Fürstenberg und die Nachbargemeinde Neuzelle erkundet, nun sitzt sie im Wohnzimmer ihrer Wohnung. „Am Wochenende fand ich es extrem ruhig“, berichtet sie über ihre ersten Tage.

Henninger ist in Brandenburg aufgewachsen und während der sogenannten Baseballschlägerjahre weggegangen. Heute sind die Kinder aus dem Haus und sie hat einen Job, den sie im Homeoffice machen kann. Da will sie Brandenburg nochmal eine Chance geben. „Ich möchte gerne einen Teil zur Gesellschaft beitragen und da muss ich sehen, wie ich das hier machen könnte“. Deshalb sei sie gespannt auf die Begegnungen der kommenden Wochen.

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