Leben im Patriarchat: Schwankende Zwischenbilanz
Ist das männliche Turniergehabe, das wir mit leise-ambivalenter Verachtung als archaisches Sandkastenspiel betrachten, nicht doch ernst zu nehmen?
Nun ja, ich mag die Jungs. Sie machen mir keine Angst, haben mich nie schlecht behandelt, und das Kaffeekochen im Dienst ist auch schon ganz lange her. Aber je länger man lebt, umso einfacher werden die Dinge: in Konferenzen abwarten, bis jeder Mann, der auf sich hält, sein Teil geredet hat. Mit anderen Frauen Blicke tauschen; manche lächeln still, manche verdrehen die Augen. Die inneren Konferenzen werden kürzer, doch der Kometenschweif glüht nach: Warum lassen wir uns das bieten? Sollten wir nicht? Die andere Seite pariert mit melancholisch-narzisstischem Lächeln: Lass sie doch, die Jungs, die brauchen das.
Zwei Fragen immerdar: Ist das die Feigheit des Mädchens, das nicht alles riskieren will, nicht Anmut & Charme & Weiblichkeit, und das sich vor der Einsicht drückt, es könnte vielleicht nicht bestehen? Das ist aber nicht so wichtig. Von Bedeutung ist nur die andere Frage - ob das Turniergehabe, das wir mit leise-ambivalenter Verachtung als archaisches Sandkastenspiel betrachten, nicht doch der Anfang vom Panzerkrieg ist. Bis einer heult! Und ob wir, im ruhigen Westen, uns nicht moralisch verschulden, wenn wir das lässig nehmen, mit anthropologischer Ironie, mit unserem "Der ist nicht böse, der will nur spielen". Ob es nicht unsere Aufgabe wäre, mit historischem Pathos gesprochen, gerade jetzt, an dieser Stelle, unnachgiebig zu sein, lästig, nicht elegant. Aufs Zuhören zu pochen, auf Symmetrie. Unsere Jungs nicht zu verziehen, die kleinen und die großen.
Ich gebe zu, ich schwanke. Das ist meine Gegenwart. Ich denke: Berlusconi, Schmidt et alii, das sind verschwindende Größen. Schröder natürlich auch. Und der Dosenpfand-Umweltminister Trittin und Fischer, und jetzt ist ja eine Kanzlerin da. Aber natürlich weiß ich, dass Gesine Schwan explizit als Frau an Grenzen stößt, und ich sehe, in meiner Sphäre, dass vieles beim Al- ten geblieben ist: Die Jungs machen das unter sich aus; es gibt eine kleine Revolte, die Plätze werden neu verteilt, dann ist wieder Ruhe im Karton bis zum nächsten Mal. Das geht ganz prima ohne uns, es geht überhaupt nur ohne uns. Wir haben es alle einzeln geschafft, was immer es war, und es ist ganz unter unserer Würde, uns jetzt noch als Frauen zu organisieren. Der Biologismus der Benachteiligten, den wollen wir aber nicht!
Es sind immer dieselben Konflikte. Es sind, scheint mir, auch immer dieselben Lösungen: freundliche Unnachgiebigkeit. Strukturelle Maßnahmen, die Individuen entlasten; die berühmten Rahmenbedingungen, die dafür sorgen, dass Männer- und Frauenbiografien sich einander angleichen können, ohne dass die Einzelnen einen Preis dafür zahlen, der sie deformiert. Gesetze, Reformen, Erlasse; das ganze dröge Zeug, das so schwer zu kriegen ist, und die einzige Chance. Auch für die Jungs.
P. S. zum frühkindlichen Kram: Als Mutter eines Kindergartensohnes führe ich nicht den vergeblichen Kampf gegen Lärmen, Kämpfen, Monsterfiguren. Offenbar muss da etwas sein, wie bei den Mädchen die Prinzessin Lilifee, woran die Konzepte scheitern. Und als Schwester dreier friedlicher Brüder, die alle Indianer waren, bin ich da sorglos, gelassen. Ich denke an die Erwachsenen. Nicht an Angleichung in allem, sondern an Teilung der Sphären: Ob Box- oder Ruderklub, es sollte immerhin möglich sein, dass Jungs die Sachen unter sich so austragen, wie es ihnen behagt, während wir reden, reden, Prosecco trinken. Nur da, wo wir uns treffen, eben in den Konferenzen, wo jetzt noch die Alphatiere, männlich, reden, und die Alphatiere, weiblich, verkniffen lächelnd schweigen, da trieze ich mich zur Mündigkeit.
Abdruck aus: Friederike Girst (Hrsg.): "Herrschaftszeiten!". DuMont, Köln 2009, 250 S., 16,95 € (70 Beiträge über das Patriarchat von prominenten Frauen aus Kultur, Kunst, Sport, Wirtschaft und Wissenschaft)
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