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Lausitzer BraunkohlerevierGrüne Zukunft auf der Kippe

Deutschlands zweitgrößter Kohleverstromer strukturiert sich neu. Will sich der tschechische Eigentümer die teure Renaturierung seiner Tagebaue sparen?

Kostet Geld: Renaturierter Bereich des Tagebaus Nochten in Sachsen Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Berlin taz | Er gilt als „oberster Bergmann der LEAG“: Philipp Nellessen hat gekündigt, der „Vorstand Produktion“ verlässt den zweitgrößten deutschen Kohlekonzern „auf eigenen Wunsch“. Zuvor war bereits der LEAG-Konzernvorstand Thorsten Kramer zurückgetreten. Auch der Finanzvorstand Markus Binder hat hingeschmissen. Was ist in der Lausitz los?

„Die LEAG schlägt zum 1. Mai ein neues Kapitel auf“, heißt es in der Cottbuser Konzernzentrale, eine „Neustrukturierung“ wird angekündigt. „Tatsächlich gab es im Februar eine Gesellschafterversammlung, bei der die LEAG umstrukturiert wurde“, sagt Karsten Smid, Energieexperte bei Greenpeace. Demnach sind beispielsweise aus der Lausitzer Bergbau Energie AG die „grünen“ Geschäftsbereiche in neue Gesellschaften ausgegliedert worden – in die LEAG Renewables GmbH, die LEAG Clean Power GmbH oder die LEAG Biomass GmbH.

„Zwei Aktionärsvertreter und ein Anwalt waren anwesend und haben die 186 Seiten Umstrukturierungsmaßnahmen verlesen“, sagt Smid. Der Experte mutmaßt: „Der Eigentümer schafft sich eine Bad Bank.“ Also ein Firmenkonstrukt mit hochriskanten Geschäftsfeldern, die nichts mehr abwerfen.

Es war ein ziemlich schräger Deal, der 2016 in der Lausitz über die Bühne ging: Der schwedische Staatskonzern Vattenfall hatte sich mit dem Braunkohlegeschäft in Deutschland verzockt und suchte einen Käufer. Gute Erfahrungen mit der deutschen Braunkohle hatte dagegen der tschechische Multimilliardär Daniel Křetínský gemacht, der sich 2012 die MIBRAG gekauft hatte, die Mitteldeutsche Braunkohlegesellschaft.

Rekultivierungskosten in Milliardenhöhe

Die erwies sich als ausgesprochen profitabel, schon im ersten Geschäftsjahr floss „massiv Gewinn“ nach Prag. Die Umsatzrenditen sollen bei 19 Prozent gelegen haben, im Bergbau ausgesprochen hoch. Křetínskýs Firmenimperium übernahm nun auch die Lausitzer Braunkohle – und bekam dafür 1,7 Milliarden Euro von Vattenfall.

Geld, das eigentlich für die Rekultivierung der Tagebaue und des Wasserhaushaltes gedacht war: „Unsere Analyse ergab, dass sich die Rekultivierungskosten in Sachsen und Brandenburg auf 5 bis 10 Milliarden Euro belaufen“, sagt Greenpeace-Experte Smid. Ein Rechenweg ergebe sich aus der Rekultivierung des DDR-Altbergbaus: Zwischen 1990 und dem Jahr 2023 habe die dafür zuständige LMBV, die bundeseigene Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbauverwaltungs GmbH, bislang 12 Milliarden Euro ausgegeben.

„Die Flächen und der Wasserhaushalt sind vergleichbar mit jenen Rekultivierungsaufgaben, die vor der LEAG stehen“, sagt Smid. Die konservative Summe von 5 Milliarden Euro habe „im Prinzip“ Sebastian Fritze bestätigt, der Präsident des Landesamts für Bergbau, Geologie und Rohstoffe: „Fritze bezifferte die Summe auf 2 Milliarden für Brandenburg.“ Zwei der drei noch betriebenen LEAG-Tagebaue liegen aber in Sachsen, wo „3 Milliarden realistisch sind“.

Aktuell liegt bei der LEAG aber lediglich ein „Ansparvermögen“ von 830 Millionen Euro vor. „Die LEAG erklärt, durch ihre Geschäftstätigkeit dieses Vermögen weiter anzusparen“, sagt Smid, „aber Braunkohle wird in Zukunft immer weniger gebraucht.“ Einerseits steigt der CO₂-Preis weiter, andererseits haben die Erneuerbaren Vorrang im Netz.

Konzernstruktur weckt Zweifel an seriösen Absichten

„Die sind bei der LEAG jetzt aber in unabhängige Tochtergesellschaften ausgegründet, in verschachtelten GmbHs mit zweifelhafter wirtschaftlicher Substanz.“ Die neu aufgestellte LEAG sei ein dünnes Firmenkorsett mit milliardenschweren Zahlungspflichten.

Tatsächlich ist der Weg zum Multimilliardär Daniel Křetínský einer mit vielen Windungen. Die Lausitzer Braunkohlekraftwerke und -tagebaue gehören der LE Verwaltungs GmbH. Diese untersteht jetzt der LEAG GmbH, die wiederum der LEAG Holding AS gehört. Besitzer dieser Holding ist die EP Energie Transition, die zu 100 Prozent im Besitz der EP Corporate Group ist. 89,3 Prozent der Anteile dieser Group gehören Daniel Křetínský, der Rest einigen seiner leitenden Manager.

„Die Konzernstruktur legt den Versuch nahe, Rekultivierungskosten in Ostdeutschland auf die Öffentlichkeit abzuwälzen“, urteilt Brigitte Alarcon, Analystin bei Beyond Fossil Fuels. Die jetzt ausgegliederten Töchter seien Gesellschaften mit beschränkter Haftung und eigenständig. Bedeutet: Sie müssen nicht füreinander einstehen.

Die LEAG spricht dagegen von der Bildung „angemessener Rückstellungen“ bei der Lausitz Energie Bergbau AG. „Diese Rückstellungen werden alljährlich von Wirtschaftsprüfern testiert und von den Bergämtern der Länder in regelmäßigen Abständen der Sache und der Höhe nach geprüft“, so Sprecher Thoralf Schirmer. Zudem werde ein insolvenzfestes Sondervermögen „zur finanziellen Absicherung der Erfüllung der Wiedernutzbarmachungsverpflichtungen“ gebildet. Der Job von Philipp Nellessen wird übrigens nicht neu besetzt: Der neue Konzernchef Adolf Roesch – ein ehemaliger Baumanager – übernimmt den Vorstandsposten „Produktion“ gleich mit.

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5 Kommentare

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  • Was auf dem Bild zu sehen ist, sieht absolut nicht nach Renaturierung aus - eher nach einem Schottergarten. Bei der Renaturierung werden auf Grund vieler unsinniger Vorgaben Chancen vertan und auch unnötige Kosten verursacht. Optimal wäre eine größere Gewichtung von sich selbst renaturierenden Bereichen.

  • Ambitionierte Projekte kosten viel Geld:



    taz.de/Tagebaue-in...-Lausitz/!5952599/



    Noch 2023 in der taz:



    "Kohle-Abbau in der Lausitz



    Herr Křetínský kriegt nicht genug



    Ein Milliardär will hunderte Millionen weitere Tonnen Braunkohle fördern. Sachsens Landesregierung, inklusive der Grünen, tut dagegen nichts."



    Im Westen gibt's auch große Projekte nach großen Schäden durch den Bergbau, eines mit Erfolgsstory: Die Renaturierung der Emscher. Oft zahlt der Bürg_er dauerhaft mit.

  • Als ob RWE im Rheinischen Revier sauber spielen würde.



    Zuschüsse auf Null, politische Deals aber noch rasch, dass ohne irgendwelchen echten Wege dazu angebliches Volllaufenlassen mit nicht vorhandenem Wasser schon ein Rekultivieren darstellen würde.



    Bei eigentlich erstklassigem Boden wohlgemerkt.

    • @Janix:

      Die Spielen auf jeden fall "sauberer" als die LEAG.



      Ich wohne direkt am rheinischen Braunkohlerevier und die bisher renaturierten Flächen können sich durchaus sehen lassen, nicht wie dieses ärmliche Schotterhäufchen, welches man oben auf dem Bild sieht. Da versteht RWE schon etwas von, das muss man ihnen lassen. Und natürlich stellt ein einfaches Vollaufen mit Wasser keine Renaturierung dar, das behauptet aber auch niemand.

      • @PartyChampignons:

        Nichts optisch etwa gegen die Strandbar Bedburg, doch dahinter ist bester fruchtbarster Lößboden für eine Wüste geopfert worden, deren Staub im Hals kratzt. Die künstlichen Abraumhügel sind die höchsten Erhebungen der Landkreise, passen also wie die Faust aufs Auge. Darauf Pionierbirken, wo vorher beste Rüben etc. auf besagtem Topboden breitflächig wuchsen.

        Die irrealen Wasserszenarien sind nur zum Geldsparen eingefädelt worden und werden nie so wie geplant eintreten (allein der Wasserstand des Rheins!).

        Mensch sollte das Geld von RWE rasch holen, bevor die auf Dividendenausschütten, Insolvenz und schlanken Fuß machen.