Landwirtschaft: Der verunreinigte Hobbit
Die umstrittene Syngenta AG musste Saatgut für zuchtoptimierte Wintergerste zurückziehen. Kritiker sehen ihre Vorbehalte an Gentechnik bestätigt.
BREMEN taz | Für die einen, die Kritiker, ist es ein „Desaster“ für die Landwirtschaft. Und für den anderen, den Saatgut-Hersteller, ein eher theoretisches Problem, das „in der Praxis“ gar nicht ankomme.
Die Rede ist vom Getreide des internationalen Agrarkonzerns Syngenta, konkret: dessen Hybrid-Wintergerste. Dabei handelt es sich um Gerste, die dank Inzucht deutlich mehr Ertrag als konventionelles Getreide bringt, deren Vorteile aber nicht vererbt werden. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (ABL) in Niedersachsen warnt nun vor „großflächigen Verunreinigungen“ durch Pollenflug oder die Aufbereitung des Saatguts. Syngenta findet diesen Vorwurf zwar „absolut nicht zutreffend und irreführend“ – räumt aber ein „Produktionsproblem“ ein. Es sei jedoch schon „vor der Ernte“ bemerkt und das betroffene Saatgut „zurückgezogen“ worden. „Für Gerstenanbauer ist überhaupt kein Schaden entstanden“, sagt Syngenta. Die ABL warnt gleichwohl vor einer „Saatgut-Knappheit“.
Ihrem Sprecher Eckehard Niemann geht es aber um etwas anderes: Der Vorfall belege „einmal mehr“ die Gefahren gentechnisch veränderter Sorten. Diese Hybrid-Wintergerste, die beispielsweise „Hobbit“ heißt oder „Zzoom“, gehöre zwar gar nicht dazu. Aber: „Die Versprechen der Gentechnik-Konzerne“ – und dazu gehört auch Syngenta –, dass sich Gen-Getreide „isoliert anbauen ließe, ohne dass diese sich unkontrolliert über alle Felder verbreiten, seien abermals widerlegt“. Syngenta widerspricht freilich: Von einer unkontrollierten Verbreitung könne keine Rede sein, und von Gentechnik auch nicht. „Wenn diese Gerste gentechnisch verändert wäre, dann hätten viele Landwirte nun ungewollt Gentechnik auf ihren Feldern“, sagt Niemann. Das sei ein „Menetekel“, eine „Warnung“.
In Deutschland wird in diesem Jahr auf über 1,2 Millionen Hektar Wintergerste angebaut.
Das sind 12,9 Prozent mehr als noch im Vorjahr - und zugleich etwa zehn Prozent der gesamten Ackerfläche.
Für die Vermehrung des Zucht-Saatguts der Hybrid-Wintergerste durch Landwirte wird aktuell auf 5.200 Hektar Hybrid-Gerste angebaut. Das ist fast ein Viertel der gesamten Fläche.
Der Großteil davon sind Sorten der Syngenta AG. Der Konzern mit Sitz in der Schweiz beschäftigt weltweit über 27.000 Menschen.
Zumal Syngenta schon einmal aufgefallen ist: 2005 wurde öffentlich, dass Syngenta in den USA jahrelang „versehentlich“ nicht zugelassenen Gen-Mais vertrieben hatte. Er landete in Frankreich, Spanien, und über Saatgut, Tierfutter oder Speisemais wohl auch in andere Länder. Syngenta weigert sich die Importländer zu nennen. Der Konzern habe „entweder nicht die volle Kontrolle“ oder wolle seine Fehler „nicht offenlegen“, kritisierte Greenpeace.
Unbestätigten Meldungen zufolge peilt Syngenta bei der deutschen Wintergerste aktuell einen Marktanteil von 50 Prozent an. Wir konnten eine „erfreuliche positive Resonanz beobachten“, sagt Syngenta nur. „Da entsteht quasi ein Monopol“, glaubt Niemann.
Die Hybridgerste verspricht den Landwirten zwar allerlei praktische Vorteile und eine „bis zu dreimal höhere Rendite“. Doch weil die Bauern sie nicht selbst vermehren können, werden sie zugleich von Herstellern wie der Syngenta AG abhängig. Gleich mehrere ihrer Großaktionäre sind übrigens auch beim Konkurrenten Monsanto Miteigentümer. Und dort setzt man ja schon lange auf das Geschäfte mit Genpflanzen – auch wenn der Konzern kürzlich ankündigte, entsprechende Geschäfte in Europa einzudämmen.
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