piwik no script img

Landwirte gegen Wölfe„Wölfe vermehren sich tüchtig“

Warum sie meist gegen Massentierhaltung kämpfen, aber nun auch gegen die wachsende Wolfspopulation, erklärt die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft.

Bauernschreck: Wer Tiere auf der Weide hält, fürchtet den Wolf Foto: dpa
Simone Schnase
Interview von Simone Schnase

taz: Herr Ilchmann, von über 14 Millionen Rindern und Schafen in Deutschland sind 618 bisher Opfer von Wölfen geworden – rechtfertigt diese Zahl Ihre Forderung, den Wolf zum Abschuss freizugeben?

Ottmar Ilchmann: „Zum Abschuss freigeben“ ist übertrieben, aber Fakt ist: Wölfe vermehren sich tüchtig, die Population steigt – wir haben also mit einer Zunahme der Attacken zu rechnen.

Bauern werden aber für gerissene Tiere entschädigt …

Das Problem ist die grundsätzliche Bedrohung der draußen lebenden Weidetiere durch die Wölfe. In Ostfriesland beispielsweise haben wir flächendeckend Weidehaltung. Ich habe meine Kühe draußen und auch meine Kälber, die in der Sommersaison auch draußen geboren werden. Die Tiere sind mit einem einfachen Elektrozaun gesichert, sie sollen ja nicht ausbrechen. Aber das hilft in keinster Weise gegen Wolfsattacken.

Bild: Ulrich Jasper
Im Interview: Ottmar Ilchmann

54, ist Milchbauer mit 60 Kühen plus Nachzucht und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) in Niedersachsen und Bremen.

Können Sie die Elektrozäune nicht aufrüsten durch Maschendrahtzaun?

Abgesehen davon, dass Wolfszäune gar nicht unbedingt helfen – es gibt Beispiele dafür, dass auch die unterwühlt oder übersprungen werden – handelt es sich hierbei nicht um ein einfaches Nachrüsten. Ich habe 40 Hektar Weideland, die ich komplett schützen müsste, das wären ungefähr 5,9 Kilometer Zaun, die ich bauen müsste. Alle fünf Meter ein Pfosten und Maschendrahtzaun, der auch noch 30, 40 Zentimeter in die Erde eingegraben werden muss. Nur für meinen Betrieb würde der Aufwand einige zehntausend Euro kosten.

Aber auch das würden Sie doch bezahlt bekommen, oder?

Ja, es gibt einen Topf für solche Zaunbauten. Aber der reicht nur, solange in wenigen Fällen neue Zäune tatsächlich nötig sind. Wir gehen aber von einer flächendeckenden Ausbreitung des Wolfes aus – das würde einen Aufwand von vielen, vielen Millionen Euro betragen. Das könnte der Staat gar nicht mehr tragen. In meinen Augen ist es blauäugig, davon auszugehen, dass das machbar ist.

Was ist mit Möglichkeiten wie Vergrämungsmaßnahmen, Herdenschutzhunden oder Einstallung über Nacht?

Ich habe vier Herden, die 24 Stunden am Tag draußen sind. Wie viele teuer und aufwendig ausgebildete Hunde bräuchte ich da? Auch das funktioniert doch nur bei punktuellen Problemen mit Wölfen. Und zur Einstallung: Die Weidehaltung ist die vom Verbraucher erwünschteste Form der Haltung. Sie ist auch für Tiere und die Umwelt gut. Und jetzt sollen auf einmal die Tiere über Nacht in den Stall? Das kann keine Lösung sein.

Also geht es um das Dilemma zwischen dem Wunsch nach Weidehaltung und dem Schutz des Wolfes?

Ganz genau. Ein industrieller Betrieb, der seine Tiere niemals nach draußen lässt, hat kein Problem mit der Rückkehr des Wolfes. Wir vertreten aber Landwirte, die kleine Betriebe mit Weidehaltung haben.

In diesem Punkt sind Sie sich auch einig mit Umweltschutzverbänden und den Grünen – scheitert Ihr gutes Verhältnis jetzt an Ihrer unterschiedlichen Haltung zum Wolf?

Ich bin Vertreter von Bauerninteressen und muss mich als solcher nicht stark machen für die Rückkehr des Wolfes. Das machen die Umweltverbände, da machen die auch eine gute Lobbyarbeit. Aber unsere weidehaltenden Kollegen freuen sich nicht, wenn die Wolfspopulation wächst. Ich warne einfach davor, allzu blauäugig abzuwarten und zu sagen: Ach, das kriegen wir schon hin. Wir plädieren dafür, bereits jetzt gemeinsam an Lösungen zu arbeiten.

Wie hilfreich ist es dafür, wenn AbL-Sprecher Eckehard Niemann sagt, der Wolf habe keinerlei ökologische Bedeutung?

Wir hatten 200 Jahre lang keine Wölfe in Deutschland – unsere Kulturlandschaft hat sich seitdem sehr verändert. Dass der Wolf übermäßige Populationen von Rehen und Damwild kurz halten kann, mag wohl sein, aber ich kann mir auch vorstellen, dass er den bequemeren Weg vorzieht und sich den zahmen Schafen eher zuwendet als den scheuen und schnellen Rehen. Früher hatte der Wolf auch noch natürliche Feinde wie den Braunbär. Das hat sich geändert. Es gibt sicher Regionen, wo eine Koexistenz mit dem Wolf ganz gut möglich ist, aber in den intensiven Weidehaltungsgebieten wird es sehr, sehr schwer – meiner Meinung nach sogar unmöglich. Da muss man sich überlegen, wie man den Wolf fernhält oder vergrämt.

Wenn Herr Niemann sagt, die Artenschutzliste müsse geändert und der Wolf ins Jagdrecht aufgenommen werden, heißt das aber abschießen.

Ja, aber das ist heute ja auch schon möglich, beispielsweise bei sogenannten „Problemwölfen.“ Noch ist der Wolf auch sicher eine bedrohte Art, aber das kann sich aufgrund seiner schnellen Vermehrung ändern – und warum sollte es verboten sein, darüber nachzudenken, was dann getan werden kann?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Mir geht es hier nicht darum, den einen oder anderen Standpunkt anzugreifen oder zu verteidigen, sondern um die Diskussions- und Wissens-BASIS. Wenn man diskutiert, sollte man wissen, worüber! Man braucht eine gemeinsame Sprache und eine gemeinsame Wissensbasis. @tanagra&jandebuur Bitte über die verwendeten Worte einmal nachdenken: "geeignete" oder "ungeeignete" Habitate sind - so wie Sie sie verwenden - diejenigen, die Sie aus MENSCHLICHER Sicht für (un)geeignet halten, nämlich, weil Sie davon ausgehen, dass die Konflikte in diesen Gebieten nicht zu bewältigen sind. Aber wir haben es doch bisher gar nicht ernsthaft versucht. Also ist Ihre "Entscheidung", ob Wölfe in bestimmten Bereichen leben dürfen oder nicht, erstens subjektiv und zweitens bequem. Und für die Wölfe spielt Ihre Definition von geeignet oder ungeeignet keine Rolle.

    @ TAZ und Niemann Bitte erst sich informieren und dann losreden: Ob der Wolf im Jagdrecht ist oder nicht, spielt überhaupt keine Rolle, so lange er nach Naturschutzrecht streng geschützt ist. Denn auch als jagdbare Art (also im Jagdrecht) würde er ganzjährig Schonzeit genießen (wie z.B. die Wildkatze). Dass Leute, die nichts davon verstehen, immer wieder das in diesem Zusammenhang völlig irrelevante Jagdrecht in die Diskussion einbringen, kann ich ja noch verstehen, aber dass Verbändevertreter und seriöse Medienvertreter solchen Unsinn wiederkäuen, lässt mich manchmal fast verzweifeln. Herr Ilchmann sagt ganz richtig, dass eine Entnahme in bestimmten Fällen selbstverständlich nach Naturschutzrecht möglich ist.

  • Wie relevant und sinnvoll ist denn die reine Grünlandregionen für den Wolf. Da gehört er wohl nicht hin .Nur deshalb muß der Wolf nicht ins allgemeine Jagdrecht überführt und der allgemeinen Jägerschaft ausgeliefert werden. Wölfe ,die sich in ungeeigneteten Habitaten ausbreiten und auch noch verhaltensauffällig sind, müssen von geeigneten Fachkräften in Absprache mit den Grundbesizern und Anliegern kontrolliert und reguliert werden. Die Kontrolle von Beutegreifern im Ökosystem im allgemeinen ist eine wenig erforschte und komplexe Angelegenheit, die man auf gar keinen Fall durch Abknallen in den Griff bekommt ,wie es die niedersächsishe Jägerschaft auch bei anderen Tierarten praktiziert und fordert.