Landtagswahl in Wien: Keine Überraschungen in Wien
Bei der Wiener Landtagswahl gewinnt die SPÖ klar, die FPÖ verdreifacht sich, die Konservativen verlieren. Das zeigt die erste Hochrechnung.
Die SPÖ kommt laut erster Hochrechnung auf 39,3 Prozent. Trotz des Verlusts von gut zwei Prozent landet sie damit, wie immer in Wien seit 1945, klar auf Platz eins. Die FPÖ verdreifachte sich von ihrem Tiefstwert von sieben Prozent nach der Ibiza-Schlappe 2019 auf nunmehr 20,5 Prozent. Auf ihren bisherigen Wien-Rekord – 2015: gut 30 Prozent unter Parteichef Heinz-Christian Strache – kann sie damit aber nicht anschließen.
Auf Platz drei landen die Grünen (14,7 Prozent), die ihr Ergebnis in etwa halten. Gleichauf bei 9,6 Prozent landen die konservative ÖVP und die liberalen Neos. Für die ÖVP ist es fast eine Halbierung, allerdings der Rückkehr zum „Normalzustand“, ist doch Wien ein traditionell hartes Pflaster für sie.
Für die Neos, die zuletzt mit der SPÖ regierten, ist es ein Zugewinn. Alle anderen Listen, etwa kommunistische KPÖ (4,1 Prozent) und das „Team HC Strache“ (1,1 Prozent) rund um den ehemaligen FPÖ-Vizekanzler, versäumen voraussichtlich den Einzug in den Landtag.
Schlechtestes Wiener SPÖ-Ergebnis allerzeiten
Dem alten und wohl auch künftigen roten Bürgermeister Michael Ludwig stehen voraussichtlich alle Zweiervarianten offen, wenn auch im Falle der Neos durchaus knapp. Sofern deren Mandatsmehrheit hält, gilt eine Weiterführung von SPÖ-Neos am wahrscheinlichsten. Doch auch Grüne und ÖVP kommen in Frage. Einzig die FPÖ als Koalitionspartner hat Ludwig im Vorfeld ausgeschlossen.
Klar ist auch: Das SPÖ-Ergebnis ist das schlechteste, das sie je bei einer Wiener Landtagswahl eingefahren hat. Und das, obwohl Bürgermeister Ludwig im Wahlkampf durchaus erfolgreich versuchte, keine Angriffsflächen zu bieten. Und obwohl die anderen Parteien, mit Ausnahme der FPÖ, gröbere Attacken auf die Sozialdemokraten tunlichst vermieden hatten, weil sie mitregieren wollen. Dennoch: Das Wiener SPÖ-Ergebnis ist deutlich besser als das bundesweite. Michael Ludwig bleibt wohl unangefochten.
Die Lebensqualität in Wien gilt als hoch: Die Stadtverwaltung ist effizient, der Wohnraum dank mehr als 400.000 Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen vergleichsweise günstig. Doch die Probleme häufen sich, allen voran im Bildungs- und Gesundheitssystem. Hier macht sich das starke Bevölkerungswachstum von mehr als 200.000 Menschen seit 2015 besonders stark bemerkbar.
Wichtiger als diese beiden Bereiche waren den Wiener*innen nur die Themen Inflation, Sicherheit sowie Asyl und Zuwanderung. Dies zeigt eine repräsentative ORF-Wahlbefragung der Institute Foresight und ISA. Umwelt- und Klimaschutz spielten demnach hingegen eine kleine Rolle, ebenso die Rekordverschuldung der Stadt.
Auswirkungen auf die Bundespolitik, wo seit März ÖVP, SPÖ und Neos gemeinsam regieren, sind eher nicht zu erwarten. Die FPÖ wird, bestärkt vom heutigen Ergebnis, weiter gegen die angebliche „Einheitspartei“ und den angeblich verschmähten Volkswillen trommeln.
Für die noch junge Bundesregierung bietet sich nun hingegen die Chance auf tiefgehende Reformen, denn bis Herbst 2027 finden planmäßig keine Wahlen, also auch keine Wahlkämpfe, statt. Schmerzhafte Strukturreformen, etwa im Rentensystem, sind angesichts der schwierigen budgetären Lage dringend nötig. In Wien hingegen wechselt allenfalls, auch das unwahrscheinlich, der Juniorpartner im Rathaus. Ein Richtungswechsel ist aber nicht zu erwarten.
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