piwik no script img

Landtagswahl im SaarlandKampf um Aufmerksamkeit

Die großen Parteien drohen die kleinen im Wahlkampf ins Abseits zu drängen. Mit schrillen Plakaten halten Grüne und FDP dagegen.

Man ist mit sich beschäftigt – und zwar ganz ohne grüne oder liberale Mitwirkung Foto: dpa

Saarbrücken taz | Im Saarland haben Grüne und FDP mehr gemeinsam, als ihnen lieb ist: Für beide Parteien gerät die Landtagswahl am 26. März zur Zitterpartie. Nach den aktuellen Umfragen dürften Liberale wie Grüne an der Fünfprozenthürde scheitern.

Beide Parteien kämpfen erbittert um die Aufmerksamkeit der WählerInnen, mit ziemlich abgefahrenen Werbekampagnen. Die Saar-Grünen setzen dabei sogar auf US-Präsident Donald Trump. Auf Großplakaten, die die Grünen im ganzen Land aufgestellt haben, droht ein überlebensgroßer Trump mit dem rechten Zeigefinger. „Die schreiende Wahrheit“ lautet die Überschrift. „Herr Präsident, wie stehen Sie zu Freiheit, Toleranz und Integration?“ steht da. Und rechts unten: „Für die Zukunft, Grün Wählen“.

Plakate mit viel Weiß und wenig Grün, die mit dem Begriff „Wahrheit“ spielen, sollen der Partei wohl ein frischeres Image geben. Damit kann der grüne Spitzenkandidat, Hubert Ulrich, 59, eher nicht dienen. Seit der Jahrtausendwende ist er an der Saar der einflussreichste Grünen-Politiker. Er hat eine Dienstwagenaffäre überstanden und 2009 die Grünen gegen starke innerparteiliche Widerstände in eine Jamaika-Koalition mit CDU und FDP geführt, die scheiterte. Ulrich musste sich damals zudem für eine 47.000-Euro-Spende des Unternehmers und FDP-Mitglieds Hartmut Ostermann rechtfertigen. „Absurd anzunehmen, dass es dafür Gegenleistungen gegeben habe“, sagt Ulrich der taz.

Diesmal hätte es eine Alternative zu ihm gegeben. Allerdings kandidiert Barbara Meyer-Gluche, 32, grüne Kreisvorsitzende in Saarbrücken, nicht Grünen-traditionsgemäß auf Platz eins, sondern hinter Ulrich auf Platz zwei. Meyer-Gluche diskutiert leidenschaftlich, vermeidet aber den belehrenden Gestus, mit dem grüne PolitikerInnen gelegentlich nerven. Sie ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Fraktion in allen Themen der Landespolitik zu Hause. Doch in TV-Runden und Interviews vertritt nicht die Neue die Grünen, sondern Ulrich.

Mir wird ganz übel, wenn ich daran denke, dass die AfD nach der Wahl in unsere Räume im Landtag einziehen könnte.

Barbara Meyer-Gluche, Grüne

Vor fünf Jahren rutschten die Grünen mit 5 Prozent gerade noch so in den Landtag. Meyer-Gluche hat sofort die Zahl parat. „Wir hatten damals 185 Stimmen mehr als unbedingt nötig“, weiß sie und bekennt: „Mir wird ganz übel, wenn ich daran denke, dass die AfD nach der Wahl in unsere Räume im Landtag einziehen könnte.“

Noch schwieriger ist die Ausgangslage für die FDP. Spitzenkandidat Oliver Luksic, 37, der den Parteivorsitz vor sechs Jahren in der Krise der Jamaika-Koalition übernahm, hat gleich zwei krachende Niederlagen erlebt. Vor fünf Jahren fuhr er mit der entzauberten Saar-FDP 1,2 Prozent ein, im Jahr darauf verlor er persönlich beim Desaster der Bundespartei auch noch sein Bundestagsmandat. Er will die Landespartei jetzt aus der APO, aus der außerparlamentarischen Opposition herausführen.

Leuchtende Farben

Sein Konterfei grüßt von Plakaten, gedruckt in schrillen Farben: giftgelb sein Gesicht, im Hintergund schreiendes Blau und grelles Magenta. „Das neue Saarland“ verspricht der Spitzenkandidat. Der selbstständige Unternehmensberater hat in Paris und London studiert, betont aber seine Heimatverbundenheit – im Saarland ein Muss.

Er registriert Unterstützung aus der saarländischen Wirtschaft und konnte sogar den ehemaligen Sozialdemokraten und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement für einen Wahlkampfauftritt gewinnen. „Dass die SPD von der Agenda 2010 abrückt, hilft uns“, versichert Luksic. Seine wichtigste Botschaft: „Nur wenn die FDP im nächsten Landtag vertreten ist, kann eine rot-rote Regierung im Saarland verhindert werden.“

Ganz gleich, ob Grüne und FDP es am 26. März in den Landtag schaffen. Beiden fehlt eine realistische Machtperspektive. CDU-Ministerpräsidentin Anne­gret Kramp-Karrenbauer hat Dreierbündnisse für sich ausgeschlossen. Damit ist eine Neuauflage eines Jamaika-Bündnisses, wie es sich Grüne und FDP vorstellen könnten, aussichtslos. Eine Ampel-Koalition hätte keine Mehrheit. Und sollte es für Rot-Rot reichen, braucht niemand die Grünen.

Inhaltlich sind Grüne und FDP nahe beieinander. Beide wollen den Mittelstand stärken, mit einer Verwaltungsreform Bürokratie einsparen. Sie fordern Investitionen in die Bildung, in die Infrastruktur und wollen den Gymnasien freistellen, ob das Abitur nach 8 oder 9 Jahren abgelegt werden soll. Nur bei der Energiewende geraten Liberale und Grüne aneinander. Offen bleibt, ob sie diese Konflikte nach dem 26. März als Oppositionsparteien im saarländischen Landtag austragen – oder als APO.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • 3G
    36855 (Profil gelöscht)

    DIESE Grünen braucht keiner. Sie passen so genau in das verwobene, verlogene Politikersystem des Saarlandes. Leider interessiert das nicht die Mehrheit. Ansonsten müßte man auch einen Clement mit Schimpf und Schande aus dem Land jagen.

    Wer dieses Buch gelesen hat: https://www.perlentaucher.de/buch/wilfried-voigt/die-jamaika-clique.html

    wird sprachlos sein, angesichts der Korruption, Verlogenheit, Verflechtungen, zum eigenen Wohl und Geldbeutel und zum Schaden der Steuerzahler.