Landtagswahl Rheinland-Pfalz: Beck wird begrünt
Die SPD gewinnt, dicht gefolgt von der CDU. Kurt Beck braucht nun die Grünen als Koalitionspartner, die mit über 15 Prozent der Stimmen wieder in den Landtag einziehen konnten.
Kurt Beck (62) darf die Karre in Rheinland-Pfalz noch fünf Jahre lang weiter ziehen. Weil die Karre - einst Herbert Wehners Synonym für Staat und Wahlvolk - es so will.
Beck als Chef der immer noch stärksten Partei, die offenbar für diverse Skandale und Affären der Landesregierung mit Verlusten in Höhe von zehn Prozentpunkten abgestraft wurde, hat wieder den Auftrag zur Bildung einer neuen Landesregierung erhalten. Denn die Grünen, die sich schon gleich nach dem atomaren Desaster in Japan für eine Koalition mit der SPD ausgesprochen hatten, wurden aus dem Nichts heraus - die Partei schaffte in der vergangenen Legislaturperiode mit 4,6 Prozent nicht den Einzug in den Landtag - nach oben katapultiert.
Grenzenloser Jubel bei den Grünen. Und erst einmal "Freude pur". Allerdings: Die rheinland-pfälzische Bundestagsabgeordnete Ulrike Höfgen relativierte gleich danach die Koalitionsaussage der beiden Spitzenkandidaten Lemke und Köbler zugunsten der SPD kurz vor der Wahl. Die Gremien müssten zunächst tagen, sagte sie. Und wenn es ein Gesprächsangebot der CDU geben sollte, werde man das nicht ausschlagen.
Vorläufiges amtliches Endergebnis
SPD 35,7 % (42 Sitze)
CDU 35,2 % (41 Sitze)
GRÜNE 15,4 % (18 Sitze)
FDP 4,2 % (-)
LINKE 3,0 % (-)
Auf der Grünen-Feier finden Basisleute das "befremdlich". Mit der Atompartei CDU verhandeln? "Nicht mit uns", heißt es. Dass Becks Herausforderin Julia Klöckner (CDU) nicht so schlecht wie prognostiziert abgeschnitten hat (plus 2,5 Prozentpunkte), löst dann sogar bei der Union "gedämpfte Feierlaune" aus, wie eine Landtagsabgeordnete lächelnd anmerkte. Klöckner freute sich denn auch über die "massiven Einbrüche" der SPD. Und darüber, dass die CDU gegen den Bundestrend an Rhein und Mosel zugelegt habe. "Die CDU in Rheinland-Pfalz ist wieder da."
Die Grünen jedenfalls sind die eigentlichen, am Ende verdienten Profiteure der atomaren Katastrophe in Japan und der Ausstiegsdebatte im Heimatland von Rainer Brüderle (FDP). Die Partei des Bundeswirtschaftsministers, der sich vor Industriemanagern in der Abschaltdebatte verräterisch arg verplapperte, wurde brutal abgestraft und kommt mit 3,9 Prozent nicht mehr in den Landtag. Ihr Landeschef Herbert Mertin wünschte seinen - letzten - Getreuen enttäuscht und zynisch einen "schönen Abend".
Schon jetzt ist Beck mit fast 16 Regierungsjahren der dienstälteste Ministerpräsident der Republik. 2016 wird er ein Vierteljahrhundert an der Macht gewesen sein. Die Worte des knorrigen Altvorderen Wehner von der Karre jedenfalls zitierte Beck im Wahlkampf zuletzt häufig. Und er bettelte die Rheinland-Pfälzer um den Verbleib an der Deichsel der Karre geradezu an. Weil ihm sein Job doch so viel Freude bereite, wie er immer wieder betonte. Und weil er das Land - ein bisschen Eigenlob darf sein - doch auch vorangebracht habe. Unter die Top drei bei der Arbeitslosenstatistik etwa. Nur Bayern und Baden-Württemberg haben da noch die Nasen vorn. Und auch in der Bildungspolitik sei Rheinland-Pfalz "spitze", meint Beck, auch wenn die Grünen gerade auf diesem Feld Reformbedarf anmelden und vielleicht auch Verantwortung für das Kultusressort übernehmen wollen.
Was aber wird dann aus Ministerpräsident Becks gefeierter Kultusministerin Doris Ahnen? Für den grünen Spitzenkandidaten Daniel Köbler sind die Klassen in allen Schulformen und auch die Kindergartengruppen noch immer zu groß. Und es gebe viel zu wenig Gesamt- und Ganztagsschulen im Lande von "König Kurt".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen