Landratswahl in Thüringen: Eine Gegenveranstaltung der AfD
Der Saale-Orla-Kreis wählt am Sonntag einen Landrat. Trotz seines Kontakts zu Reichsbürgern hat der AfD-Kandidat Uwe Thrum gute Chancen.
Es gibt ein Video von Thrum, das ihn zusammen mit Heinrich XIII. Prinz Reuß an einem Bistrotisch zeigt. Reuß wurde 2022 mit gut zwei Dutzend Mitverschwören festgenommen, weil sie mutmaßlich einen Putsch in Deutschland planten.
Außerdem organisiert Thrum immer wieder politische Veranstaltungen mit Frank Haußner. Der forderte mit Blick auf Heinrich XIII. Prinz Reuß Gesinnungsgenoss*innen auf: „Lasst uns als nachgewiesene Deutsche, entsprechend unserer Abstammung, der Staatssimulation BRD den Rücken kehren.“ Wie Thrum zu der politischen Ausrichtung Haußners steht, wollte er auf Anfrage der taz nicht beantworten.
Obwohl Thrum selbst nicht da ist, sind Dutzende seiner Unterstützer*innen nach Schleiz gekommen, um ihn mit Fahnen, Trommeln und lautem Rufen zu verteidigen. Denn gegen Thrum gibt es Protest.
Gegen die AfD organisieren
Während die AfD-Sympathisant*innen in Schleiz sich auf dem Neumarkt zu einer Gegenkundgebung formieren, schallt von einer Bühne auf anderen Seite das Ärzte-Lied „Schrei nach Liebe“ über den Platz. Ursprünglich hatte nur die Initiative „Dorfliebe für alle“ eine Kundgebung in Schleiz angemeldet, zu der etwa 300 Menschen gekommen sind. Motto: Kein Landratsamt der AfD.
Etwa 20 Personen aus der Gegend haben sich zu der Initiative zusammengeschlossen. Mit der Kundgebung wollten sie zeigen, „dass es viele gibt, die gegen einen Landrat von der AfD sind“, sagt Sprecherin Lena Grundmann. Das Problem sei, dass viele nicht voneinander wüssten. Ralf Kalich, der für die Linke am Sonntag antritt, wundert das nicht. „Der Organisationsgrad der Gesellschaft im Saale-Orla-Kreis ist relativ niedrig“, sagt er. Er freue sich, dass sich die Initiative da gefunden habe.
Zudem veröffentlichten sie einen öffentlichen Brief, den mittlerweile mehr als 1.400 Menschen unterschrieben haben. „Die AfD zerstört konstruktive Debatten mit respektlosen Parolen und Falschinformationen“, heißt es da. Und ein Kandidat, der mit seiner guten Beziehung zu Björn Höcke prahle und „bewaffnete Reichsbürger lustig findet“, dem „dürfen wir keine Stimme geben“.
AfD träumt von der absoluten Mehrheit in Thüringen
In der vergangenen Woche unterstützte ihn der Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner beim Wahlkampf. Trotz Minusgrade vor etwa 300 Menschen in Pößneck, wie die Polizei schätzt. Dabei träumte Brandner lautstark, die AfD würde die absolute Mehrheit in Thüringen erringen, eine neue Familien- und Bildungspolitik einführen und den Erfurter Flughafen als „zentralen Abschiebe-Flughafen“ ausbauen. Wie die Ostthüringer Zeitung schreibt, gab es dafür Beifall.
Die Landratswahl im Saale-Orla-Kreis läutet quasi das Wahljahr in Thüringen ein. Und bei Umfragen kommt die AfD gut weg. Laut einer Forsa-Umfrage, die am Donnerstag veröffentlicht wurde, würden bei einer Landtagswahl am Sonntag 36 Prozent ihre Stimme der rechtsextremen Partei geben.
Auf kommunaler Ebene etabliert sich die AfD derweil zunehmend. Erst gewann im vergangenen Jahr Robert Sesselmann nicht weit entfernt in Sonneberg als erster AfD-Kandidat eine Landratswahl. Dann wurde Tim Lochner in Pirna erster AfD-Oberbürgermeister. Auch Uwe Thrum konnte im Saale-Orla-Kreis schon einmal gewinnen.
Bei der Landtagswahl 2019 holte Thrum mit knappem Vorsprung das Direktmandat im südlichen Wahlkreis SOK I. Das zweite Direktmandat im nördlichen Wahlkreis SOK II ging an Christian Herrgott, den Generalsekretär der CDU in Thüringen.
Fragt man ihn, vor welchen Herausforderungen der Landkreis stehe, nennt er als Erstes die flächendeckende Gesundheitsversorgung. Der Kreis kämpft wie viele mit dem demografischen Wandel. Etwa die Hälfte der 79.000 Einwohner*innen ist älter als 50 Jahre. Aber der Saale-Orla-Kreis ist bekannt für seine niedrigen Löhne: Arbeitnehmer*innen in allen anderen Kreisen Thüringens verdienen mehr.
Aber es gebe auch Potenziale, betont Regina Butz, die als Parteilose mit Unterstützung der SPD kandidiert, die hinter den Problemen verschwinden sollten: die schöne Landschaft als touristische Attraktion zum Beispiel.
Obwohl Butz keiner Partei angehört, wurde sie von der SPD als Kandidatin aufgestellt. Sie ist in Schleiz aufgewachsen, arbeitete als Fachbereichs- und Fachdienstleiterin bereits im Landrat. Für den Landkreis sei die Zusammenarbeit wichtig. Darum habe sie sich gefreut, als sie von der Initiative „Dorfliebe für alle“ gehört habe. Allerdings „ist eine Kundgebung nicht das richtige Format für einen Meinungsaustausch“. Sie hält Diskussionsabende für besser.
Einschüchterung von rechts
Am Samstag in Schleiz sind die AfD-Sympathisant*innen von Anfang an mit auf der Kundgebung. Mehrere tragen Mützen in schwarz-weiß-rot. Auf die Frage, wie sie die Kundgebung bewerten, sagt einer: „Die wollen eine Partei ausgrenzen, das ist undemokratisch.“ Ob das nicht Teil der Meinungsfreiheit sei, die AfD für ungeeignet zu halten? Darauf gibt es keine Antwort. „Mach dich weg!“
Solange sie zuhören, gebe es keine Probleme, sagt Lena Grundmann. Wer stört, wird von den Ordner*innen gebeten, den Platz zu verlassen, und an die Seite gedrängt.
Im Laufe der Kundgebungen stellen sich einige Menschen mit Banner ans Ende der Menge und versuchen so, die Zuhörer*innen von den Störer*innen zu trennen. Das sorgt für Unmut. Eine Frau fordert, durchgelassen zu werden. „Sie hören doch von hier auch“, bekommt sie als Antwort durch die Bannerwand auf dem Neumarkt. Darauf entgegnet sie, sie habe mehr Lebenserfahrung und wolle sich gar nichts sagen lassen. Ein Mann stimmt ihr zu und ergänzt in Richtung der Kundgebung: „Wisst ihr, wo ihr hingehört? In die Ukraine, an die Front!“ Er dreht sich um und lacht. Etwas später bildet die Polizei eine Kette zwischen den Lagern.
Letztlich stehen rund um den Neumarkt Menschen, die die Kundgebung beäugen, den Teilnehmer*innen Kritisches und Beleidigendes zurufen. Bei fast jeder Rede skandieren die AfD-Sympathisant*innen „Lüge! Lüge!“ Butz habe mit einigen Familien auf der Anti-AfD-Kundgebung gesprochen, die die ganze Situation beängstige.
Das kann Lena Grundmann nachvollziehen, „ich habe es teilweise auch als Einschüchterungsversuch verstanden“. Trotzdem ist sie froh, dass die Kundgebung wie geplant zu Ende geht.
Wie die Landratswahl am Sonntag ausgeht, ist hingegen noch offen. Wenn keine*r der vier Kandidat*innen mehr als 50 Prozent der Stimmen erhält, ist eine Stichwahl nötig.
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