Landrat entscheidet sich um: Abschiebung nach Vietnam ausgesetzt
Vier Kindern in Ostholstein drohte die Abschiebung, nun hat der zuständige Landrat die Entscheidung revidiert. Zuvor sprach er mit den Pflegefamilien.
Hamburg taz | Die vier Kinder aus dem Kreis Ostholstein, die nach der Tötung ihrer Mutter durch ihren Vater nach Vietnam abgeschoben werden sollten, dürfen vorerst in Deutschland bleiben. Der Landkreis hatte ursprünglich in Abstimmung mit weiteren Behörden eine Abschiebung geplant, doch nun hat Landrat Timo Gaarz dieses Vorgehen ausgesetzt.
„Nach meiner Einschätzung klaffen die Sach- und Rechtslage und die Realität der Kinder auseinander“, sagte Gaarz am Mittwoch. „Aus meiner Sicht ist dieser besondere Einzelfall in seiner Ausgestaltung und durch die persönliche Familientragödie nicht einwandfrei einzuordnen.“ Er habe entschieden, dass keine aktive Rückführung nach Vietnam durch den Kreis Ostholstein erfolgen soll.
Im Oktober vergangenen Jahres hatte der Vater vor den Augen seiner Kinder die Mutter im gemeinsamen Asia-Imbiss in Bad Schwartau totgeschlagen. Er sitzt seitdem im Gefängnis und wurde vom Landgericht Lübeck zu zehn Jahren Haft verurteilt. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig.
Die Kinder im Alter von drei bis zwölf Jahren wurden nach der Tat von drei Pflegefamilien aus der Nachbarschaft aufgenommen, doch sollten sie in Kürze zu Familienangehörigen des Vaters nach Vietnam abgeschoben werden, da ihr Aufenthaltsrecht an das der Mutter gekoppelt gewesen sei und der Schutz der Familie „oberstes Gebot“ habe.
Pflegefamilien sind glücklich
Die Pflegeeltern starteten daraufhin eine Onlinepetition für einen Verbleib der Kinder. Mehr als 70.000 Menschen hatten diese innerhalb weniger Tage unterzeichnet. Die Kinder haben nach Angaben der Pflegeeltern bereits übereinstimmend erklärt, nicht nach Vietnam zurück zu wollen.
Am Mittwoch gab es dann ein Treffen zwischen Landrat Gaarz und den Pflegefamilien. Daraufhin änderte Gaarz seine Meinung. Eine der Pflegeväter, Matthias Steinebach, spricht von einer „großen Erleichterung“ und zeigt sich durchaus überrascht. Er habe vor dem Treffen eher mit einer ergebnislosen Vertagung gerechnet, die Entscheidung des Landrats lässt ihm einen „Fels vom Herzen fallen“, sagte er der taz am Mittwoch. Er betont, dass es den vier Kindern in ihrem aktuellen Umfeld sehr gut gehe.
Die Zukunft der Kinder wird im nächsten Schritt am Familiengericht verhandelt, aber für Steinebach ist zumindest einmal die „aktue Gefahr gebannt“. Die Pflegefamilien wollen das nun mit den Kindern feiern – und zwar mit einem gemeinsamen Eisessen, sagte Steinebach der taz.
Auch Schleswig-Holsteins Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) begrüßte das Vorgehen des Landrats.
Leser*innenkommentare
Friderike Graebert
GUT SO.
Beamte haben einen Ermessensspielraum.
Diesen auch zu nutzen ist allerdings auch Bürgerpflicht.
Hier hat der Wahlbeamte Herr Gaartz richtig gehandelt.
Ich komme gerade von einer Einbürgerungsfeier und habe die leuchtenden Gesichter einiger Menschen (29) gesehen, die ich zum Teil vor mehr als acht Jahren als Flüchtlinge kennengelernt habe und auch jemanden den ich schon Jahre aus seinem beruflichen Umfeld kenne, der hier seine Ausbildung gemacht hat und arbeitet, eine Partnerin hat und "deutscher" ist als viele deren Vorfahren von hier stammen.
Und Menschen die ich nicht vorher kannte, die froh und glücklich sind.
Alleinstehende Frauen und Männer, gamze Familien mit ein bis drei Kindern waren dabei.
Aus 14 Herkuntfsländern.
Und die Kinder waren auch alle dabei.
Die meisten hier geboren und aufgewachsen.
Diese Kinder sind hier zu Hause.
Hier ist ihre Heimat.
Es wird Zeit, dass , wie in den USA, alle hier geborenen Menschen als von vornherin einheimisch gelten.
Sonntagssegler
@Friderike Graebert Das würde in jedem Fall der modernen Realität besser entsprechen.
Ruediger
@Friderike Graebert Das ist wirklich ein richtig schöner Kommentar, Frau Graebert. Vielen Dank!
Lowandorder
@Ruediger anschließe mich - is halt ne Gute -