Landesparteitag der Christdemokraten: Zu Gast beim Mario
Die Berliner CDU tagt in ihrer Bundeszentrale, wo der zuvor wenig gelittene Mario Czaja nun Generalsekretär ist. Inhaltlich geht es um Kinderarmut.
An diesem Mittwochabend jedoch ist Landesparteitag in der Bundeszentrale der Partei, im Konrad-Adenauer-Haus. Hausherr ist dort aber inzwischen Czaja – der es trotz fehlender Unterstützung in den Bundestag schaffte und im Januar zum Generalsekretär aufstieg. „Ich muss jetzt mal den Mario begrüßen“, hat sich Wegner eingangs von einem kurzen Gespräch mit der taz verabschiedet. Nicht dass der Parteichef nicht sowieso gern Hände schüttelt – aber man braucht einander einfach.
Denn gerade ein kleiner Landesverband wie Berlin kann sich keine belastete Beziehung in die Bundesspitze leisten. Czaja als Generalsekretär wiederum muss mit Wegner klarkommen, weil man auch auf Bundesebene darauf hofft, dass das Berliner Verfassungsgericht wegen des Wahlchaos im vergangenen Herbst die Abgeordnetenhauswahl wiederholen lässt. Bei einer solchen Wiederholung aber wäre Wegner automatisch erneut Spitzenkandidat.
In ihren Reden gehen beide durchaus auf Differenzen ein. Er und Wegner seien wie ein altes Ehepaar – „man streitet sich zwar manchmal, aber es gibt viel mehr, was uns verbindet“, sagt Czaja. Wegner wiederum erzählt, man kenne sich über 30 Jahre. Beiderseits lobt man sich und bescheinigt einander, einen tollen Job zu machen.
Die Berliner CDU hat bei ihrem mit „KinderChancenStadt“ überschriebenen Parteitag angesichts steigender Preise ein „Belastungsmoratorium“ gefordert: Der rot-grün-rote Senat soll nach ihrem Willen „bis auf Weiteres“ keine Maßnahmen oder Regelungen beschließen, die zu einer finanziellen Mehrbelastung der Bürger führen. Für Kinder aus Familien mit geringem Einkommen soll es zudem leichter werden, Nachhilfe oder Musikunterricht zu nehmen oder ein Instrument zu lernen. Ein „Berliner Chancenpass“ soll alle Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabegesetz zusammen fassen und über eine App verfügbar machen. Darauf soll für arme Kinder monatlich ein Guthaben von mindestens 50 Euro für Freizeitaktivitäten und Bildungsleistungen sein. Nach Zahlen der CDU lebten 2021 in Berlin rund 156.000 Kinder in Familien, die staatliche Unterstützung bezogen. (sta)
Im Mittelpunkt des Parteitags – es ist ein kleiner mit knapp 70 Teilnehmern statt den bei einem großen üblichen 300 – steht das Thema Kinderarmut. Czaja, der im Team von Bundeschef Friedrich Merz auch für ein sozialeres Profil der CDU sorgen soll, weist auf eine besondere Schieflage hin: Ein Drittel derer, die als arm gelten, haben einen Job und sind doch auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen. „Wenn man von seiner Hände Arbeit nicht leben kann“, sagt Czaja, „ist das nicht die soziale Marktwirtschaft, die sich die CDU vorstellt.“
Wegner hingegen geht in seiner Rede weit weniger auf das Thema ein, unternimmt mehr eine Bestandsaufnahme zur Arbeit des rot-grün-roten Senats. Die aber besteht weithin aus bekannten Versatzstücken: Der Senat könne es nicht, die CDU müsse ran, Regierungschefin Franziska Giffey habe versprochen, aber nicht gehalten.
Das sieht interessanterweise bei Weitem nicht die ganze Partei so. In einer später am Abend vorgestellten Mitgliederbefragung stimmen nur 71,3 Prozent der Aussage zu: „Der Senat tut zu wenig“. Im Umkehrschluss hieße das: Mehr als jeder vierte Berliner CDUler ist mit der Regierung zufrieden.
Nebenher ist auch zu beobachten, dass sich einer im Landesverband etabliert hat, in dem manche nur ein Feigenblatt sahen, als er 2021 als erster Schwarzer für Berliner CDU bei der Bundestagswahl antrat. Joe Chialo, der Musikmanager, mit Laufschuhen und Polohemd in starkem Kontrast zu den vielen Anzugträgern im Raum, ist mit vielen im Gespräch, auch länger mit Czaja und Wegner. „Ich bin schon zum zweiten Mal heute hier“, erzählt er der taz. Früher am Tag sei schon Sitzung des Bundesvorstands gewesen, dem er seit Januar angehört – „da gab es ein paar gute Vibes“.
Wovon wenig bis gar nichts zu hören ist: von einer Hoffnung, über einen Rückzug der Linkspartei wegen des Enteignungsstreits in den Senat zu kommen. Diesen Nachrückerplatz – das ist deutlich spürbar – belegt wohl auch in den Köpfen der CDUler allein die FDP.
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