Landesinnenminister Lorenz Caffier gibt Amt ab: Die Aufklärung beginnt erst
Der Rücktritt des Innenministers wegen eines Waffenkaufs ist konsequent. Es wäre aber ein Fehler, die Affäre allein als persönliches Versagen zu lesen.
R ücktritte von Politiker*innen sind selten geworden in Deutschland, insofern ist es mehr als eine normale Nachricht, dass Lorenz Caffier (CDU), der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, nun sein Amt abgibt.
Diese Nachricht kann man verschieden auslegen. Man nimmt Caffier einerseits ab, dass es ihn schmerzt, dass er nun ausgerechnet über diese Sache stolpert: den Waffenkauf bei einem Mann, der Teil einer rechten Preppergruppe war und den Caffiers eigene Behörden inzwischen als rechtsextrem einschätzen.
Der Kampf gegen Rechtsextremismus war Caffier wichtig, und wie konsequent er sich für ein Verbot der rechtsextremen NPD eingesetzt hat, rechnen ihm auch politische Konkurrent*innen bis heute hoch an. Insofern zeigt sein Rücktritt Respekt vor dem Amt. Ein solch konsequentes Verhalten würde man sich auch von manch anderem Minister wünschen, auch auf Bundesebene, gerade in der Union, gerade im Ressort Inneres.
Aber das ist nur die eine Lesart. Gegen Nazis in Springerstiefeln oder mit NPD-Parteibuch mag Caffiers Kompass ausreichend funktioniert haben. Bei neueren rechtsextremen Erscheinungsformen hat er das nicht, längst gilt Mecklenburg-Vorpommern als Experimentierfeld für neue Nazis. So hat Caffier auch im Nordkreuz-Komplex echte Aufklärung vermissen lassen und die Gefahr heruntergespielt. Er hat zwar mit einigem Aktionismus Kommissionen eingesetzt, aber dann ist nicht viel passiert.
Dass das an seiner eigenen Verwicklung lag, ist ein großer Verdacht, aber dieser wurde dadurch gestärkt, dass Caffier Nachfragen ausgewichen ist, welche Beziehung er selbst zumindest zu einem der Akteure hat. Die Flucht nach vorne per Interview hat nicht funktioniert, weil in Caffiers Antworten viele neue Fragen standen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es belastende Details zu Caffier persönlich gibt, die noch nicht auf dem Tisch liegen. Und dem wollte er zuvorkommen.
Es wäre aber auch ein Fehler, die Affäre nur als persönliches Versagen Caffiers zu sehen. Die Aufklärung in Mecklenburg-Vorpommern beginnt jetzt erst. Was haben eigentlich der Verfassungsschutz und die Polizei unternommen? Was wussten sie über die Aktivitäten von rechtsextremen Polizisten? Oder wenn sie nichts wussten: warum nicht?
Mehrere zentrale Nordkreuz-Mitglieder waren Polizisten. Sie haben diesen Status genutzt, um Munition zu besorgen, um Personen auszuspähen. Polizisten sollen unsere Demokratie schützen. Wenn es daran – wie rund um die Nordkreuz-Gruppe – Zweifel gibt, muss alles getan werden, verlorenes Vertrauen wiederherzustellen. Der Rücktritt eines Innenministers reicht da nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe