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Ländlicher Tourismus in SpanienBei den Messerschmieden

Asturien ist grün, bergig und bodenständig. Reisen mit vereinzelten Schauern und jenseits der Klischees und Touristenmassen.

Ein riesiges Messer vor dem Besteckmuseum, Museo de la Cuchilleria, in Taramundi, Spanien Foto: Depositphoto/imago

Taramundi liegt auf einer Anhöhe über der Mündung des Río Cabreira in den Río Turía. Dunkle Steinhäuser, gedeckt mit Schieferschindeln, prägen den Ort im nordspanische Asturien. Die dramatischen, grauen Wolkengebirge passen gut zu dieser gebirgen Region mit Flüssen, Bächen und grünen Wäldern. Es regnet oft hier, wenn sich die von der nahegelegenen nordspanischen Küste heraufziehenden Wolken entladen. Kaum einer der zahlreichen Pilger auf der Nordroute des Camino nach Santiago de Campostella entlang der zerklüfteten Küste verirrt sich nach Taramundi. Hierher kommen vor allem spanische Touristen wegen der handgefertigten Messer für die der Name des Ortes steht.

Diese Tradition reicht bis in die Antike zurück, vor allem aufgrund der Eisenerzvorkommen und dem ausreichenden Wasser für die Schmieden. Das handwerkliche Gespür für Metall, hat sich in Taramundi bis heute erhalten. Die Familie Quintana stellt seit dem 17.00 Jahrhundert Messer her – seit sieben Generationen. Ihre Werkstatt und das heute dazugehörende Museum befinden sich in einem traditionellen Steingebäude des Dorfes Pardiñas ganz in der Nähe von Taramundi. Das Museum wurde 2007 eröffnet und 2018 mit Videos, Fotos, Informationstafeln, Modellen und Displays aktualisiert. Zu den erhaltenen Gegenständen zählen Schmiedeeisen und Blasebälge, Schleifscheiben, Werkbänke sowie Beispiele für Messer und Griffe aus unterschiedlichen Materialien in den einzelnen Entstehungsstadien.

Besucher können aber auch direkt den Handwerkern zusehen, die in den kleinen Werkstatträumen nebenan arbeiten. Sie schnitzen Griffe aus edlen Materialien wie Buchsbaum, Ebenholz oder Palisander. Schleifen Klingen aus hochwertigem Stahl. Die Klinge ist schmal und leicht gebogen. Das Messerschmieden gehört zum handwerklichen Erbe Spaniens.

Taramundi ist ein Urlaubsziel zum Wandern in der grünen, hügeligen Landschaft im Westen von Asturien, an der Grenze zu Galicien. Das Gebiet ist Teil des Biosphärenreservats Oscos Eo und Terras de Burón. Im dörflichen Taramundi gibt es zahlreiche Pensionen, Bars und Geschäfte mit den Produkten der Region: Messer, den Ziegenkäse Cabrales, weiße Bohnen und Chorizo.

wochentaz

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Das ehemalige alte Pfarrhaus des Dorfes, oben am Berg, wurde vor drei Jahrzehnten in ein Landhotel namens La Rectoral umgewandelt. Nicht ganz geschmackssicher, überladen hat es inzwischen reichlich Patina angesetzt. Aber es hat einen hervorragenden Ausblick auf die Landschaft und das Dorf. Seine Eröffnung vor dreißig Jahren, so der ewige Hotelchef Jesus Barrancchea, soll die Geburtsstunde des spanischen Landtourismus markieren. Den Versuch Urlauber ins strukturschwache Landesinnere Spaniens zu bringen.

Der etwa 20 km entfernte Ort Santa Eulalia de Oscos ist ein großes Schaufenster, um traditionelles Handwerk live zu sehen. Etwa im Atelier des Messermachers Jorge Román Toquero aus der Region und der Metallhandwerkerin Keiko Shimizu aus Japan. Das Paar lernte sich beim Messerschmiedekurs in Taramundi lieben. „Wir haben seit 2013 eine Werkstatt in Santa Eulalia de Oscos. Unsere handgefertigte Produkte aus der Schmiede verbinden die Techniken aus Ost und West“, sagt Keiko Shimizu und zeigt ihre schönen teuren Messer nach asturisch-japanischer Schmiedekunst hergestellt.

Auch Friedrich Bramsteidl „Fritz“ genannt, Nachfahre einer langen Tradition österreichischer Schmiede, hat sich 2006 hier niedergelassen. Er betreibt die „Schmiede“ im Ethnografischen Komplex im etwa 3 km von Santa Eulalia entfernt gelegenen Mazonovo – ein Schmiedehammer aus dem 17. Jahrhundert, der heute noch in Betrieb ist. Er erklärt die Funktion der hydraulischen Geräte der Anlage, die die Kraft der Flüsse nutzen, um Mechanismen in Gang zu setzen, die wiederum riesige und schwere Hämmer (teilweise über 500 kg) bewegen. Der Zweck besteht darin, die Knüppel (Eisenbarren) in Bleche umzuwandeln. Eine Umwandlung, die eine große Zeit- und Arbeitsersparnis bedeutete, bevor alle Arten von Utensilien manuell fertiggestellt wurden.

Mazonovo ist ein hervorragendes Beispiel für die Schmiedeindustrie Asturiens und Galiziens. Die Schmieden und Schlägel wurden fast überall aufgegeben und die Wissensvermittlung unterbrochen, immer weniger können eines der ältesten Gewerbe der Welt. Friedrich Bramsteidl kam eigentlich nach Mazonovo, um sich um die Wartung und Öffnung des Hydraulikhammers zu kümmern, er blieb und führt die Schmiedewerkstatt weiter. Dort schmiedet er heute dekorative Metalle bis hin zu alltäglichen Utensilien und zeigt Besuchern das alte Handwerk.

Ruhe, Abgeschiedenheit, kleine Kulturschätzen, unbekannte Landschaften, traditionelle Küche stehen in krassem Gegensatz zum boomenden Strand – und Sonnentourismus Spaniens. Zu den rummeligen, lauten und ausverkauften Regionen, wo Touristen bei Einheimischen häufig in Ungnade gefallen sind. Hier sind Besucher gerne gesehen, sie leisten einen Beitrag zur Schaffung von Arbeitsplätzen durch den Verkauf lokaler Produkte. Englisch, deutsch oder französisch spricht man allerdings nicht. Besucher brauchen gute spanisch Kenntnisse oder ein gutes Übersetzungsprogramm.

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