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Länderfinanzen Sachsen-AnhaltMission Gesundschrumpfung

Der Landeshaushalt 2014 wird unter Protest verabschiedet. Im Hochschul- und Kulturbereich bleibt es bei Kürzungen – trotz zusätzlicher Mittel aus der Fluthilfe.

Vom Hochwasser zerstörte Straße in Sachsen-Anhalt. 700 Millionen Euro aus der Fluthilfe gab's nun für die Landeskasse Bild: dpa

DRESDEN taz | Den Joker zog die Landesregierung von Sachsen-Anhalt erst in letzter Minute. In seiner Haushaltrede am Mittwochnachmittag hatte Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) noch mit keinem Wort erwähnt, dass das Hochwasser vom Juni 700 Millionen Euro Fluthilfe des Bundes in die knappe Landeskasse spült.

Sie kommen zum vorgesehenen Etat von 10 Milliarden Euro für das Jahr 2014 hinzu. Die CDU-SPD-Koalition im Landtag setzte dennoch die vorgesehenen Kürzungen im Sozialbereich, bei Hochschulen und vor allem in der Kultur durch.

Die Haushaltsaufstellung in Sachsen-Anhalt steht exemplarisch für Probleme, die auf alle ostdeutschen Länder zukommen. Das schrittweise Auslaufen des Solidarpakts bis 2019, Bevölkerungsverluste und die neue EU-Förderperiode lassen die öffentlichen Einnahmen schrumpfen.

Bullerjahn rechnet für 2020 mit 2 Milliarden Euro. Diese Verluste können besonders im wirtschaftlich schwachen Sachsen-Anhalt durch Steuereinnahmen nicht kompensiert werden, wie ein Gutachten im Auftrag der Landesregierung bestätigt.

Vor dieser Kulisse, unter der drückenden Zinslast für 21 Milliarden Euro Landesschulden und einem selbst auferlegten Neuverschuldungsverbot, versuchen Bullerjahn und die Landesregierung, das kleine 2-Millionen-Einwohner-Land auf einen strikten Sparkurs einzuschwören.

Massenproteste wegen Kürzungen

Das Jahr 2013 zeigte, zu welchen Spannungen diese fiskalischen Zwänge führen. Geplante Kürzungen bei den Hochschulen um 50 Millionen Euro lösten im Frühjahr Massenproteste aus. Im Dialog zwischen Rektoren und Regierung sind diese Kürzungen inzwischen gemildert worden.

Das gilt auch für die Jugendpauschale oder das Blindengeld. Angesichts des drohenden Mangels sollen nun 120 Lehrer mehr eingestellt werden. „Das hilft uns auch nicht viel“, kommentiert Linken-Haushaltsexpertin Angelika Klein.

Schwerfällig seien die Haushaltberatungen, sagt Klein, trotz der Brisanz der Lage. Sehr lebendig trat hingegen in der abschließenden Plenarsitzung eine Volksinitiative auf, die im Herbst 45.000 Unterschriften gegen den vorgesehenen Kulturabbau gesammelt hatte.

Kultusminister Stefan Dorgerloh (SPD) erklärte hingegen, dass insbesondere die teuren Kultureinrichtungen von den Schrumpfungsprozessen im Land nicht ausgenommen werden könnten. Die traditionsreichen Theater und Orchester in Halle und Dessau verlieren zusammen 6 Millionen Euro Landeszuschuss und müssen Sparten schließen. „Das Land will ein Exempel statuieren“, empört sich der Dessauer Intendant André Bücker. Ein gut gelaunter Finanzminister Bullerjahn will Sachsen-Anhalt dennoch 2020 „in der Spitzengruppe der Länder“ sehen.

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2 Kommentare

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  • Bei Bildung und Kultur sparen heißt die Barbarei fördern. Das Gegenteil von Bildung und Kultur heißt nun einmal Barbarei.

  • wenn man will, dass wieder Leute nach Sachsen- Anhalt und andere schrumpfende Regionen kommen, muss man investieren, also Geld ausgeben. sanierte Fassaden allein reichen nicht. Aber die etablierten Parteien haben das noch immer nicht verstanden. In S-A spart man auch für den weiteren absehbaren Bevölkerungsschwund- Stichwort "Rückbau der Strukturen" und schaffen damit schon die prophezeiten Tatsachen selbst. Jede Regierung die Vertrauen in die Zukunft hat und etwas für sie schaffen will, amputiert sich doch nicht selbst, sondern versucht alles gg den Bevölkerungsschwund zu machen. Nicht in S-A. Ideologisch und mittlerweile im GG, im Weg steht den Politikern ja auch die Schuldenbremse: Kommunen, wie überall in Dtl, sind chronologisch Pleite, Warum? Sie dürfen gar keine Schulden mehr machen, wärend die Länder immerhin noch 0,3% Schulden machen dürfen. Nur, um in langfristige Projekte zu investieren - Infrastruktur, Schulen,lokale Wirtschaftsprojekte etc. nahm man bisher Kredite (Schulden), so wie dass ja, nach wie vor auch jedes private Unternehmen kann und tut. Nun hat man nichts, nur Schulden und (wahrscheinlich nicht mehr lang) schöne Fassaden und Straßen (die auch unterhalten werden müssen), und kann auch nichts mehr investieren. Vor dem finalen Entwicklungssprung der Wirtschaft im Osten, Projekt Aufbau Ost abgebrochen, 20 Jahr öffentl. Gelder umsonst, ab jetzt wird nur noch zurückgebaut.