Länder-Ranking der Weltbank: Daten zu Chiles Wirtschaft manipuliert
Jahrelang hat die Weltbank Chile zu schlecht eingestuft. Sie wollte damit wohl einen Milliardär politisch unterstützen. Der ist jetzt Präsident.
Chile wurde über mehrere Jahre hinweg in einem Länder-Ranking für Unternehmerfreundlichkeit von der Weltbank zu schlecht eingestuft, berichtet das Wall Street Journal. Die in Washington angesiedelte Entwicklungsbank habe ihre Daten über Chiles Wirtschaft aus „politischen Motiven“ manipuliert, so der Weltbank-Chefökonom Paul Romer am Samstag.
Ziel sei es gewesen, die sozialistische Präsidentin Michelle Bachelet in ein schlechtes Licht zu rücken, um damit den Wahlsieg ihres konservativen Nachfolgers Sebastián Piñera zu unterstützen. Durch eine „irreführende und ungerechte“ Änderung der statistischen Methoden wurde bewusst ein düsteres Bild über die Leistungsstärke der chilenischen Wirtschaft gezeichnet, so Romer. Nicht die Maßnahmen der Regierung Bachelet hätten die schlechte Position im Ranking verschuldet.
Gegenwärtig liegt Chile in der Rangliste der Weltbank unter den 190 Ländern auf Platz 55. Beim Amtsantritt von Michelle Bachelet 2014 rangierte Chile auf Platz 34. Als Folge sanken die Investitionen während dem Jahr 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent und damit auf das Niveau von 2006. Schon während Bachelets erster Amtszeit war das Land in dem Ranking stetig gesunken, dagegen während Piñeras erster Amtsperiode (2010–2014) kontinuierlich gestiegen.
Der rechte Milliardär Sebastián Piñera hatte die Präsidentschaftswahl im vergangenen Dezember erneut gewonnen. Abermals machte er Chiles Wirtschaft zum zentralen Wahlkampfthema. Jetzt steht fest, dass er mit manipulierten Daten auf Stimmenfang gegangen war. Im Gegensatz zu den Aussagen der rechten Opposition hätten sich „die wirtschaftlichen Bedingungen Chiles während der Regierungszeit Bachelets nicht verschlechtert“, sagte Romer.
Kritik von Bachelet und Piñera
Die scheidende Präsidentin hielt sich dennoch mit einer Schelte gegen die rechte Nochopposition zurück und beschwerte sich allgemein über die Nachteile für Chile. „Angesicht der Schwere des Vorgangs haben wir bei der Weltbank eine umfassende Untersuchung beantragt. Die Ranglisten, die internationale Institutionen führen, müssen glaubwürdig sein, da sie Einfluss auf die Investitionen und die Entwicklung der Länder haben“, twitterte Bachelet. Ähnlich moderat gab sich Sebastián Piñera. Das Ganze sei „inakzeptabel“, aber man solle erst die Erklärungen abwarten und „die Wahrheit wissen, bevor wir übereilte Anschuldigungen machen“, so Piñera.
Eine neue Kalkulation könnte die Position Chiles in der Weltrangliste der Konkurrenzfähigkeit ändern, wovon auch andere Länder betroffen wären. „Ich möchte mich persönlich bei Chile für alle anderen Länder entschuldigen, in denen wir diese falschen Eindrücke übermittelt haben“, so Romer. Persönlich ist der 62-Jährige jedoch nicht für die Manipulation haftbar zu machen. Romer ist erst seit Ende 2016 Chefökonom bei der Weltbank.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter