piwik no script img

Labourchef Starmer in GroßbritannienJohnson muss sich rechtfertigen

Großbritannien hat die meisten Coronatoten in Europa. Nun muss Premier Johnson dem neuen Labour-Chef Starmer Rede und Antwort stehen.

Keir Starmer ist seit Anfang April Labourchef Foto: Toby Melville/reuters

London taz | „Wie in aller Welt kam es dazu?“, fragte Keir Starmer ruhig und gelassen Boris Johnson, in der allerersten Konfrontation der beiden, seitdem Starmer vor einem Monat Oppositionschef und Vorsitzender der Labourpartei wurde. Das Aufeinandertreffen wurde allein schon wegen dieser Premiere mit Spannung erwartet. Auch wenn diese teils virtuell stattfand – mit unter anderem Starmer und Johnson im Unterhaus, während sich andere Beteiligte zuschalteten.

Zugleich fiel der traditionelle Schlagabtausch in eine für Johnsons Regierung höchst schwierige Zeit: Am Vortag hatte Großbritannien die insgesamt meisten Coronatoten in Europa registriert, mehr als Italien oder Spanien – und weltweit die zweithöchste Zahl hinter den USA.

Nach Angaben der Statistikbehörde ONS sind bis zum 24. April allein in England und Wales fast 30.000 Menschen nach einer Ansteckung mit dem Coronavirus gestorben. Werden Schottland und Nordirland dazugezählt, sind es demnach mehr als 32.000 Tote. Das Gesundheitsministerium ging am Dienstag dagegen von landesweit 29.427 Todesfällen aus.

Zwar sind die Zahlen im direkten Ländervergleich mit Vorsicht zu genießen, denn die Staaten nutzen unterschiedliche Methoden zur Erhebung. Ein Schock ist der hohe Anstieg dennoch – zumal Premier Johnson vergangene Woche erklärt hatte, der Höhepunkt der Pandemie sei in Großbritannien überwunden. Die Reproduktionsrate, die angibt, wie viele Menschen ein Infizierter im Schnitt ansteckt, schwankte über die vergangenen Tage zwischen 0,6 und 0,9.

Die erste Konfrontation mit wenig Publikum im Unterhaus Foto: House of Commons/PA Wire/picture alliance

Doch das Vereinigte Königreich hatte erst spät mit Maßnahmen reagiert – Ausgangsbeschränkungen gab es erst ab 23. März. Zu spät, sagt die Opposition. KritikerInnen werfen der Regierung vor, so wertvolle Zeit im Kampf gegen das Virus verspielt zu haben.

In der Fragestunde verwies Johnson auf die gegenwärtige Arbeit der Regierung, mit der weitere Ausbrüche verhindert werden sollen – ohne explizit eine Schuld für den Anstieg der Todesfälle einzugestehen. Er führte ins Felde, dass es nach Experteneinschätzung zu früh sei, auf vergleichende Daten einzugehen.

„Die Zeit, um nachzusehen, was falsch lief, wird selbstverständlich kommen“, erklärte er, während sein Gesundheitsminister, Matt Hancock, seine Antworten angespannt verfolgte. Die hohen Todeszahlen in Pflegeheimen bedauere er sehr, sagte Johnson. Dort gäbe es nun eine „fühlbare Verbesserung“.

Starmer stritt dies jedoch ab, die Zahlen würden dort weiterhin steigen. „Das Vereinigte Königreich war zu langsam in der Einführung des Lockdowns, zu langsam mit den Tests, zu langsam in der Verfolgung und zu langsam in der Beschaffung von persönlicher Schutzausrüstung“, fasste der Labourchef zusammen. Starmer verwies auch darauf, dass Johnsons Regierung wochenlang täglich genau solche internationalen statistischen Vergleiche angewandt habe, die Johnson nun für verfrüht erkläre.

Infos über Lockerungen werden Sonntag verkündet

In weiteren Fragen sprach Starmer die Tests und die Verfügbarkeit von Schutzausrüstung an. 48 Prozent aller im Medizinwesen Arbeitenden müssten diese selber kaufen oder seien auf Spenden angewiesen, erklärte er.

Johnson gestand ein, dass die Probleme bei der Zulieferung von persönlicher Schutzausrüstung „wuterregend“ gewesen seien. Er verkündete noch, dass die Regierung zum Monatsende eine Testkapazität von 200.000 Tests pro Tag möglich machen wolle. Die ersten Vorkehrungen für ein Ende des Lockdowns werden laut Johnson am Sonntag verkündet.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Labour's new "brave" leader? yeah, right!



    Sheer Karma, as i call him.