Labile Dortmunder: Fataler Irrglauben
Die erneute Schwäche von Borussia Dortmund steht pars pro toto für einen strukturellen Malus in der Fußball-Bundesliga.
B orussia Dortmund ist der ewig unfertige Verein. Es schwingt zu Beginn jeder Bundesligasaison unglaublich viel Hoffnung aufs ganz große Ding mit. Mit Anlauf und ordentlich Schmackes rollen sie in Dortmund einen Findling bergauf und werden dann im Saisonverlauf – mal früher, mal später – zu Sisyphos, der vergeblich, aber beständig schuftet.
Verhaftet im magischen Denken glauben die Anhänger der Schwarz-Gelben vor jeder Spielzeit: Heuer wird es aber anders. Diesmal klappt der große Durchbruch, und wir werden vielleicht sogar Deutscher Fußballmeister.
Dieses nimmermüde, redliche Werkeln ist rührend, und um ein Haar wäre es ja auch vor einiger Zeit belohnt worden. Aber mittlerweile steht Borussia Dortmund wieder vor einer stinknormalen Saison, in welche die Wirklichkeit hereingebrochen ist wie die herbstliche Dunkelheit um fünfe. Gleich zweimal war Dortmund zuletzt krass unterlegen: Gegen die Bayern war ein mehr als deutlicher Klassenunterschied sichtbar.
Nur Keeper Kobel zeigt Klasse
Und auch gegen den VfB Stuttgart, den der BVB in der Vorsaison noch weggeblasen hätte, fraglos mit der Hilfe des unwiderstehlichen Jude Bellingham, rannte der BVB fast schon hilflos hinter den Führichs und Undavs her. Nur Keeper Kobel bewahrte die Dortmunder am Samstag vor einer größeren Blamage, die sich mit dem sehr schmeichelhaften 1:2 in Grenzen hielt.
Aber dieser Bellingham, jetzt in Diensten von Real Madrid, repräsentiert eben auch das Dilemma der Nicht-FC-Bayern-München-Vereine: Die Besten wandern ab, nach Spanien oder England, und hinterlassen eine leicht verunsicherte Mannschaft, die sich eben noch auf ihren (Ex)-Star verlassen konnte.
Die Arbeit im Vergeblichen hat etwas Ehrenhaftes, und so wird der BVB ebenso gemocht wie Union Berlin, aber dieses strukturelle Problem der prinzipiellen Chancenlosigkeit könnte irgendwann die Liga zerreißen. Es wäre an den Fans, nicht die schönen Seiten des Fatalismus zu preisen, sondern gegen die Zwei- bis Dreiklassengesellschaft im Oberhaus aufzubegehren.
In Dortmund, und auch anderswo, hofft man lieber auf das Wunder respektive die Ankunft des Messias. Die Religionswissenschaftler haben dafür einen komplizierten Begriff: Eschatologie. Und so bewegt sich das Wohl und Wehe der Dortmunder Befindlichkeit in den Sphären des Religiösen.
Solange die mehr oder weniger Deplorablen in ihrem Glaubenssystem gefangen sind, wird sich nicht viel ändern in Fußballdeutschland. Die Liga braucht, wenn man so will, ein säkulares Erwachen – und kein quasireligiöses Erdulden mehr.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen