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Kuss-Skandal im spanischen FußballFifa suspendiert Rubiales

Jennifer Hermoso droht eine Klage. 81 Spielerinnen boykottieren die Nationalelf, solange Rubiales im Amt ist. Dieser ist nun von der Fifa suspendiert worden.

„Wir halten zu Dir, Jenni“, verkünden die Spielerinnen des Frauenfußballvereins Pachuca im mexikanischen Ciudad Juarez vor Beginn eines Matches Foto: Christian Chavez/dpa

Madrid dpa | Im Kuss-Skandal hat der spanische Fußballverband RFEF Weltmeisterin Jennifer Hermoso der Lüge bezichtigt und ihr rechtliche Schritte angedroht. Der Verband bezeichnete in einer Erklärung aus der Nacht zum Samstag die Darstellung von Hermoso, der Kuss des umstrittenen Präsidenten Luis Rubiales auf ihren Mund bei der Siegerehrung in Sydney sei nicht in beiderseitigem Einvernehmen erfolgt, als Lüge.

Um dies zu untermauern, veröffentlichte der Verband vier Fotos, die belegen sollten, Hermoso habe Rubiales im Überschwang des Jubels hochgehoben, ihn an sich gezogen und dem Kuss zugestimmt. Rubiales selbst hatte sich bei einer Rede vor der außerordentlichen Generalversammlung des Verbandes am Freitag in Madrid als Opfer dargestellt und den von vielen geforderten Rücktritt verweigert.

Derweil hat der Weltverband Fifa sechs Tage nach dem Kuss-Skandal beim WM-Finale der Fußballerinnen weitere Konsequenzen gezogen und den spanischen Verbandschef Luis Rubiales suspendiert. Unterdessen eskaliert der Streit mit gegenseitigen Vorwürfen weiter und hat einen Aufstand der spanischen Fußballerinnen gegen Sexismus ausgelöst. Auch die spanische Regierung hat den Druck auf Rubiales erhöht und strebt eine rasche Ablösung des 46-Jährigen an.

Der RFEF reagierte mit der nächtlichen Erklärung auf Hermoso, die ihrerseits am Freitagabend in einer Mitteilung der Spielerinnengewerkschaft FutPro, die deutlicher kaum hätte sein können, Rubiales' Rücktrittsweigerung konterte: „Ich habe mich verletzlich und als Opfer einer impulsiven, sexistischen und unangebrachten Handlung gefühlt, der ich nicht zugestimmt habe. Einfach ausgedrückt, ich wurde nicht respektiert“, schrieb die 33-Jährige in einer auf den sozialen Netzwerken Instagram und X, früher Twitter, verbreiteten Erklärung.

Der RFEF betonte, die veröffentlichten Fotos würden die „Lügen“ entlarven, die „entweder im Namen oder von der Spielerin selbst“ verbreitet worden seien. Dagegen würden der Verband und Rubiales gerichtlich vorgehen.

Kurz zuvor hatten alle Spielerinnen des spanischen Teams verkündet, sie würden so lange nicht mehr antreten, wie Rubiales noch im Amt sei. „Es macht uns sehr traurig, dass ein derart inakzeptables Verhalten den größten sportlichen Erfolg des spanischen Frauenfußballs überlagert“, stand in der auf X veröffentlichten Erklärung der Spielerinnengewerkschaft Futpro, die von 81 Fußballspielerinnen unterzeichnet war. „Nach allem, was bei der Frauen-Weltmeisterschaft passiert ist, wollen wir klarstellen, dass alle unterzeichnenden Spielerinnen nicht in der Nationalelf antreten werden, wenn die aktuelle Führungsriege im Amt bleibt.“

Bisher als einziger männlicher Profi, erklärte sich Borja Iglesias, Stürmer bei Real Betis, solidarisch mit seinen Kolleginnen. Auf X schrieb er, er werde erst dann in die spanische Nationalmannschaft zurückkehren, wenn sich die Dinge geändert hätten. „Ich bin traurig und enttäuscht“, äußerte er und fügte hinzu, dass er das Gefühl habe, die Ereignisse vom Freitag hätten ihn „als Fußballspieler und Mensch nicht repräsentiert“.

Rubiales hatte Hermoso nach dem 1:0-Sieg im WM-Finale gegen England am vergangenen Sonntag in Sydney bei der Siegerehrung mit beiden Händen am Kopf gehalten und auf den Mund geküsst. Hermoso sagte wenig später in einem Video, sie habe das nicht toll gefunden. Daraufhin äußerten eine große Zahl von Politikerinnen und Politikern, andere Fußball-Funktionäre und Spielerinnen massive Kritik an Rubiales und forderten ihn zum Rücktritt auf.

US-Star Alex Morgan schrieb, sie sei angewidert. Die im Finale unterlegenen Engländerinnen solidarisierten sich ebenfalls mit Hermoso. „Missbrauch ist Missbrauch und wir haben alle die Wahrheit gesehen“, schrieben sie. „Das Verhalten derjenigen, die sich für unbesiegbar halten, darf nicht toleriert werden und Menschen sollten nicht überzeugt werden müssen, um gegen jede Form von Belästigung vorzugehen.“

Auch die spanische Regierung stellte sich gegen den 46-jährigen Rubiales. Sie werde alles tun, was „in ihrer Macht steht“, damit Rubiales sein Amt verliert, sagte Spaniens geschäftsführende Vize-Regierungschefin Teresa Ribera der Nachrichtenagentur Europa Press.

Sportminister Miquel Iceta sagte, die Regierung werde sich um eine rasche Entfernung von Rubiales aus dem Amt bemühen. „Soweit es von uns abhängt, sind es die letzten Stunden von Rubiales“, sagte er der Zeitung El País.

Die oberste spanische Sportbehörde CSD beantragte beim nationalen Sportgerichtshof Tad die Suspendierung von Rubiales. „Herr Rubiales hat in seiner Reaktion enttäuscht, er hat nicht getan, was er hätte tun sollen“, sagte CSD-Chef Víctor Francos im Hinblick auf die Rede des höchsten Funktionärs des spanischen Fußballs.

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14 Kommentare

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  • Inzwischen ist ein Großteil der AssistenztrainerInnen um den umgewollten Cheftrainer Jorge Vilda zurückgetreten sowie weitere:

    www.n-tv.de/sport/...ticle24352893.html



    Jorge Vilda

  • Eigentlich schiessen die spanischen 'Herren' jetzt ein Eigentor nach dem anderen. Dass sie es nicht bemerken, muss da schon zu denken geben. Besonders dabei die Rolle der FIFA, vielleicht versucht Infantino die Debatte um Emanzipation und Wucher im Weltfussball noch einmal verhindern zu können. Eigentlich ist das Ganze eine Lachnummer, insbesondere, wenn sich in Spanien keine Spielerinnen mehr finden, die für 'ihr' Land antreten wollen, solange der MeToo-Typ noch da ist.

  • Die Strategie des Verbandes, so aus dieser Nummer rauszukommen kann man nur als völlig realitätsfern und ausgesprochen dämlich bezeichnen.

    Jeder hat die Bilder gesehen und niemand glaubt, dass Rubiales, der ja angeblich so sehr in Euphorie war, Hermose vorher gefragt hat. Und all die Vorwürfe gegen den Verband kommen jetzt wieder für jeden sichtbar auf den Tisch und zeichnen ein klares Bild.

    Selbst mit einer aufrichtigen Bitte um Entschuldigung hätte die Sache einen schwierigen Anstrich. Ich bin mir trotzdem sicher, damit hätte man das Ruder noch herumreißen können. Eine unpassende Reaktion in einem überschwänglichen Moment hätte man ihm dann wahrscheinlich noch durchgehen lassen.







    Aber so wenig reflektiert wie dieser Umgang ist, kann man die Stunden zählen, bis Rubiales und seine Unterstützer weg vom Fenster sind. Und zwar völlig zurecht.

  • Meldung von 15h:



    "Der Fußball-Weltverband hat Luis Rubiales für 90 Tage von allen Aktivitäten ausgeschlossen. Gegen den Spanier läuft wegen des Kuss-Eklats ein Disziplinarverfahren."



    Denke, das wars dann für Rubiales - und hoffentlich auch für die ganze Verbandsspitze ...

  • In welchem Jahrhundert leben diese Verbandsfunktionäre? Es ist unglaublich, solche Entwicklungen in Europa des 21.Jahrhunderts mit ansehen zu müssen. Wo bleibt die FIFA? Der DFB? Gibt es von denen wenigstens Massnahmen gegen diese Ungeheuerlichkeiten?

  • Spannend, dass gleichzeitig in Deutschland über den Vorstoß von Justizminister Buschmann diskutiert wird, dass insbesondere Väter mehr Einfluss auf die Entwicklung ihrer Kinder haben sollten und dafür auch noch Geld ihren Exfrauen vorenthalten dürfen.



    Das Patriarchat in all seinen furchtbaren Auswirkungen gehört endlich gestoppt! Ich warte hier auf eine Erklärung des spanischen Regierungschefs, dass er seine Vize unterstütze und sich weiter nicht dazu äußere, weil er die Situation nicht in der gleichen Weise verstehen könne wie sie.



    Und natürlich müssen neben Rubiales auch alle anderen, die jetzt kneifen, sofort gehen. Für diesen Verband anzutreten, ist derzeit der Gipfel der Niedertracht.

    • @Zangler:

      "... dass insbesondere Väter mehr Einfluss auf die Entwicklung ihrer Kinder haben" ... um dabei ihrer Verantwortung im Interesse der Kinder gerecht werden zu können. Ja, selbstverständlich! Was hat das mit dem irren Verhalten von Rubiales zu tun? Sie verknüpfen da 2 Sachen per sexistischer Pauschalverurteilung, die per se nichts miteinander zu tun haben.

  • Die angeblichen Beweisfotos gibt es hier

    rfef.es/es/noticia...n-respuesta-futpro

    (m.E. zeigen die, dass Rubiales Hermoso auch noch angesprungen hat, von wegen "hochgehoben")

    Das sind mafiöse Strukturen, die traditionell nicht ohne Grund auf eine Macho-Justiz vertrauen zu können glauben.

    Der Kuss selbst erinnert am ehesten an die "I know it was you, Fredo!"-Szene in 'Der Pate' (Al Pacino als der neue Don Corleone)



    m.youtube.com/watch?v=DjUOBVAbGhQ



    [0:33]

    Ursprünglich und eigentlich eine mehr oder weniger kurze, zärtliche, gelegentlich auch erotische Verbindung, in beiden Fällen zur puren Machtdemonstration pervertiert.

    Genau das, was mit Sexualisierte Gewalt gemeint ist.

  • Ich kann schon verstehen, dass mit Ausnahme von ein paar halbwarmen Solidaritätsbekundungen keine handfesten Konsequenzen von Fußballern gezogen werden. Schaut man sich die entsetzlich absurden Summen an, mit denen im Männerfußball jongliert wird, und stellt man denen die Erlöse des Frauenfußballs gegenüber, dann ist es mindestens ebenso entsetzlich naiv, zu fordern, dass jemand seine Karriere in einer solchen Causa auf's Spiel setzt. Anderes Beispiel: Solidarität mit homosexuellen Fußballern. Da droht auch kein Topverdiener mit Boykott, wenn sich nicht schleunigst etwas an der Homophobie auf den Rängen und in den Verbandsspitzen ändert, am allerwenigsten diejenigen Spieler, die ein Geheimnis um ihre eigene Homosexualität machen...

  • Nachdem der spanische Fußballverband Rubiales so deutlich unterstützt hat und so drastisch gegen Hermoso versucht vorzugehen, ist eigentlich der Rücktritt der kompletten Vorstandsriege des Verbands fällig!

  • Eine bodenlose Frechheit des Verbands, nicht nur Rubiales im Amt zu lassen sondern sogar jetzt auf die Spielerin Hermoso loszugehen. Sofortiger Boykott aller Spiele der Nationalteams ist eigentlich die einzige logische Konsequenz. Leider trägt die Solidarität der SpielerInnen (offenbar vor allem der männlichen) nicht so weit.

    • @Bambus05:

      Sicherlich hat doch Frau Hermoso Anzeige erstattet, oder sollte ich das verpasst haben?

    • @Bambus05:

      15 Spielerinnen haben bereits am 23. in einer gleichlautenden Email dem Verband mitgeteilt, unter den gegenwärtigen Umständen nicht berufen werden zu wollen.