Kurzstreckenflüge bei EM: Von Düsseldorf nach Paderborn
Die diesjährige Fußball-EM gibt sich nachhaltiger als vorherige Meisterschaften. Doch das leben längst nicht alle Teams.
Neuestes Beispiel ist eine Reise des französischen Teams. Nach dem Sieg über die Belgier im EM-Achtelfinale kehrten les bleus in ihr Quartier in Paderborn zurück – mit dem Flugzeug, obwohl das Match am Montag in Düsseldorf (!) stattfand. Paderborn liegt im Osten Nordrhein-Westfalens, Düsseldorf im Westen, aber … fliegen? Mon dieu!
Der Flieger war gechartert, laut Flugaufzeichnung brauchte er für etwa 145 Kilometer zwischen den beiden Flughäfen rund eine halbe Stunde. Dann standen weitere 30 Minuten Busfahrt vom Flughafen ins Mannschaftsquartier an. Rund zwei Stunden hätte es gedauert, die Strecke vom Stadion bis zum Teamquartier mit dem Bus zurückzulegen.
Ebenso großes Aufsehen hat ein Flug der türkischen Nationalmannschaft erregt. Das in der niedersächsischen Stadt Barsinghausen untergebrachte Team flog vom nahegelegenen Flughafen in Hannover nach Hamburg – eine Strecke von etwa 150 Kilometern. Für den Kurzstreckenflug, der nur 25 Minuten dauerte, hagelte es Kritik von Umweltschützer:innen. Vorher hatte der türkische Fußballverband mitgeteilt, dass gerade die günstige Lage des Trainingscamps zwischen den Vorrunden-Spielorten Hamburg und Dortmund die Anfahrt mit dem Auto ermögliche.
Der Schaden in Zahlen
Fliegen, vor allem auf Kurzstrecken, verursacht deutlich mehr CO2-Emissionen als Reisen mit Bus oder Bahn. Selbst wenn man für einen Flug von Hannover nach Hamburg mit der direkten Luftlinie rechnet, ergibt sich one-way ein Ausstoß von rund 31,6 Kilogramm Kohlendioxid. Wäre ein Reisebus auf dem bestehenden Straßennetz gefahren, wären rund 4,8 Kilogramm CO2 entstanden. Die direkte Zugfahrt hätte etwa 4 Kilogramm Kohlenstoffdioxid verursacht.
Eine Studie der Umweltorganisation Transport & Environment (T & E) ergab: Alle an der EM teilnehmenden Teams könnten ihre CO2-Emissionen um fast 60 Prozent reduzieren, wenn sie Flüge vermeiden. „Allerdings haben sich die Teams noch nicht alle dazu bekannt, dass sie ihre Transportemissionen senken wollen“, sagte Erin Vera, verantwortlich für die von T & E lancierte Kampagne „Travel Smart“.
So wie die spanische Auswahl, die konsequent zu all ihren Gruppenspielen flog. Zum Beispiel von Stuttgart nach Düsseldorf, dabei verbindet die beiden Städte ein direkter ICE, der rund 2:20 Stunden unterwegs ist. Die Teams aus Deutschland und der Schweiz hingegen haben sich vorgenommen, nachhaltiger zu reisen. Doch auch sie ließen sich zu Charterflügen hinreißen, die DFB-Elf von Nürnberg nach Dortmund und die Schweizer von Stuttgart nach Köln.
Extra für die Teams gebuchte Maschinen verursachen dabei besonders viele Emissionen, wie eine Spiegel-Recherche zeigte: Sie fliegen zusätzliche Strecken, meist leer, um die Spieler außerhalb normaler Flugpläne an Bord nehmen zu können. Die Verbände rechtfertigen sich: Der Sport stehe im Vordergrund, manchmal sei der Spielplan zu eng getaktet, die Bahnreisen zu weit, die Beine der Spieler zu schwer, wenn ihnen Busreisen zugemutet werden.
Die Euro 2024 GmbH, die das Turnier organisiert, weist darauf hin, dass noch 2016 bei der EM drei Viertel aller Reisen mit dem Flugzeug absolviert wurden. Laut Deutschlandfunk ist es bei dieser Meisterschaft bisher jede vierte Strecke. Meist fahren die Spieler im Reisebus, die Bahn nehmen nur die wenigsten. Flüge werden also seltener – das ist eine gute Sache.
Doch die unnötigen Starts für kurze Strecken, die fast genauso schnell mit Bus oder Bahn geklappt hätten, zeigen: Klimafreundliches Reisen ist noch längst nicht fest im Profifußball verankert. Die Studie von T & E erinnert zu Recht daran, dass die Teams eine Vorbildfunktion haben. Genauso übrigens wie deutsche Regierungsmitglieder, die Furore mit Kurzstreckenflügen zu oder nach EM-Spielen machten. Wenn sie bei einem so öffentlichkeitswirksamen Turnier CO2-sparsam unterwegs sind, setzen sie ein großes Zeichen.
Und: Sie können andere Probleme umgehen. Als die englischen Spieler ins Flugzeug Richtung EM stiegen, landeten einige ihrer Gepäckstücke auf dem Rollfeld, und Kleidung wurde überfahren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld