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Kurzfilme über JerusalemRundumblick am Checkpoint

Der Regisseur Dani Levy hat vier Virtual-Reality-Kurzfilme über Jerusalem gedreht. Sie sind in einer Berliner Ausstellung zu sehen.

Ein etwas anderes Filmerlebnis: der 360-Grad-Blick mit der Virtual-Reality-Brille Foto: dpa

Regelmäßige Ausschreitungen, konstante Provokationen und ein Friedensprozess, der mehr illusorisch ist als real – gefühlt ist das der Alltag in Jerusalem, der Stadt, die sowohl jüdische Menschen als auch Palästinenser*innen ihre Hauptstadt nennen.

Auf dem Zionsplatz in Downtown Jerusalem fragt ein Stand-up-Comedian in die Menge: „Glaubt ihr an Palästina?“ Viele der Zu­schaue­r*innen verneinen. Jubel dagegen bei den Fragen: „Wer liebt Israel? Glaubt ihr an Israel?“ Politische Comedy gehört zwar seit jeher zur jüdischen Kultur. Doch sobald regierungskritische Töne geäußert werden, ist nicht mehr allen zum Lachen zu Mute.

Info

Glaube – Liebe – Hoffnung – Angst bis zum 17. Juni im Jüdischen Museum, 12–18 Uhr. Die Filme sind auch in den Arte- und ZDF VR-Apps zu sehen

Als Beobachter*in dieser Szenerie von Dani Levys VR-Kurzfilm „Glaube“ ist man selbst Teil des Geschehens, wird sogar angesprochen und in die Szene eingebunden. Gleichzeitig können die Reaktionen der Pas­sant*innen studiert werden, die fast spannender sind, als der Straßenkünstler selbst. Denn die Episode ist inszeniert, ein Großteil der Zuschauer*innen weiß nicht, dass gefilmt wird. Nur vier von ihnen sind Schau­spie­ler*innen.

Im Jüdischen Museum machen es Virtual-Reality-Brillen und Drehstühle möglich, in die Szenerie einzutauchen, als sei man dabei. Man kann sich einmal um sich selbst drehen – die Augen sehen alles rundherum, auch das geschäftige Treiben auf den Straßen. Es ist eine schwindelerregende Angelegenheit: Nach einer Weile verliert man das Raumgefühl, und es wird anstrengend, seinen Kopf ständig hin und her zu bewegen. Manchmal stellt sich leichter Schwindel ein, besonders dann, wenn sich der Kameramann bewegt.

Mitten drin im Geschehen

Auch das Bild ist nicht dauerhaft scharf, die Technik „ist noch in den Kinderschuhen“, sagt Regisseur Levy. Kameramann Filip Zumbrunn musste für die 360-Grad-Sicht erfinderisch werden: Auf seinem Kopf trug er auf einem Reithelm und einer Kuchenform befestigt die Kamera. Um auf Augenhöhe mit den Darsteller*innen zu bleiben, lief er während des Filmens meist in der Hocke herum. Aufgenommen wurde in einem Take, ohne Schnitt.

Am heimischen Laptop kann das 360-Grad-Feeling durch die die Bewegung der Pfeiltasten oder der Maus nachempfunden werden. Auch wenn man so nicht richtig mitten im Geschehen drin ist wie mit VR-Brille, so ist es das angenehmere Seh­er­leb­nis. Im Kurzfilm „Liebe“ steht man auf einmal in einem vollen Linienbus, ist unterwegs vom Westjordanland nach Ostjerusalem. An einem Checkpoint kommt der Bus zum stehen, zwei Grenzbeamte, schwer bewaffnet, steigen ein. Die Passagiere wirken wenig beeindruckt.

Die Ausstellung

Glaube – Liebe – Hoffnung – Angst bis zum 17. Juni im Jüdischen Museum, 12–18 Uhr. Die Filme sind auch in den Arte- und ZDF VR-Apps zu sehen.

Bis auf zwei palästinensische Frauen, denn eine der beiden hat einen abgelaufenen Pass dabei. Auch das ist ein Bild, das Levys Filme hinterlassen: ein Jerusalem, in dem eine abstrus erscheinende Normalität herrscht. Die Frau wird von einem der Beamten aufgefordert auszusteigen. Als Beobachter*in setzt man sich mit in Bewegung und folgt ihnen in eine Art Zelt an der Grenzmauer und kann sich auch die Umgebung genau anschauen.

Der Comedian auf dem Zions­platz hält die Mauer für illegal. „Diese Mauer beschützt uns!“, „Nur so haben wir Frieden“, sind erzürnte Reaktionen aus dem Publikum. Der Spaß ist vorbei. „Du kommst mit uns mit“, spricht einer der wütenden Männer den*die Zuschauer*in direkt an, als der Comedian in die Ecke einer Straße gedrängt wird, „dann siehst du das echte Israel.“ Es ist ein mulmiges Gefühl, mittendrin zu sein, aber nichts sagen oder tun zu können. Teilweise kommen einem die Schauspieler*innen virtuell unangenehm nah.

Einblick in eine abstruse Realität

Der jahrzehntealte Konflikt in und um Jerusalem wird in jeder der vier Kurzfilme von Levy, die der Regisseur begleitend zur „Welcome to Jerusalem“-Ausstellung im Jüdischen Museum drehte, durch alltägliche Situa­tio­nen greifbar. Die Mauer, die die Stadt teilt, ist nicht nur zu sehen, sondern auch zu spüren. In all der Ernsthaftigkeit, die in den Szenen mitschwingt, findet sich aber auch immer etwas Witziges, Skurriles.

Am Ende jeder Episode macht sich Enttäuschung darüber breit, dass die Geschichte nicht weitererzählt wird. Gleichzeitig steht die 360-­Grad-Erfahrung im Vordergrund, bestimmte Episoden sind eher durch die Virtual-­Rea­li­ty-­Perspektive spannend als durch den Plot selbst. Manche der Filme hätten diese Tech­nik­spielerei nicht gebraucht.

„Glaube“, „Hoffnung“, „Liebe“ und „Angst“ sind sicherlich nicht umsonst die Titel der Filme geworden. Trotz ihrer Fiktion spiegeln sie doch auch die Realität der Stadt wieder. In sie können Zuschauer*innen durch den 360-Grad-Blick zumindest temporär eintauchen.

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