Kurz verschärft Maßnahmen: Österreich maskiert sich
Vorerst nur beim Einkauf: Mundschutzmasken sollen ab Mittwoch vor Supermärkten verteilt werden. Totale Ausgangssperre kommt erst mal nicht.
Lange Zeit wurde erklärt, Atemschutzmasken seien als Virenschutz wirkungslos. Dieses Urteil wird für die gängigen Modelle auch nicht zurückgenommen. Sie helfen aber, die Verbreitung von Viren zu verhindern, wenn man selber infiziert ist, so Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Es gehe darum, die Mitmenschen zu schützen: „Bitte so solidarisch zu sein.“ Bodenmarkierungen sollen im Übrigen für angemessenen Abstand an den Kassen sorgen. Der Mundschutz mit einer Wirksamkeit von gerade vier Stunden solle möglichst auch außerhalb von Geschäften getragen werden, wenn es zu Kontakt mit Menschen kommen kann.
Österreich folgt damit zumindest teilweise der Empfehlung einer Gruppe von Wissenschaftlern, angeführt von dem Quantenphysiker Hanns-Christoph Nägerl von der Uni Innsbruck, die in einem Offenen Brief an Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (ÖVP) neben der Maskenpflicht eine totale Ausgangssperre forderten. Sie widersprechen damit Wirtschaftstreibenden, die wegen bevorstehender Massenarbeitslosigkeit und Firmenbankrotte größeres menschliches Leid fürchten und auf eine Lockerung der Maßnahmen drängen. Nägerl: „Lieber ein kurzer und schmerzhafter Shutdown als eine ewige Litanei, die uns wirtschaftlich und menschlich viel teurer kommen wird.“
Österreich hat relativ früh mit strengen Einschränkungen des öffentlichen Lebens auf die exponentielle Ausbreitung des Virus reagiert. In den letzten Tagen hat sich auch der tägliche Anstieg von Neuinfektionen verlangsamt. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne): „Wir merken, dass die Maßnahmen zu wirken beginnen. Das macht Mut für das konsequente Fortsetzen.“
Noch milde Zahlen
Vom Ziel sei man aber noch weit entfernt. Bis Montagmorgen waren in Österreich 9.131 Infizierte und 108 Todesfälle registriert. 193 lägen auf Intensivstationen. Vor zwei Wochen hatte sich, so Anschober, die Zahl der Infizierten alle 2,5 Tage verdoppelt, jetzt nur mehr alle 5,9 Tage: „Wir müssen aber auf 14 Tage kommen.“ Andernfalls würde die Kapazität der Krankenhäuser für die Versorgung von schwer Erkrankten nicht ausreichen.
Kanzler Kurz, der fast entschuldigend einräumte, „dass Masken für unsere Kultur etwas Fremdes sind“, schloss mit einer Botschaft, die nicht beruhigen kann. In Österreich herrsche noch „die Ruhe vor dem Sturm“. Auch hier liegt die Drohkulisse nicht allzu fern: Wie „grausam dieser Sturm sein kann, sieht man, wenn man in unser Nachbarland Italien schaut“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben