Kuratorin über Inszenierungen im Fußball: „Wer will, kann sich schminken“
Breitbeinig? Geschminkt? Es ist immer unser Blick, der das Sexuelle in solche Gesten deutet, sagt die Kuratorin und Publizistin Nadine Barth.
taz: Frau Barth, im Zuge der WM wird viel über weibliche Inszenierungen gesprochen. Wie wichtig sind Inszenierungen aus der Sicht einer Frau, die wie Sie damit spielt?
Nadine Barth: Ich beobachte das ja hauptsächlich in der Fotografie. Hier geht es um die Frage, wie Fotografinnen und Fotografen Frauen in Szene setzen. Das ist zunächst eine Fremdinszenierung und keine Eigeninszenierung der Frau. Ich unterscheide auch ungern zwischen weiblichem und männlichem Blick. In der Modefotografie gibt es globale ästhetische Regeln, die sich am Zeitgeist orientieren. Und die sind wichtiger.
Auf dem Fußballfeld werden die Frauen aber nicht in Szene gesetzt, dort machen sie alles selbst.
Es gibt typische Gesten, die auf bestimmte Geschlechterrollen hinweisen. Interessant ist die Veränderung in dieser Diskussion, die gerade stattfindet: von „typisch weiblichen“ Gesten hin zu „harten männlichen“.
Sie meinen, das Rutschen auf den Knien beim Torjubel?
Zum Beispiel. Oder wenn sich eine den Ball zurechtlegt und breitbeinig dasteht. Das ist männlich konnotiert. Aber ich muss lachen, wenn ich so etwas lese.
Nadine Barth, 46, Publizistin und Kuratorin, inszenierte die Fotoausstellungen "Traumfrauen" und "Traummänner" in Hamburg. Gerade ist von ihr erschienen: "German Fashion Design 1946-2012" (Distanz Verlag).
Warum?
Weil ich nicht weiß, ob das typisch männliche Gesten sind.
Eher typisch sportliche?
Ja. Solche Gesten gehören nun mal zum Fußball. Aber wir sehen darin vermeintlich Männliches, weil wir Männerfußball gewohnt sind. Wie jemand steht, läuft, springt, ist für mich ein Ausdruck der Persönlichkeit und nicht der Darstellung.
Ist Lippenstift auf dem Platz eine sexuelle Inszenierung?
Warum sollen geschminkte Lippen eine Sexualisierung sein, eine behaarte Brust aber nicht? Es ist immer unser Blick, der das Sexuelle in solche Gesten hineindeutet.
Haben Sie dafür ein weiteres Beispiel?
Eine Frau lehnt an einer Wand und hält den Kopf gesenkt. Vielleicht fallen ihr noch Haare ins Gesicht, und sofort heißt es: Das ist erotisch. Wenn ein Mann so dastehen würde, dann steht er da bloß. Und ist vielleicht cool und hat Charakter.
Aber es sind doch Männer, die Frauen so an die Wand stellen.
Frauen können aber auch selbst entscheiden, welche Gesten sie wie einsetzen möchten.
Gibt es ästhetische Regeln, an die sich die Fußballerinnen halten sollten?
Nein. Die sollen einfach gut spielen. Jede Spielerin kann sich schminken, wenn sie das will. Wir haben gesehen, dass exzellente Kopfbälle auch mit langen Haaren gut funktionieren. Da wird anschließend der Pferdeschwanz einfach wieder zurechtgerückt.
Was heißt das für Frauenbilder?
Alles ist erlaubt.
Brauchen wir neue feministische Inszenierungen?
Nein. Jede soll machen können, was sie für richtig hält. Ich erinnere mich an die Diskussion noch vor ein paar Jahren, ob es dem Feminismus widerspricht, wenn eine Frau einen kurzen Rock trägt. Ich trage am liebsten Hosen und schmal geschnittene Anzüge. Das hat jedoch nichts mit Feminismus zu tun, sondern mit einer Präferenz für diesen Look.
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