Kunstschnee für Tourismus im Harz: Weiße Weihnacht auf Bestellung

Weil Weihnachten die Skisaison starten soll, bevorratet sich der Harz mit Kunstschnee. Für die Umwelt ist das eher weniger vergnüglich.

Schneekanone am Skihang.

Feuer frei für Jux und Dollerei: Schneekanone an einer Skipiste im Harz Foto: Swen Pförtner/dpa

Die Webcams der Wurmberg-Seilbahn im Harz zeigen eine braun-graue Herbstlandschaft. Über der sehr schneefreien Piste baumelt der Hexenlift, darunter eine Reihe von Schneekanonen. Weiße Weihnacht ist hier mehr als eine romantisch-kitschige Idee: denn dann soll auf dem 971 Meter hohen Wurmberg die Skisaison beginnen.

Damit in fünf Wochen dann auch wirklich (Kunst-)Schnee liegt, will man dieses Jahr Neues probieren und die weißen Flocken (die eigentlich eher Kügelchen sind) vorproduzieren. Damit sie bei den vorweihnachtlichen Plus­temperaturen nicht wegschmelzen, werden sie unter Planen, sogenanntem Beschnei-Vlies, gelagert, der dafür extra aus der Schweiz angeschafft wurde.

So weit zumindest der Plan. Denn Vlies hin oder her: Auch für guten Kunstschnee braucht es Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Wegen der hohen Luftfeuchtigkeit müsste es im Harz sogar noch etwas kälter sein als in den Alpen.

Im Harz trauert man immer noch der durch Corona verpatzten letzten Saison hinterher – die so schneereich war, „das wäre der Jahrhundertwinter gewesen“, sagt Fabian Brockschmidt, Geschäftsführer der Wurmberg-Seilbahn. Damit meint er nicht nur den Schnee, sondern auch die Finanzen. Tourismus ist im Harz der wichtigste Wirtschaftsfaktor. Beim regionalen Tourismusverband will man den Alpinski deshalb auch partout nicht aufgeben. „Bislang sind wir zuversichtlich, dass wir weiterhin Winter bekommen“, sagt eine Sprecherin. In Zukunft werde man eben ein bisschen nachhelfen müssen.

Aber zu welchem Preis? „Der ganze Wurmberg ist in der Krise“, sagt Friedhart Knolle vom BUND-Regionalverband Westharz. „Das geht nicht mehr lange gut.“ Die Schneedepots – so sie denn überhaupt angelegt werden können – seien dabei nur der Gipfel eines viel größeren Problems. „Es sind nicht nur die Pisten, sondern vor allem die Nebenanlagen, die noch viel mehr Natur zerstören“, sagt Knolle.

Zum einen ist da der hohe Wasserverbrauch der Schneekanonen. Bis zu vier Millionen Liter Wasser verschlingt Studien zufolge die Beschneiung eines Hektars Skipiste pro Saison. Um­welt­schüt­ze­r:in­nen kritisieren Niedrigwasserzustände in Gebirgsflüssen, die das Ökosystem bedrohen. „Die wasserwirtschaftlichen Probleme sind riesig“, sagt Knolle.

Den Klimawandel vergessen

Und obwohl die Temperaturen auch da schon stiegen, wurden 2013 noch 16,5 Hektar Wald für das neue Skigebiet am Wurmberg gerodet. Rund 12 Millionen Euro flossen in den Ausbau. Darunter auch 2 Millionen, die das Land Niedersachsen beisteuerte, ausgerechnet unter dem damaligen Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD), der heute Umweltminister ist. Man wollte der Hotellerie unter die Arme greifen, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. Dort rechnet man noch bis 2040 mit erfolgreicher künstlicher Beschneiung.

Umweltschutz und Wissenschaft schlugen angesichts dieser Pläne die Hände über dem Kopf zusammen. „Das Ganze ist extrem deprimierend“, sagte die Hydrologin Carmen de Jong schon 2012 in einem taz-Interview. „Damals hat man sich lustig gemacht über unsere Kritik“, sagt Knolle. „Leider haben wir aber recht gehabt.“ Bei der Planung habe man die Klimakrise schlicht ausgeblendet, sagt Knolle. Die Jahresmitteltemperatur auf dem Brocken, die 1848 noch bei 1,5 Grad lag, ist 2014 auf 4,0 Grad gestiegen.

Dabei ist Skifahren generell gar nicht das Problem – es kommt auf die Art an. „Langlauf ist das naturangepasste System des Wintersports“, sagt Knolle. Der Vorteil: Die Loipen, von denen es im Harz ein großes Netz von rund 500 Kilometern gibt, kann man gar nicht künstlich beschneien.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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