Kunsthochschule trennt sich von Dozenten: Kunst als Kampfplatz
Der jüdische Fotokünstler Adam Broomberg nennt Israel einen Apartheidsstaat. Die Hochschule für bildende Künste Hamburg beendet die Zusammenarbeit.
Broomberg selbst ist Jude und wuchs in Südafrika zur Zeit der Apartheid in einer Familie von Holocaust-Überlebenden auf. Jetzt ruft der Künstler zum Boykott der britischen Kunstsammelorganisation Zabludowicz Art Trust auf.
Seine Kritik: Laut einem Bericht der Nichtregierungsorganisationen „Spinwatch“ und „Middle East Monitor“ hat der Kunstsammler Verbindungen zum israelischen Staat und investiert Geld in die ideologische Gleichsetzung von Antisemitismus und Zionismuskritik. „Auf den Straßen Israels und in den Angriffen auf Gaza wird eine Form von Rechtsextremismus ausgetragen“, lautet Broombergs Urteil. Er habe vielen Künstler*innen und Galerien Informationen geschickt. „Jetzt können sie eine informierte Entscheidung darüber fällen, ob sie sich mitschuldig zeigen wollen.“ Der Vorfall zeigt, wie der Nahostkonflikt auch in Deutschland spaltet.
Der Boykott von Organisationen und Veranstaltungen, die in Verbindung mit dem israelischen Staat stehen, ist längst nicht mehr nur umstritten. 2019 verabschiedete der Deutsche Bundestag ein Gesetz, das die Kampagne BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) als antisemitisch einstuft. Die Kampagne ruft weltweit zur Isolation Israels auf.
Boykottaufruf gegen Kunstsammlung
Im Dezember 2020 veröffentlichten Kulturschaffende eine Petition gegen das Gesetz – Broomberg unterschrieb sie. Die Entscheidung, die Petition zu unterschreiben, sei keine einfache gewesen, sagt Broomberg im Gespräch mit der taz. Laut dem Fotografen folgt aus dem Gesetz, dass Kritik am Zionismus und Antisemitismus rechtlich gleich bewertet werden: „Das Gesetz untergräbt Jahrzehnte von Aktivismus, der um die Differenzierung zwischen Israelkritik und Antisemitismus bemüht ist. Warum müssen Palästinenser*innen für Deutschlands Schuldgefühl bezahlen?“ International ruft Broomberg Künstler*innen auf, ihre Werke aus dem Zabludowicz Art Trust zurückzuziehen.
Chaim „Poju“ Zabludowicz und seine Frau Anita Zabludowicz haben bis heute eine Kunstsammlung von 5.000 Werken angelegt. Sie stellen international aus. Laut den Berichten von Spinwatch und Middel East Monitor finanziert sich der Art Trust durch Waffengelder aus israelischen Industrien.
Poju Zabludowicz habe sein Vermögen durch den Waffenhandel seines Vaters erlangt. „Mittlerweile ist bekannt, dass die Zabludowicz-Familie eine zentrale Rolle für das Verhältnis zwischen Großbritannien und Israel einnimmt“, sagt Broomberg. „Sie unterstützen die Conservative Party und betreiben Lobbyismus im Auftrag Israels.“ Als Reaktion auf diese Vorwürfe initiierten Künstler*innen 2014 die Kampagne Boycott Divest Zabludowicz (BDZ). Weitere Hunderte Künstler*innen schlossen sich an.
Dem Kunstsammler wirft Broomberg explizit „Artwashing“ vor. Dabei gehe es um die Instrumentalisierung von Kunst und Kultur mit dem Ziel, ein positives Image Israels zu propagieren. Zabludowiczs Agenda sei von Anfang an klar gewesen, so Broomberg: Es sei nie um politische Kunst gegangen. „Vielmehr geht es um die Legitimierung rassistischer Staatspolitik“, sagt der 50-Jährige.
Der Kampf für jüdische Nationalität sei dabei in den Hintergrund gerückt. Artwashing durch den Zabludowicz Art Trust mache Kunst und Kultur zu Waffen. Broomberg habe am eigenen Leib erfahren, wie es sei, als Künstler instrumentalisiert zu werden: „2010 bot mir ein Zuschauer einer Pressekonferenz im Stedelijk Museum 100.000 Dollar dafür an, dass ich ein fotografisches Projekt meiner Wahl in Israel ausstellte. Ich lehnte ab. Sie wollten mich als Künstler kaufen, damit ich Werke über Israel anfertige.“ Laut Broomberg ist das ein Paradebeispiel für versuchtes Artwashing.
Schutz im Bunker
Broomberg wurde 1970 in Südafrika in eine jüdische Familie Holocaust-Überlebender geboren. Seit seinem 16. Lebensjahr engagiere er sich politisch gegen Apartheid, sagt er: „Der Aktivismus steckt in meiner DNA.“
Teile seiner Familie leben in Israel. Sein Neffe sei für einige Wochen von den „Special Forces“, einer Militäreinheit, eingezogen worden, als sich die Zustände am Gazastreifen zuspitzten. Seine Nichte müsse sich regelmäßig mit ihrem neugeborenen Kind im Luftschutzbunker unter ihrem Haus verstecken. Was sie aushalten müssten, sei für ihn nur schwer verkraftbar. „Und trotzdem ist es nicht vergleichbar mit dem Trauma, das Palästinenser*innen am Gazastreifen durchleben“, sagt der Fotograf. „Meine Familie leidet, und doch gibt es Menschen, die noch mehr leiden.“
Auf Anfrage der taz gibt die HFBK an, dass die Nicht-Verlängerung seines Vertrags in keinem Zusammenhang zu Broombergs Äußerungen stehe. Eine Sprecherin betont, dass es sich bei den Kommentaren um seine persönliche Meinung handele. Laut Broomberg habe die Hochschule ihm lediglich per Mail mitgeteilt, dass sie den Fotografie-Kurs in Zukunft thematisch neu aufstellen wolle. Seitdem habe er nichts mehr gehört.
Mit seinen Äußerungen betritt Broomberg einen Diskurs, der von Polarisierungen geprägt ist. Der Nahostkonflikt hat sich auch in Deutschland zu einem Lagerkampf entwickelt.
Der Frage, wie man die Kritik an der israelischen Regierung von Kritik an israelischen Bürger*innen trennen kann, weicht Broomberg aus. Sie sei irreführend und gefährlich. Ihm gehe es vor allem darum, Juden in Schutz zu nehmen, aber nicht pauschal alle Israelis freizusprechen. „Die Bürger*innen haben Bibi gewählt. Das kann ich nicht entschuldigen und deswegen kritisiere ich sie“, sagt er. „Jeder, der Netanjahu gewählt hat, unterstützt meiner Ansicht nach ein apartheidliches Staatssystem.“ Die Gleichsetzung von Antisemitismus und Israelkritik ist ihm zufolge schon an sich antisemitisch. Jüdische Werte stünden für Inklusivität, Toleranz und Frieden.
Broomberg weiß um die Kontroversität seiner Position: Einige Freunde hätten ihn dafür kritisiert, dass er einzelne Künstler*innen öffentlich an den Pranger stellt. Ihm zufolge zeigt sich ein neues Narrativ: Die Welt erlebe eine Art intersektionale Solidarität. Das beinhalte auch die Positionen der Palästinenser*innen. „Sie waren für lange Zeit von der Agenda verschwunden – aber jetzt sind sie sichtbarer denn je.“
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