Kunstfund in München: „Blamage für Bayern“
2012 sind beim Kunsthändlersohn Gurlitt 1.400 Bilder beschlagnahmt worden. Jetzt will Bayern aufklären. Die SPD droht mit einem Untersuchungsausschuss.
MÜNCHEN dpa | Bayern dringt auf eine Verständigung mit dem Kunsthändlersohn Cornelius Gurlitt über die bei ihm beschlagnahmten 1.400 Bilder. Der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) sagte der Süddeutschen Zeitung (Freitag), es sei im Interesse aller, „wenn es zu einer einvernehmlichen Lösung käme“. Es gehe „um die Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland für die Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus“.
Die Erforschung der Herkunft der Bilder müsse erfolgen, sagte der Minister. Geklärt werden müsse, welche Bilder Nazi-Raubkunst seien. Wenn Eigentümern von Bildern, die in der NS-Zeit enteignet wurden, jetzt Verjährung entgegengehalten werde, sei das schwer erträglich. „Wir schauen uns deshalb genau an, ob für den Fall der Enteignung von Kunstwerken durch das NS-Unrechtsregime jedenfalls für bösgläubige spätere Erwerber eine Berufung darauf ausgeschlossen werden sollte“, sagte Bausback.
Die bayerische SPD droht wegen der langen Geheimhaltung des spektakulären Schwabinger Kunstfunds mit einem Untersuchungsausschuss. Der Fall sei eine „Blamage für Bayern“, sagte die SPD-Abgeordnete Isabell Zacharias am Freitag in München. Die bayerische Staatsregierung habe dem Landtag bisher alle Informationen über den Umgang mit dem Kunstfund vorenthalten.
„Es ist ein Skandal, wie mit diesem Sensationsfund umgegangen wird“, sagte Zacharias. „Das riecht nach Untersuchungsausschuss.“ Zunächst soll bis Ende November die Staatsregierung Bericht im Landtag erstatten.
Brisanz des Fundes unterschätzt
In Gurlitts Münchner Wohnung waren im Februar 2012 rund 1.400 Bilder beschlagnahmt worden, darunter Werke von Dix, Chagall und Matisse. Rund 590 Bilder könnten NS-Raubgut sein. Diese sollen von kommender Woche an im Internet zu sehen sein, wie die Leiterin der Taskforce „Schwabinger Kunstfund“, Ingeborg Berggreen-Merkel, am Donnerstagabend in Berlin ankündigte. Eine erste Liste von 25 Bildern mit möglichem Nazi-Raubkunst-Hintergrund war Anfang der Woche auf www.lostart.de veröffentlicht worden.
Dass die bei Gurlitt bei Steuerermittlungen beschlagnahmten Bilder bisher unter Verschluss gehalten wurden, hatte internationale Kritik ausgelöst. Bausback sagte: „Es ist richtig, dass die politische Brisanz des Bilderfundes über eine lange Zeit nicht richtig erkannt wurde.“
Der 2012 zuständige bayerische Kunstminister Wolfgang Heubisch (FDP) sagte der Süddeutschen Zeitung, er habe seinerzeit von dem Fund „nicht den blassesten Schimmer gehabt“ und erst aus den Medien davon erfahren: „Ich hab' als erstes gedacht: Ist denn heute der 1. April?“ Für den Freistaat Bayern sei der Fall „eine Katastrophe“. Der Zeitung zufolge war die Bayerische Staatsgemäldesammlung von den Ermittlern über den Bilderfund informiert worden, hatte aber Heubisch nicht unterrichtet, weil bereits Berlin mit der Erforschung der Herkunft der Bilder beauftragt worden war.
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