Kunstauktion für ein neues Museum: Eine „originär öffentliche“ Aufgabe
Ein Museum soll an die Menschen erinnern, die vor den Nazis ins Ausland fliehen mussten. Kunsthändler Bernd Schultz verkauft dafür seine Sammlung.
Es ist eine ziemlich ansehnliche Kunstsammlung, die am 25. und 26. Oktober im Auktionshaus Villa Grisebach unter den Hammer kommt. Über 300 Handzeichnungen von Picasso bis Kokoschka werden versteigert. Mit mindestens 5 Millionen Euro Erlös wird gerechnet.
Bernd Schultz, der Gründer des Auktionshauses Grisebach, wird sich dafür von seiner privaten Sammlung trennen. Die Auktion wird unter dem Titel „Abschied und Neuanfang“ firmieren und es ist längst schon klar, was unter „Neuanfang“ zu verstehen ist: Der gesamte Erlös wird einer privaten Stiftung zu gute kommen, die sich dafür einsetzt, dass Berlin ein neues Museum bekommt, ein Exilmuseum.
Das große Thema Exil, in Deutschland besonders durch die Flucht und Vertreibung von Juden und Intellektuellen während der NS-Herrschaft geprägt, soll in der deutschen Hauptstadt endlich an einem zentralen Ort verhandelt werden. Bislang gibt es in Deutschland diverse Archive, die sich mit dieser Thematik beschäftigen, aber eben nichts, was der Bedeutung eines Museums gleichkäme. Diese Lücke in der Erinnerungskultur soll nun geschlossen werden.
Schirmherrin des Museums ist die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, die selbst Ende der Achtziger aus ihrer Heimat Rumänien unter dem Ceauşescu-Regime nach Deutschland fliehen musste. Müller war auch die Erste, die ein Museum zum Thema Exil öffentlich forderte.
Ziemlich konkrete Pläne
Als Gründungsdirektor fungiert Christoph Stölzl, der bereits das Deutsche Historische Museum mit aufgebaut hat. Auch sonst engagiert sich allerlei Prominenz für das Projekt. Springer-Chef Mathias Döpfner etwa sitzt mit im Beirat, André Schmitz, ehemaliger Staatssekretär für Kultur in Berlin, ist Vorstandsvorsitzender.
Die Stiftung Exilmuseum Berlin ist eine Initiative von Privatleuten, unter ihnen Bernd Schultz, Gründer des Auktionshauses Villa Grisebach. Am 25. und 26. Oktober wird er dort seine Kunstsammlung versteigern. Der geschätzte Erlös von rund 5 Millionen Euro soll komplett in die Realisierung des Stiftungsprojekts fließen.
Auf seinen Reisen in aller Welt sei er immer wieder auf die Schicksale von Exilanten gestoßen, sagte Bernd Schultz, das Thema habe ihn einfach nicht mehr losgelassen. Inzwischen ist er 77 Jahre alt, die Eröffnung eines Museums für Exil möchte er möglichst noch selbst erleben.
Die Pläne für das Exilmuseum sind derweil schon ziemlich konkret. Eine Zeit lang wurde diskutiert, es in den Räumen in Charlottenburg unterzubringen, in denen sich derzeit das Käthe-Kollwitz-Museum befindet. Diese Pläne sind inzwischen „ganz sicher“ vom Tisch, wie André Schmitz der taz bestätigt. Man konzentriere sich derzeit ganz auf das Gelände hinter dem Anhalter Bahnhof am Askanischen Platz in Kreuzberg. Dort befindet sich noch die unter Denkmalschutz stehende Ruine des Bahnhofsportals, die man eventuell mit in den Museumskomplex einbeziehen möchte.
Die Signale des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg seien bisher äußerst positiv, sagt Schmitz, sodass man schon im nächsten Jahr mit den Ausschreibungen für den Museumsbau beginnen möchte. Alles soll recht zügig vorankommen. Möglichst schon 2023 oder 2024 wolle man eröffnen, so Schmitz.
Kein einfacher Stoff für eine Präsentation
Derweil kümmert sich die Stiftung Exilmuseum Berlin bereits um die Inhalte des Museums. Unter Leitung der Kuratorin Cornelia Vossen werden Konzepte erarbeitet und bereits einzelne Biografien Exilierter aufgearbeitet. Auf der Homepage der Stiftung ergeht der Aufruf, sich bei dieser zu melden, wenn man selbst eine Exilgeschichte zu erzählen habe.
Vossen hatte bereits vor zwei Jahren eine Ausstellung über Harry Graf Kessler für die Stiftung Brandenburger Tor realisiert. Kessler ist berühmt für seine Tagebücher – kein einfacher Stoff für eine Präsentation im Museum. Diese wurden jedoch in multimedialer Form aufbereitet und mit Film- und Fotoaufnahmen historisch kontextualisiert, was ziemlich gut gelungen war. Nach diesem Vorbild, erklärt Schmitz, werde man sich auch bei der inhaltlichen Konzeption des Exilmuseums ausrichten.
Schwerpunkt, so sagt er weiter, werden die Einzelschicksale der Exilierten während der NS-Zeit sein. Doch die Erfahrungen von Flucht und Vertreibung sind ja nicht nur historisch zu betrachten, sondern brennend aktuell. In diversen Sonderausstellungen soll das Thema deswegen möglichst breit verhandelt werden und „eine Brücke ins Heute“ geschlagen werden, so Schmitz. Die genaue Konzeption freilich, sei „noch offen“.
Bislang ist die Entstehung eines Exilmuseums allein die Vision engagierter Privatleute. Doch gegen eine öffentliche Förderung, auch seitens der Kulturministerin Monika Grütters würde er sich nicht wehren, sagt Schmitz. Schließlich sei „ein Exilmuseum in Berlin doch originär eine öffentliche Aufgabe“.
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