Kunstagentin Galka Scheyer: Verkaufsreisen und Emigration
Eine Schau in Braunschweig erzählt, wie die Kunstagentin Galka Scheyer in den 1920ern die „Blaue Vier“ nach Kalifornien brachte.
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Frau, deutsche Jüdin in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Provinz: diese drei Kriterien scheinen verlässliche Garanten für das vollständige Vergessen einer Persönlichkeit zu sein. So geschehen bei der Künstlerin, Kunstagentin und internationalen Netzwerkerin Galka Scheyer, 1889 in Braunschweig geboren, 1945 in ihrer Exilheimat Hollywood verstorben. Wer war diese Frau, der es gelang, europäische Kunst in den USA publik zu machen? In ihrer Geburtsstadt macht sich derzeit, oder besser: endlich, eine Ausstellung im Städtischen Museum Braunschweig auf Spurensuche.
Die Biografie der als Emilie Esther Geborenen, gerufen Emmy, erzählt sich ähnlich der vieler bürgerlich assimilierter Jüdinnen und Juden in Deutschland nach 1900. Ohne materielle Nöte aufwachsend – der Vater war erfolgreicher Konservenfabrikant –, gehörten Musik-, Malerei- wie Fremdsprachenunterricht zum Bildungspensum. Selbst zunächst als Künstlerin tätig, malte sie impressionistisch, pointilistisch bis expressiv angehauchte Landschaften, Stillleben und Porträts. Anlässlich einer Braunschweiger Ausstellung 1919 würdigte die lokale Kritik den „Farbenrausch“ ihrer Malerei.
Die Zäsur kam 1916, als Schreyer dem 25 Jahre älteren russischen Maler Alexej von Jawlensky begegnete. In seinem Werk erkannte Scheyer eine geistige Fundierung und transzendente Qualität – und gestand sich ihre eigenen künstlerischen Grenzen ein. Fortan war sie Jawlenskys Agentin. Er gab ihr den Namen Galka, zu Deutsch: Dohle, wegen ihrer resoluten Art, 1917 porträtierte er sie auf kräftige Farbstriche reduziert. Ab 1920 organisierte Scheyer eine fünfjährige Ausstellungstournee seiner Werke durch 20 deutsche Städte. Sie vertiefte ihre Kontakte zu Paul Klee, Wassily Kandinsky und Lyonel Feininger, erweiterte die Riege von ihr vertretenen Künstlern.
Als gemeinsames Label wurde „Die Blaue Vier“ ins Leben gerufen, durchaus als Anspielung auf den Münchener Vorkriegs-Zusammenschluss „Blauer Reiter“, dem sich Kandinsky, Klee und Jawlensky verbunden fühlten. Vertraglich geregelt, brach Scheyer 1924 erstmals auf Ausstellungs- und Verkaufsreise der nun „The Blue Four“ Titulierten in die USA auf, Werbematerial und Briefpapier zierten das Logo aus vier mittelblauen Streifen.
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Die Muse: in New York zu altbacken
New York erwies sich als schwieriges Pflaster für europäische Kunst, vielleicht auch, weil Scheyer sich als „Muse“ ihrer Künstler dort viel zu altbacken einführte. 1925 zog sie weiter nach Kalifornien, erhoffte sich eine kunstaffine und finanziell liquide Klientel aus der Filmbranche. Ein manischer Sammler wie der Regisseur Josef von Sternberg kaufte dann zwar bei ihr, aber das reichte nicht. Scheyer musste erst einmal den Einfluss der Frauen in den USA auf den Kunstmarkt entdecken. Denn sie waren es, die auch bei bescheidenen Mitteln selber sammelten oder über familiäre wie institutionelle Kunstkäufe entschieden.
Als Scheyer 1933 endgültig nach Los Angeles emigrierte, blieben bald die Zuschüsse aus Deutschland aus. Das NS-Regime hatte mit der Enteignung des Familienbesitzes begonnen. Auch konnte sie ihre „4 Blauen Könige“, wie sie Klee, Feininger, Kandinsky und Jawlensky bezeichnete, in der alten Heimat nicht mehr durch die Konservenkontingente der väterlichen Fabrik bei Laune halten.
Wohl nicht nur aus finanziellen Gründen führte Scheyer ein nomadisches Leben in den USA. Sie logierte zeitweilig im legendären Experimentalhaus des Architekten Rudolf M. Schindler an der Kings Road, Los Angeles. Schindler führte sie in die Westküstenboheme ein und weckte ihr Interesse an moderner Architektur. 1934 wählte sie für den Bau ihres eigenen Hauses dessen ehemaligen Kollegen Richard Neutra, avantgardistischer Schöpfer spektakulärer Anwesen für die Hollywood-Prominenz. Beide Architekten kamen ursprünglich aus Wien.
„Galka Scheyer und die Blaue Vier“: Städtisches Museum Braunschweig, bis 19. Mai, Katalog 49,90 Euro
Scheyers Haus hoch über Los Angeles bestand aus nur einem einzigen großen Raum: Wohnbereich und Ausstellung zugleich, mit weitem Balkon und überwältigendem Ausblick. In solch privat-professioneller Atmosphäre gab sie rauschende Partys, bot dabei europäische Kunst feil. Sie bewies sich als wirkmächtige Kunstvermittlerin zu Museen, Galerien und Sammlern, als Händlerin war sie nur mäßig erfolgreich. Dem klammen John Cage etwa verkaufte sie zwei kleinformatige „Meditationen“ Jawlenskys zum Dumpingpreis von 30 Dollar – auf Ratenzahlung.
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