Kunst aus Israel: In Auflösung begriffen
Die Berliner Ausstellung "Who By Fire" ist ungewöhnlich. Sie zeigt kritische Kunst aus Israel. 13 Künstler:innen zeichnen ein komplexes Bild des Landes.
Überraschend, aber es ist etwas Besonderes, dass es gerade eine Kunstausstellung gibt, die von Israel erzählt und deren Teilnehmer:innen alle einen biografischen Bezug zum jüdischen Staat haben. In der Schau „Who By Fire. On Israel“ lassen momentan 13 Künstler:innen in das Innere des Landes blicken und auf seine ungelösten Konflikte. Sie zeichnen das komplexe Bild von einem Land, das hier so viel und unter Beschwernissen diskutiert wird. Die Schau wird nicht etwa in einem jüdischen Museum gezeigt, sondern in einer Institution für Gegenwartskunst, dem kleinen Haus am Lützowplatz in Berlin.
Und weil solch eine Ausstellung selten ist, deckt sie den unschönen Umstand im Kunstbetrieb auf, dass dort zuletzt viel Israelkritik geübt, aber nur wenig Kunst aus Israel gezeigt wurde. Die documenta fifteen, das Auftreten antisemitischer Zerrbilder und die Vermutung, eine BDS-Nähe der documenta-Macher:innen habe zu einem Boykott israelischer Künstler:innen geführt, war dann sein Kristallisationspunkt. Und so füllt „Who By Fire“, betitelt nach Leonard Cohens Songversion eines hebräischen Gebets, auch eine Leerstelle.
In Israel würde man diese Ausstellung nur in Privaträumen zeigen, nicht in einem öffentlichen Museum, meint ihr Kurator Liav Mizrahi. Unter Benjamin Netanjahus rechtsreligiöser Regierung fließen die Kulturgelder ohnehin kaum einer unbequemen zeitgenössischen Kunst zu, lässt sich einem Informationsblatt zu der Berliner Schau entnehmen. Die 13 Stimmen, die Mizrahi hier nun versammelt, sind kritisch, geradezu aktivistisch.
Avner Pinchover wirft in seiner neunminütigen Videoprojektion vor der Kulisse einer sonnenergrauten judäischen Wüste immer wieder Steine gegen monumentale Glaswände. Doch das Panzerglas zerbricht nicht bei seiner kräftezehrenden Aktion, die an ausufernde Proteste, aber unweigerlich auch an Steine werfende Jugendliche an Grenzanlagen zu Palästina denken lässt. Mit einem Brecheisen bringt Avner das Glas schließlich zum Zerbersten. Laut, bildlich beeindruckend ist seine Metapher dafür, wie Gebietskonflikte Israels zu explodieren drohen.
Terrazzo als materielle Erinnerung
Ironisch, zugleich bedrückend ist Dina Shenhavs Merkava-Panzer aus Schaumstoff. Ihr Nachbau eines besonders gesicherten Modells der israelischen Armee, dessen martialische Präsenz in vielen Teilen Israels zum Alltag gehört, wirkt wie eine gigantische Marzipanfigur, sackt in der Ecke des Galerieraums unter der weichen, täuschend süßen Masse ein.
„Die kreative Klasse Israels scheint nur so zu explodieren vor Ideen, wie sie ihre großen Ängste und ihre Wut zum Ausdruck bringen kann“, schreibt der Kritiker der Jerusalem Post, Hagay Hacohen. Schon seit Wochen wird in Israel demonstriert: Es geht auch um den Erhalt der Demokratie. Ariel Reichman ruft dann in der Ausstellung mit seinen hochpräzisen Zeichnungen von Terrazzokacheln eine materielle Erinnerung an optimistische Zeiten des Landes hervor. Mit derartigem Terrazzo baute man einst in Israel viel, häufig mit Facharbeiter:innen aus den palästinensischen Gebieten.
„Who By Fire. On Israel“: Haus am Lützowplatz, Berlin, bis 27. August
Subtil wird Fatma Shanan. Die Künstlerin, die der Minderheit der Drusen angehört, fragt auf ihren Malereien nach den Bewegungen von Menschen im Öffentlichen wie im Privaten. Auf ihrem Bild sieht man einen Teppich, wie man ihn im traditionellen Haushalt der Drusen findet, ausgerollt in einem Park, darauf ein kleines Mädchen – doch Körper und Raum lösen sich zu einem Ornament auf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!