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Kundgebungen in SolingenEin Tag zwischen Trauer und Demos

Dutzende Rechte demonstrieren in Solingen nach dem Anschlag. Doch die Zivilgesellschaft hält zusammen und stellt sich den Extremisten entgegen.

Den Opfern gedenken, sowohl rechte Hetze als auch islamistischen Fundamentalismus verurteilen: das Motto der Anständigen Foto: Gianni Gattus/dpa

Nach dem verheerenden Anschlag in Solingen sind die Straßen in der Nähe des Tatorts am Sonntag leergefegt. Während rechte Gruppen, darunter die Junge Alternative, die Jugendorganisation der Alternative für Deutschland (AfD), zu einer Versammlung in der Nähe des Tatorts aufriefen, formierten sich Gegendemonstrationen, organisiert von zivilgesellschaftlichen Initiativen aus Wuppertal und Solingen.

Die AfD steht seit dem Anschlag massiv in der Kritik, den Anschlag für ihre Wahlerfolge in Thüringen und Sachsen zu instrumentalisieren und rassistische Hetze zu verbreiten. So legen am Sonntagnachmittag auf dem Kirchplatz vor der evangelischen Stadtkirche in Solingen, in der Nähe des Tatorts, AfD-Kreisverbände sowie Landtagsabgeordnete der AfD Blumen nieder und gedenken der Opfer. Dutzende weitere Menschen sind da, legen Blumen und Kerzen nieder, darunter auch der 67-jährige Rentner Matthias Marsch, der mit seinem „FCK AFD“-T-Shirt gekommen ist. „Der Anschlag hier macht mich sehr betroffen“, sagt der Wuppertaler. „Aber die AfD missbraucht diese Situation, um alle Ausländer in eine Schublade zu stecken, und das dürfen wir nicht zulassen.“

Angst, Wut und Trauer

Nur 50 Meter vom Tatort entfernt finden parallel zwei Gegendemonstrationen statt, unter anderem organisiert von der Initiative „Wuppertal stellt sich quer“. Hier mischen sich die Gefühle: Trauer, Wut und Angst. Die Sprecherin der Initiative spricht von einem „schwierigen Spagat“: an die Opfer zu denken und sich „gegen diejenigen zu stellen, die diese schreckliche Tat für ihre menschenverachtenden Zwecke missbrauchen“. Es ist kein leichter Tag für die Menschen hier in Solingen: Immer wieder liegen sich die Demonstrierenden in den Armen, viele haben Tränen in den Augen.

Auch Daniela Tobias vom Bündnis „Solingen ist Bunt statt Braun“ ist erschüttert: „Fast jeder hier kennt jemanden, der bei dem Anschlag in der Nähe war oder betroffen ist.“ Besonders erschreckend findet sie, wie schnell nach Bekanntwerden der Tat in den sozialen Medien Begriffe wie Vielfalt und Buntheit angegriffen wurden. „Das macht mir Angst“, sagt sie. Wie viele andere erinnert sich Tobias an den Brandanschlag in Solingen 1993. Die Angst vor ähnlichen Vorfällen oder Ausschreitungen ist an diesem Sonntag in Solingen groß. Rund 100 Menschen formieren sich deshalb vor einer Flüchtlingsunterkunft in der Nähe des Tatorts. Dort war der mutmaßliche Täter am Samstagabend festgenommen worden. „Wir bleiben hier, solange wir glauben, dass wir gebraucht werden“, sagt eine Demonstrantin. Die Polizei, die am Sonntagabend mit mehreren Hundertschaften im Einsatz war, geht allerdings nicht von einer Gefährdung der Flüchtlingsunterkunft aus.

Wenige Meter entfernt, vor der Kundgebung der „Jungen Alternative“, stehen zwei junge Männer vor einem Döner-Imbiss. Hier arbeiten sie. „Uns geht es leider nicht so gut, wir fühlen uns hier nicht mehr sicher“, sagt einer von ihnen. Seit dem Anschlag habe sich vieles verändert, insbesondere, wie die Menschen sie ansehen. „Es wurde in den Medien berichtet, dass der Täter ein arabisch aussehender junger Mann war. Das trifft auch auf einige Leute hier in Solingen, auch auf uns, zu. Deswegen haben wir Angst“, erklärt er.

30 Teilnehmende der Jungen Alternative

So treffen sich gegen 18 Uhr die Mitglieder der Jungen Alternative und ihre Sympathisanten. Im Vergleich zu den hunderten Ge­gen­de­mons­tran­t:in­nen kommen nur etwa 30 Teilnehmende zur Kundgebung, deutlich weniger als die erwarteten 50. Skandiert wird Parolen wie „Vielfalt tötet“ und „Deutschland durch Remigration retten“. Mit dabei ist auch der Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich, der Mitglied des AfD-Landesvorstandes NRW ist. Die nordrhein-westfälische AfD strebt gegen ihn ein Parteiausschlussverfahren an, da er „schwerwiegend“ gegen das Grundgesetz verstoßen haben soll. Hier spricht Helferich vor einer Wand mit einem Graffiti „Gegen Nazis“, jedoch kaum zu hören, da die Rufe der hunderten Ge­gen­de­mons­tran­t:in­nen lauter werden.

Daniela Tobias macht sich Sorgen, ob der zivilgesellschaftliche Zusammenhalt wie nach dem Brandanschlag von 1993 wiederhergestellt werden kann. Zumindest am Sonntagabend scheint es gelungen zu sein. „Keine besonderen Vorkommnisse“, meldete auch der Polizeisprecher.

Auch für den Montagabend sind in Solingen Kundgebungen des sogenannten „Solinger Widerstands“ – ein Sammelbecken für Impfgegner und Rechtsextreme – sowie Gegendemonstrationen angekündigt. Am frühen Morgen wird zudem ein Besuch von Kanzler Olaf Scholz erwartet.

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6 Kommentare

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  • Unsere Zivilgesellschaft lässt sich durch terroristische Anschläge nicht beeindrucken! Sie hat sich davon noch nie beeindrucken lassen. Überall im Land kommen und kamen sie zu zehntausenden zu Stadtfesten, Sportereignissen und bunten, vielfältigen Veranstaltungen zusammen und haben es dadurch bewiesen.



    Aber eines ist immer wieder nach solchen Anschlägen sehr deutlich geworden: Eine bunte, vielfältige und demokratische Gesellschaft ist nicht nur Islamisten ein Dorn im Auge. Und nichts ist widerlicher und moralisch verwerflicher als die Opfer eines Anschlags für die eigenen rechtsextremistischen und verfassungsfeindlichen Ziele zu missbrauchen. Islamisten und Rechtsextremisten hassen gleichermaßen eine bunte und vielfältige Gesellschaft! Islamisten töten wahllos, Rechtsextremisten töten und attackieren gezielt diejenigen, die sich für sie engagieren.

  • Welche Vorstellungen hat denn die Zivilgesellschaft, um solche islamistischen Taten zu verhindern?

    Sicher wird gerade niemand in Solingen fühlen.

    Nur die Polizei wird das Problem nicht lösen können.

    • @rero:

      Na relativ simpel, die Zivilgesellschaft erwartet dass derjenige, der kein Bleiberecht hat, auch wirklich abgeschoben wird. Dies ist hier nicht passiert.

      Und mir ist klar, dass Abschiebungen nicht leicht sind, da es genügend Umstände gibt die eine Abschiebung verhindern.

      Aber was die Leute einfach nicht mehr lesen oder hören können: was nicht geht und was auch in Zukunft nicht gehen wird.

      • @Müller Christian:

        Sie haben einen Punkt mit den Abschiebungen. Aber als Lösung für die Messerattacken wird das nicht funzen - zum einen sind islamistische Täter nicht die einzigen, zum anderen sind einige Täter deutsch oder eingedeutscht.



        Zum dritten: ein Sicherheitsaufgebot mit Personenkontrollen die Messerattacken verhindert muss dystopische Ausmaßen erreichen, das gibt chinesische Verhältnisse hoch 2.



        Was ein wenig(!) helfen kann, ist der Versuch, Menschen möglichst nicht in aussichts- und hoffnungslose Situationen zu bringen. Hassgenerierende Ideologien dürfen keine Freiräume haben - und Imame, die in der Türkei ausgebildet werden sind ein solcher Freiraum. Aber auch große Anteile (ca ein Drittel+x) von Islam-Studenten HIER in Deutschland haben Sympathien für ein HIESIGES Kalifat. So etwas geht gar nicht.



        Der Rest ist -so hart das klingt- Schicksal.



        Wenn ich heute wieder den BK Scholz nach Solingen einfliegen sehe, ist mein erster Gedanke. jaaaneeeklaar : ist das alles ?

    • @rero:

      Wir können nichts tun, solange der religiöse Wahn so in den Köpfen verankert ist.



      Mit Wahn meine ich die täglichen Strukturen, wie Frauenverhüllung und die "Regeln" von bärtigen Männern zu folgen. Diese Bärtigen sind schon tausende von Jahren tot..



      Wo soll man da ansetzen?



      Wichtig wäre es, von staatlicher Stelle, das nicht noch zu stützen, Solange es aber auch eine christliche Partei gibt, wird das wohl nichts.

      • @D. MEIN:

        Bei dem nationalistischen Wahn, der in den Köpfen verankert ist, setzt die Zivilgesellschaft doch auch an.

        Wenn ich das Gefühl hätte, man könnte gegen diese Leute nichts tun, würde ich nicht wollen, dass noch weitere davon zuwandern.

        Weitere Jahrzehnte mit regelmäßigen Anschlägen wären mir als Preis zu hoch.

        Warum man wegen einer Partei, die ein C aus traditionellen Gründen im Namen hat, aber keine reliös geprägte Politik macht, nicht gegen gewalttätige Islamisten tun kann, erschließt sich mir nicht.