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Kulturpolitik„Zur Zeit uninteressant“

Die Weserburg soll 2016 gerettet werden. Ein Gespräch über die Zukunft des Sammlermuseums, seinen Direktor – und einen Neubeginn.

Die Weserburg muss mutiger werden: Rik Reinking Foto: Jan Zier
Interview von Jan Zier

taz: Herr Reinking, die Bremer Kulturpolitik will das Museum Weserburg künftig mit 1,3 Millionen Euro im Jahr finanzieren. „Die Summe reicht gerade mal aus, um im Haus das Licht anzumachen und die Bleistifte anzuspitzen“, sagt Direktor Peter Friese. Hat er Recht?

Rik Reinking: Nein! Was ist denn das für eine Bürokraten-Mentalität? Natürlich hat jeder immer zu wenig Geld. Aber: Der Etat soll um 200.000 auf 1,3 Millionen Euro aufgestockt worden, damit lässt sich als Grundsicherung doch erst einmal arbeiten. Aber wenn wir nicht schon 2016 mit den Sanierungsarbeiten auf dem Teerhof und der Suche nach einem neuen Direktor beginnen, verabschiedet sich die Weserburg spätestens 2017 von alleine: Unter anderem Peter Friese ist dann im Ruhestand.

Die Kunsthalle bekam 2014 mehr als doppelt so viel Geld.

Aber die hat auch eine riesige Sammlung an Kunstwerken, die sie pflegen und erhalten muss. Die Weserburg hat nichts mehr.

Es zeichnet sich ein wachsender Imageschaden ab

Rik Reinking

Aber 1,3 Millionen Euro im Jahr – das sind mindestens 300.000 Euro weniger als das Museum zuletzt hatte.

Die Hollweg-Stiftung hat der Weserburg drei Jahre lang jeweils 500.000 Euro gegeben. Man kann doch nicht erwarten, dass die Stadt das jetzt einfach übernimmt. Die Aufgabe eines Direktors ist es, externe Mittel einzuwerben. Aber natürlich muss dafür das Image und die Qualität des Hauses auch stimmen. Ich würde mir gut überlegen, ob ich zur Zeit mit meiner Marke dort werben würde.

Was muss jetzt in der Weserburg passieren?

Sie braucht einen Neubeginn. Und sehr bald einen neuen Direktor!

Im Interview: 

39, ist Kunstsammler und Kurator. Er ist in Oldenburg aufgewachsen, hat Rechtswissenschaft und Kunstgeschichte studiert und lebt heute in Hamburg. Dem Museum Weserburg ist er seit 1999/2000 verbunden. Im vergangenen Jahr waren dort unter dem Titel „Existenzielle Bildwelten“ zuletzt Werke aus der Sammlung Reinking zu sehen.

Welches Profil muss der haben?

Das jetzt mit Peter Friese ein Direktor installiert wurde, der in einem Jahr in Rente geht, war keine gute Entscheidung. Das war für die Bremer Kulturpolitik vielleicht taktisch sinnvoll, aber für das Museum kontraproduktiv. Schon jetzt sollte man mit der Suche nach einem Nachfolger beginnen. Dafür müsste es eine unabhängige Findungskommission geben, die nicht aus den Reihen der Weserburg kommt und in der vielleicht auch SammlerInnen sitzen – die haben ja oft bessere Kontakte. Die Weserburg muss mutiger werden, innovativer und inhaltlicher. Es muss eine fundierte Auseinandersetzung mit den Sammlungen stattfinden.

Brauchen wir denn noch ein Sammlermuseum in Bremen?

Absolut! Ein Sammlermuseum ist etwas anderes als das Haus einer einzelnen Sammlung. Ich kenne außerdem nicht so viele Sammler, die sich ihre „Privatmuseen“ bauen können – und genau das ist ja immer das Argument gegen das Konzept der Weserburg. Aber darum geht es ja auch gar nicht! Das Museum sollte sich mit der Tätigkeit des Sammelns und den Schätzen, die sich in einer Sammlung befinden, befassen – das ist doch ganz einfach. Es muss Sammlungen und Sammlerpersönlichkeiten suchen, finden und analysieren, welche Motivationen und Konzepte es gibt und was den Charakter einer Sammlung ausmacht. Das muss man dann miteinander in Dialog bringen und gegenüberstellen. Genau das vermisse ich derzeit in der Weserburg.

Aber heute arbeitet doch jedes Kunstmuseum mit SammlerInnen zusammen!

Das stimmt. Aber die leihen einzelne Werke aus Sammlungen aus – das ist etwas ganz anderes! Die Weserburg sollte sich, gerne auch kritisch, mit der Idee des Sammelns der Kunst und der Persönlichkeit des Sammlers befassen – das machen andere nicht. Es geht nicht darum, wie ein Sammler aussieht oder wie sich jemand gibt, sondern schlicht um die Kunst, was ihm und was es uns allen bringt, in der Auseinandersetzung. Sammler gucken gerne genau, in welchem Kontext sie auftauchen – und der ist in der Weserburg seit Jahren immer uninteressanter. Es zeichnet sich ein Imageschaden ab.

Gibt es genügend spannende Sammlungen, die so ein Museum tragen können?

Das Potenzial wäre sicherlich groß genug, aber für die interessanten Sammler ist die Weserburg zu Zeit uninteressant. Im Moment fühlt sich wohl keiner der Sammler da richtig zu Hause. Jene, die mit dem Haus früher verbunden waren, sind alt oder tot, der Nachwuchs wurde ignoriert und das, was jetzt nachkommt, wird oft nicht nachhaltig geführt. Dabei hat die Weserburg an einem fantastischen Standort ein wahnsinnig charmantes Haus mit toller Architektur und sehr vielen Möglichkeiten. Aber der Ort schläft, weil die Weserburg weder in der nationalen Museumslandschaft noch in der internationalen eine Rolle spielt. Das gilt natürlich nicht für das Zentrum für Künstlerpublikationen, welches auf internationaler Ebene beispielhaft ist und eine wahre Perle in der deutschen Museumslandschaft.

Im Grunde ist ein Sammlermuseum ja ein Sparkonzept.

Es ist das günstigste Konzept, das man überhaupt haben kann. Nehmen wir die Ausstellung meiner eigenen Sammlung 2013/14 als Beispiel: Ich habe akzeptiert, das wir den Transport mit hauseigenen Kräften und ohne Kunstspedition machen, ich war die gesamte Zeit beim Aufbau dabei – ich weiß gar nicht, wo diese Ausstellung richtig Geld gekostet haben soll.

Lange wurde moniert, es gebe zu wenig Sammlungen, die der Weserburg verbunden sind. Nun gibt’ s auch die von der Kulturpolitik gelobten „Jungen Sammlungen“. Gut so?

Kann das Alter allein ein Qualitätsmerkmal sein? Das hat doch keine Relevanz. Da geht es zur Zeit nur um junge Menschen, die bequem erreichbar waren. Ich kann aber auch mit 70 noch ein junger Sammler sein. Das Konzept der Sammlung muss einfach stimmen.

Wie finden Sie die Idee der „Künstlerräume“ aus Werken verschiedener Sammlungen?

Damit macht man es sich wirklich zu einfach: Das konzeptionslose Nebeneinander verschiedener Künstler ist zu beliebig. Es macht die Weserburg angreifbar.

Unter seinem Gründungsdirektor arbeitete die Weserburg oft unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit. War das besser?

Thomas Deecke hat das Haus zwar für sich geführt – mit Zustimmung der Stadt –, aber auf einem sehr hohen Niveau. Und er hat die zentralen Sammler erreicht, ans Haus gebunden und wichtige, international beachtete Ausstellungen gemacht.

Ist die zeitgenössische Kunst in Bremen überrepräsentiert, wie manche sagen?

Nur weil den Direktor der Kunsthalle das Thema auch interessiert? Nein! Das könnte sich auch gegenseitig befruchten.

Aber zeitgenössische Kunst ist schwer vermittelbar und interessiert eh nur wenige.

Das kann man ändern! Da muss man sich sinnvolle Kooperationen überlegen, und intelligente Konzepte, die dem grassierenden Werteverfall und der kulturellen Verarmung etwas entgegensetzen. Zudem braucht es – überregional – Werbung und mediale Aufmerksamkeit für die Ausstellungen und für das Museum. Auch das Internet muss man da viel stärker für sich nutzen.

Das größte Interesse haben seinerzeit Akt-Fotos von Helmut Newton hervorgerufen – da rümpften viele die Nase.

Wenn man den Tod sterben muss, dass man auch mal eine reißerische Ausstellung machen muss, alle zwei Jahre, weil es ein Kassenschlager ist, dann soll man das machen! Man muss sich dann aber an anderer Stelle inhaltlich und intellektuell beweisen oder ein intelligentes Konzept für so eine Blockbuster-Ausstellung entwickeln.

Der letzte Blockbuster der Weserburg war „Land in Sicht“ ...

... eine Ausstellung, die schon in zahlreichen anderen Museen zu sehen war. Es war die Lehrsammlung der Ruhr-Universität Bochum, die auf Tour war. Ich frage mich, was für einen Nachhall diese Wechselausstellung in der Weserburg hat.

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