Kulturhaus Schokoladen in Mitte: Die süßen Zeiten sind vorbei
Die Räumung des Clubs steht nach einem Gerichtsurteil unmittelbar bevor. Senat und Bezirk sind offenbar nicht an einer Rettung interessiert
Die linke Clubkneipe Schokoladen in Mitte steht unmittelbar vor der Räumung. "Wir reden nur noch über Wochen, nicht mehr über Monate", sagte Hauseigentümer Markus Friedrich der taz. Ab sofort könne der Gerichtsvollzieher der Kulturbühne jederzeit eine konkrete letzte Frist aussprechen. "Der Ball liegt nun beim Senat", so Friedrich.
Der Schokoladen in der Ackerstraße ist einer der letzten verbliebenen Clubs aus den wilden Nachwendezeiten. In dem einst besetzten Haus befinden sich neben dem Club weitere kulturell genutzte Gewerbeeinheiten und Wohnungen. Am Dienstag gab das Landgericht einer Räumungsklage des Eigentümers statt, wonach die Nutzer das Theater, den "Club der polnischen Versager" und mehrere Ateliers freizugeben haben. Bereits im Dezember war eine Räumungsklage gegen die Kneipe des Schokoladens erfolgreich. Der Betreiberverein hat laut Sprecherin Anja Gerlich gegen beide Urteile Berufung eingelegt.
Seit 2008 läuft ein Räumungsverfahren gegen das Kulturprojekt, seit 2010 sind alle Gewerbemietverträge gekündigt. Offen sind die Verfahren der 20 Wohnungsmieter. "Wir werden nicht freiwillig gehen. Warum auch?", sagt Gerlich. Es bestehe weiter das Angebot der Nutzer, das Haus mittels einer Stiftung selbst zu kaufen. Auch Gerlich sieht den Senat in der Pflicht. "Jetzt ist der Zeitpunkt, sich zu entscheiden: Ist der Schokoladen gewollt oder nicht?"
Beim Senat schiebt man die Verantwortung auf den Bezirk. "Wenn der Erhalt des Projekts politisch gewollt ist, ist zuerst Mitte in der Pflicht", so ein Sprecher von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos). Nußbaum hatte im Dezember eingeräumt, dass weder Bezirk noch Senat "derzeit konkrete Verhandlungen" mit Friedrich führten. Man sei in früheren Gesprächen "sehr weit gegangen", werde sich aber "nicht erpressen lassen", so Nußbaum. "Wir wollen nicht um jeden Preis eine Lösung, von der vor allen Dingen Herr Friedrich profitiert." Der Bezirk äußerte sich am Freitag nicht.
Hauseigentümer Friedrich hatte sich im Juni 2011 zu einem Grundstückstausch bereit erklärt. Bekomme er eine Parzelle auf dem Grundstück Acker- Ecke Invalidenstraße, werde er das Schokoladen-Haus an die Nutzer verkaufen. Der Deal hängt seitdem am Senat: Das Areal liegt in Landeshand. Dort will man das Grundstück aber "nicht unter Verkehrswert" verkaufen.
Zur Schlüsselfigur könnte nun Ephraim Gothe werden. Bis zu den Wahlen im September war der SPD-Politiker Baustadtrat in Mitte - und Ideengeber des Geländetauschs. Man müsse das Gelände nicht nur nach finanziellen, sondern auch nach stadtplanerischen Aspekten vergeben, so Gothe damals. Heute ist er Mitglied des Senats, als Staatssekretär für Bauen unter Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD). Zu erreichen war Gothe am Freitag nicht. Man solle sich an Nußbaum wenden, richtete dessen Sprecherin aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin