Kulturförderung und Antisemitismus: Risiken bei Bekenntnispflicht
Der Rechtsprofessor Möllers hat Antisemitismusklauseln bei der Kulturförderung untersucht. Er sieht darin rechtliche Probleme.
Antisemitismusklauseln in staatlichen Förderrichtlinien, wie es sie zeitweise in Berlin und Schleswig-Holstein gab, waren in mehrfacher Hinsicht rechts- und verfassungswidrig. Das ergibt sich aus einem Gutachten, das der renommierte Rechtsprofessor Christoph Möllers im Auftrag von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) erstattete. Die Antisemitismusklauseln verstießen gegen den Gesetzesvorbehalt, gegen das Bestimmtheitsgebot und gegen Grundrechte.
Grundsätzlich kann der Staat seine Kulturförderung zwar mit anderen Zwecken, etwa der Standortpolitik, verbinden. Außerdem haben Kultureinrichtungen und Künstler:innen keinen Anspruch auf staatliche Förderung, so Möllers. Wenn der Staat in Förderbescheiden den Begünstigten jedoch neue Pflichten auferlegt – etwa den Einsatz gegen Antisemitismus –, dann ist hierfür eine gesetzliche Grundlage erforderlich, arbeitete Möllers heraus.
Die in Berlin und Schleswig-Holstein zeitweise geltenden Antisemitismusklauseln waren aber lediglich in Verwaltungsvorschriften enthalten.
Gegen das Bestimmtheitsgebot verstießen die Klauseln, soweit sie von den Mittel-Empfänger:innen verlangten, sie müssten sich „zu einer vielfältigen Gesellschaft bekennen“. Dies sei ein „ungewisses allgemeines Ideal“ ohne definierte Handlungsfolgen, moniert Möllers.
Dagegen sei die Verpflichtung, sich gegen Antisemitismus und Rassismus einzusetzen, bestimmt genug, befand der Rechtsprofessor. Geldempfänger:innen seien dann verpflichtet, antisemitische und rassistische Äußerungen zu unterlassen. Dass oft umstritten ist, ob zum Beispiel Kritik an Israel antisemitisch ist, mache die Anforderungen nicht unbestimmt, so Christoph Möllers, der an der Berliner Humboldt-Uni lehrt und regelmäßig die Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht vertritt.
Verfassungsrechtliche Bedenken
Auch die Verletzung der Grundrechte, insbesondere der Meinungsfreiheit, wurde im Gutachten geprüft. Indem die inzwischen zurückgezogenen Antisemitismusklauseln „Bekenntnisse“ gegen Ausgrenzung und Antisemitismus verlangten, wurde eine Pflicht zur Veröffentlichung innerer Einstellungen geschaffen.
Möllers sieht bei solchen Bekenntnispflichten „gewichtige“ rechtliche Risiken, dass die Eingriffe nicht zu rechtfertigen sein könnten. Möllers hat sogar „schwere verfassungsrechtliche Bedenken“, soweit sich die abgeforderten Bekenntnisse auf eine umstrittene Antisemitismusdefinition bezogen, die auch Israelkritik tendenziell umfasst. „Die Adressaten werden genötigt zu behaupten, was sie nicht glauben, obwohl die Behauptung wissenschaftlich umstritten ist“, schreibt Möllers.
Dagegen liege wohl kein Verstoß gegen die Kunstfreiheit vor, auf die sich laut Möllers auch staatliche Kultureinrichtungen berufen können, wenn der Staat lediglich zusätzliche Ziele vorgebe wie den Kampf gegen den Antisemitismus. Denn damit greife der Staat nicht auf einzelne Programmentscheidung durch. Die Institutionen müssten nur bei Anwendung ihrer eigenen Kriterien weitere Kriterien beachten. Auch der Eingriff in die Meinungsfreiheit der geförderten Künstler:innen durch solche Zielvorgaben sei gerechtfertigt, jedenfalls solange bei Verstößen keine Sanktionen vorgesehen sind.
Wie soll das durchgesetzt werden?
In einer Art Nachwort zu seinen juristischen Ausführungen kritisiert Möllers, dass sich die Befürworter von Antisemitismusklauseln nicht dazu äußerten, wie solche Vorgaben durchzusetzen seien. Erforderlich werde die „Kontrolle des gesamten Kulturbetriebs“, die Möllers aber für „missbrauchsanfällig“ hält.
Ohne Sanktionen bei Verstößen hätte es zugleich Vollzugsprobleme gegeben. „Von durchdachten Regelungen kann man soweit auch bei Sympathie für das Anliegen nicht sprechen“, konstatiert Möllers in seinem differenzierten Gutachten.
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