Kulturelles Erbe der Ukraine im Krieg: Leere Museumssäle in Mykolajiw

Die Hafenstadt am Schwarzen Meer wird täglich beschossen. In den Museen werden jetzt mit Hilfe eines EU-Programms die Museumsexponate evakuiert.

Ein Feuerwehrauto steht vor einem älteren Gebäude

In Mykolajiw schlagen täglich russische Raketen ein. Zerstört werden zivile Einrichtungen Foto: reuters

In den viereinhalb Monaten des russischen Angriffs auf die Ukraine wurden nach ukrainischen Angaben mindestens 407 kulturelle und historische Objekte im Land zerstört. Die Vereinten Nationen werten die mutwillige Zerstörung von Museen, Bibliotheken und Theatern der Ukraine als mögliches Kriegsverbrechen Russlands. In Mykolajiw, im Süden des Landes, bereiten Aktivisten Museumsexponate auf eine längere Einlagerung und eine mögliche Notevakuierung vor. In der Nacht zu Montag sei die Stadt „massiv mit Raketen beschossen“ worden, teilte der Gouverneur Vitali Kim mit.

Чтобы как можно больше людей смогли прочитать о последствиях войны в Украине, taz также опубликовал этот текст на русском языке: here.

Vier große Museen gibt es in Mykolajiw, sie wurden alle in den ersten Kriegstagen geschlossen, aber seit einigen Wochen wird dort emsig gearbeitet. Einheimische haben, unterstützt durch das Programm „House of Europe“ der EU und des Goethe-Instituts in der Ukraine, Holzkisten, Schutzfolie und Kraftpapier gekauft, um die Exponate zu sichern.

Jewgen Gomonjuk, Sprecher der Entwicklungsagentur Mykolajiw, zeigt uns, wie die Gemälde aus dem Wereschtschagin-Kunstmuseum verwahrt werden. Alle Fenster und Türen des Gebäudes sind mit Sperrholzplatten vernagelt. Zum Treffen bringt Jewgen eine dicke Rolle feuerfester Plane mit. Er erklärt, dass die Exponate so zwar nicht vor direkten Raketeneinschlägen geschützt werden, einer Druckwelle oder einem Brand aber durchaus standhalten.

In der Eingangshalle des Museums und in den Gängen stehen große Holzkisten. „Hier sind schon Gemälde und andere wertvolle Gegenstände verpackt“, sagt Jewgen. Einige Dutzend Bilder unterschiedlicher Größe warten noch darauf, verpackt zu werden. „Die Konservierung von Gemälden ist eine sehr delikate Arbeit, die nur Spezialisten übernehmen können. Wir helfen ihnen beim Einpacken und beim Tragen der Kisten“, erzählt ein junger Mann.

Der Kampf könnte bis in den Winter dauern

Außer Verpackungsmaterial haben die Aktivisten auch Geräte gekauft, die dafür sorgen, dass in den Lagerräumen die richtige Temperatur herrscht. Das ist wichtig für den Erhalt der Exponate, weil Feuchtigkeit, Kälte oder Hitze ihnen zusetzen können.

In den Museen von Mykolajiw bereitet man sich moralisch darauf vor, dass die Kämpfe bis zum Winter anhalten. Dies wird auch bei der Verpackung der Gemälde und Skulpturen mitbedacht. Auch Überlegungen, dass die Museumsexponate eventuell aus der Region verbracht werden müssen, spielen beim Packen eine Rolle.

„Unser kulturelles Erbe ist leider ebenfalls Opfer der russischen Aggressionen geworden. Darum müssen wir alles tun, um die Sammlungen unserer Museen zu schützen. Die ukrainische Kultur soll so wenige Verluste wie möglich durch diesen barbarischen Krieg erleiden“, sagt Jewgen, während er auf die leeren Wände eines Ausstellungssaales schaut.

Aus dem Russischen Gaby Coldewey

Finanziert wird das Projekt von der taz Panter Stiftung.

Einen Sammelband mit den Tagebüchern bringt der Verlag edition.fotoTAPETA im September heraus.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Anastasia Magazova ist 1989 auf der Krim (Ukraine) geboren. Studium der ukrainischen Philologie sowie Journalismus in Simferopol (Ukraine). Seit 2013 Autorin der taz und seit 2015 Korrespondentin für die Deutsche Welle (DW). Absolventin des Ostkurses 2014 und des Ostkurses plus 2018 des ifp in München. Als Marion-Gräfin-Dönhoff-Stipendiatin 2016 Praktikum beim Flensburger Tageblatt. Stipendiatin des Europäischen Journalisten-Fellowships der FU Berlin (2019-2020) in Berlin. Als Journalistin interessiert sie sich besonders für die Politik in Osteuropa sowie die deutsch-ukrainischen Beziehungen.

Eine Illustration. Ein riesiger Stift, der in ein aufgeschlagenes Buch schreibt.

Diese Kolumne ist nur möglich dank Ihrer finanziellen Hilfe. Spenden Sie der taz Panter Stiftung und sorgen Sie damit für unabhängige Berichterstattung von Jour­na­lis­t:in­nen vor Ort.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.