Kürzungspläne von Thyssenkrupp: Stahlkocher wollen um Jobs kämpfen
Bei Deutschlands größtem Stahlproduzenten Thyssenkrupp könnten Tausende Arbeitsplätze verschwinden. Betriebsrat und IG Metall fordern Jobgarantie.

Auch der Bezirksleiter der IG Metall in Nordrhein-Westfalen, Knut Giesler, forderte, Thyssenkrupp müsse sich seiner Verantwortung nicht nur für sein riesiges Stahlwerk in Duisburg, sondern auch für seine übrigen Standorte in Bochum, Dortmund, Gelsenkirchen, Hagen, im Sieger- und Sauerland bewusst sein. „Wir werden nicht akzeptieren, dass Zigtausende Menschen um ihren Job bangen müssen“, sagte der Gewerkschafter.
Der von der IG Metall gestellte stellvertretende Vorsitzende des TKS-Aufsichtsrats, Detlef Wetzel, erklärte, „Voraussetzung für Verhandlungen über eine Neuaufstellung des Unternehmens“ sei deshalb „ein harter Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen über März 2026 hinaus“.
TKS hatte am Donnerstagabend verkündet, die Produktionskapazitäten um mehr als 20 Prozent von 11,5 auf 9 bis 9,5 Millionen Tonnen reduzieren zu wollen. Besonders treffen dürfte dies den Standort Duisburg: Von den insgesamt 27.000 TKS-Beschäftigten arbeiten rund 13.000 in den dortigen Stahlwerken, die als größtes zusammenhängendes Industrieareal Westeuropas gelten und fast fünfmal so groß sind wie das Fürstentum Monaco.
Konkurrenz und schwache Nachfrage
Aktuell leidet die Stahlsparte des Gesamtkonzerns, der etwa auch im Kriegsschiffbau und im Rohstoffhandel aktiv ist, unter Billigkonkurrenz aus Asien und schwächelnder Nachfrage durch die Automobilindustrie. Für das 4. Quartal 2023 hatte der Gesamtkonzern deshalb einen Verlust von 314 Millionen Euro ausweisen müssen – im Vorjahreszeitraum war noch ein Gewinn von 75 Millionen verbucht worden.
In der Gesamtkonzern-Zentrale in Essen wird seit Langem daran gearbeitet, die Verantwortung für das volatile Stahlgeschäft zu reduzieren. Monatelang verhandelte Thyssenkrupps seit Juni 2023 amtierender Gesamtkonzernchef Miguel Lopez mit der EPH-Holding des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky über die Gründung eines Joint Ventures beim Stahl – bisher ohne Ergebnis.
Der Aufsichtsratsvorsitzende der Stahltochter TKS, der einstige SPD-Vorsitzende und Bundesaußenminister Sigmar Gabriel, hatte schon Ende Februar versucht, die Belegschaft auf Einschnitte vorzubereiten: TKS müsse zu einem Unternehmen werden, das sich „seine Investitionen selbst verdient und nicht immer wieder auf die Hilfe des Konzerns oder eines neuen Anteilseigners angewiesen ist“, erklärte Gabriel im Interview mit der Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ).
Nordrhein-Westfalens grüne Wirtschaftsministerin Mona Neubaur erklärte dagegen, Produktionskürzungen und drohender Arbeitsplatzabbau seien „eine enttäuschende Nachricht“ – schließlich unterstützen Bund und Land Thyssenkrupp bei der Umstellung auf klimaneutrale Produktion mit 2 Milliarden Euro. Allerdings: Die Umstellung eines einzigen Hochofens von Kokskohle auf grünen Wasserstoff kostet 3 Milliarden Euro – und allein im Duisburger Norden stehen davon vier. Dazu kommen zwei weitere Hochöfen im Duisburger Süden bei der Konzernbeteiligung Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM).
Transformation kostet 18 Milliarden Euro
Insgesamt dürfte die Umstellung damit also 18 Milliarden Euro kosten – Geld, das der Stahlkonzern nicht hat. Betriebsräte und Gewerkschaft bleiben dennoch kämpferisch: Für den 30. April haben sie zu einer Belegschaftsversammlung eingeladen – in der Arena des MSV Duisburg. „Wir erwarten einen Großteil der 27.000 Kolleginnen und Kollegen“, sagt Betriebsratschef Tekin Nasikkol – „und werden unseren Forderungen Nachdruck verleihen“.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit