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Kürzungen im Berliner LandeshaushaltKultursenator soll die Bühne verlassen

Der Berliner Kulturetat soll massiv gekürzt werden. Im Berliner Abgeordnetenhaus drängt die Opposition Joe Chialo (CDU) zum Rücktritt.

Kultursenator Joe Chialo (CDU) stand in der Finanzdebatte des Abgeordnetenhauses im Zentrum der Kritik Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Berlin taz | Jetzt ist es die Opposition, die kürzen will. Nicht im Haushalt, sondern im Senat. Es ist Donnerstagmorgen, das Abgeordnetenhaus diskutiert die jüngsten Kürzungen der schwarz-roten Koalition, und Linksfraktionschef Tobias Schulze fordert einen Rücktritt: „Wenn Sie keinen Plan haben, dann sollten Sie Platz machen für jemanden, der einen Plan hat.“ Der Adressat sitzt nur fünf Meter weg: Kultursenator Joe Chialo (CDU) ist es, den Schulze weghaben will. Auch die Grünen halten ihn für gescheitert.

Knapp 48 Stunden liegt zum Zeitpunkt der Debatte jene Pressekonferenz zurück, in der am Dienstag die führenden Köpfe von CDU und SPD darstellten, wie sie eine 3-Milliarden-Haushaltslücke füllen wollen. Passieren soll das über 2 Milliarden Euro schwere Kürzungen, Kredite, die mit der Schuldenbremse vereinbar sind, und zusätzliche Steuereinnahmen. Dabei verzichtete die Koalition darauf, Parkgebühren und das mit 10,20 Euro jährlich im Städtevergleich als äußerst billig geltende Anwohnerparken zu verteuern.

Weil sein Ressort rund 130 Millionen oder 12 Prozent des bisherigen Budgets einsparen soll, ist Chialo in die Kritik geraten, nicht genug oder gar nicht für die Berliner Kulturszene gekämpft zu haben. „Das haben die Berliner Kreativen nicht verdient. Man fragt sich schon: „Was machen Sie eigentlich beruflich?“, höhnt Grünen-Fraktionschef Werner Graf, der noch vor Schulze am Rednerpult steht.

Wobei seine Frage wiederum nicht sonderlich kreativ ist – auf diese Weise machte sich 2016 schon ein Piraten-Abgeordneter über den damaligen Innensenator Frank Henkel von der CDU lustig. Grafs Fazit lautet: „Es tut mir leid, Herr Chialo: Sie sind als Senator gescheitert.“

Finanzsenator verteidigt Chialo

Chialo kommt in dieser Rederunde nicht dran, Finanzsenator Stefan Evers (CDU) verteidigt die Kürzungen gegen die Kritik der Opposition. Wobei die bei der AfD anders ausfällt als bei Grünen und Linkspartei: Sie hat kein Problem mit deutlich weniger Geld in der Klima- und Verkehrspolitik und kritisiert stattdessen die als moderat geltende Erhöhung bei der Citytax und wenigen anderen Steuern.

Später, in der Fragestunde, wird Chialo sinngemäß sagen, dass auch der Kulturbereich seinen Beitrag fürs große Ganze leisten muss: „Es geht nicht nur um Einzelthemen.“ Der Finanzsenator hat ihn zu diesem Zeitpunkt schon etwas blumiger in Schutz genommen: „Ein guter Kultursenator ist kein Schutzheiliger des Status quo“, ist von Evers zu hören.

Mehrfach halten Redner der Koalition der Opposition vor, viel zu kritisieren, aber keine eigenen Vorschläge zu machen. Von den Grünen habe er zwar zum Geburtstag ein Reclam-Heftchen mit dem Titel „77 Tipps zur Steigerung der Staatseinnahmen“ bekommen, erzählt etwa Evers. Die aber datieren auf Aristoteles zurück und enthielten heute nicht mehr angesagte Maßnahmen wie Erpressung oder Hinrichtung verschwenderischer Politiker.

Die Linksfraktion allerdings hatte durchaus konkrete Vorschläge gemacht. Sie forderte etwa am 1. Oktober vor Journalisten unter anderem, Steueraußenstände in dreistelliger Millionenhöhe konsequenter einzutreiben und die Möglichkeit zu Krediten stärker auszunutzen.

Sprachlich auf dem Rummelplatz

Viele Zwischenrufe begleiten die Debatte, Beleidigungen bleiben aber aus. Als SPD-Fraktionschef Raed Saleh sagt: „Wir haben einfach nur unseren Job gemacht“, hallt ein „Aber schlecht!“ aus der Linksfraktion. Die Grünen sehen Berlin auf einer Achterbahnfahrt, bei der Schwarz-Rot die Bürger kopfüber hängen lässt. Der Finanzsenator bleibt beim Kontern sprachlich auf dem Rummelplatz: „Ich hätte mehr Angst vor grüner Geisterbahnpolitik.“

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6 Kommentare

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  • Was das Verhalten von Joe Chialo anbelangt, musste sein Slogan "Mozart war arm aber genial" (12/2023: nachtkritik.de/por...enator-joe-chialo) ebenso eine Vorwarnung sein, wie sein Ablenkungsmanöver im Hinblick auf die Zentral- und Landesbibliothek. Kein Charity-Milliardär gab 500 Mio für die Galeries Lafayette. Die „Großen“ unter den Vertreter*innen der Kulturinstitutionen erwecken allerdings den Eindruck, dass sie nur manchmal pro forma irgendwie „links“ sind und sich nicht ernsthaft für jene Lebensrealität interessieren, die auch mit ihren eigenen prekären Beschäftigungsverhältnissen einhergeht: Hartz IV und Existenzminimum dürfen die Beschäftigten manchmal auf der Bühne thematisieren. Und wenn sie – auf der Bühne stehend – auch im wirklichen Leben total am A. sind, erhöht das natürlich ihre „Authentizität“.



    Maßgeblich öffentlich finanzierte Theater hätten gut daran getan, sich ernsthaft – institutionell, nicht nur drittmittelfinanziert und/oder künstlerisch - mit der sozialen Frage in zunehmend libertären, von Rechtsextremismus geprägten Zeiten auseinanderzusetzen.

  • Man muss sich doch eher fragen, wie es zu einem derartigen Defizit kommen konnte, da sollten sich Grüne, Linke und SPD mal an die eigene Nase fassen und mal ganz ehrlich, die Kunstschaffenden werden staatlich überwiegend finanziert, es mag nicht schön sein, da Sparen bzw. Verzicht zu üben, aber es rechtfertigt keine neuen Schulden.Viel gravierender sind da strukturelle Einsparungen z. B. Brücken oder Investionen in die BVG.

  • Ein Kultursenator, der die massive und ungerechtfertigte Kürzung seines eigenen Etats befürwortet ist letztendlich nicht tragbar.Da war Herr Lederer von den Linken ein ganz anderes Kaliber.Schade um ihn.

  • Der Finanzsenator ganz auf Linie der Bundes-Schwarzen ein bisl Söderesk... tolles Oberhaus, aber auch typisch mein Berlin. Dass die SPD sowas mitmacht ist irgendwie komisch, bestätigt aber auch lang gehegte Befürchtungen...



    Der Ciaglo, hab ich jetzt mehrfach und unabhängig jedweder politischen Ausrichtung der jeweilgen Gazette gelesen, scheint echt ein wenig überfordert...

  • "Steueraußenstände in dreistelliger Millionenhöhe konsequenter einzutreiben und die Möglichkeit zu Krediten stärker auszunutzen."

    Genau wegen solcher Vorschläge bin ich doch sehr froh, dass die Linken nicht mehr im Senat sind. Selbst wenn die Steueraußenstände in dieser Höhe bestehen sollten, handelt es sich dabei im Wesentlichen um Bundessteuern. Der Landesetat hätte davon kaum etwas. Und Schulden machen ist halt klassisches linkes Denken. Auch das hat Grenzen (Stichwort Schuldenbremse).

  • Auf der Demonstration gegen die drohenden Kürzungen am vergangenen Mittwoch meinte der Kultursenator noch, von der Kundgebung gehe ein starkes Zeichen aus, um bei den anstehenden Verhandlungen ein "besseres" Ergebnis zu erzielen. Damals stand das Schreckgespenst einer 10%-Kürzung im Raum - geworden sind es jetzt 12%. Keine gute Bilanz, Herr Chialo.