Künstler Peter Blake über Pop-Art: „Meine Kunst war nie politisch“
Der britische Künstler Peter Blake ist einer der Begründer der Pop-Art. Auch für ein Beatles-Plattencover ist er mitverantwortlich.
taz am wochenende: Herr Blake, wie sind Sie ursprünglich mit Kunst in Berührung gekommen?
Peter Blake: Im Zweiten Weltkrieg wurden wir evakuiert. Ich bin nach dem Krieg beim Aufnahmetest am Gymnasium durchgefallen. Es gab aber noch eine technische Oberschule, das Gravesend Technical College. Und da mein Vater Elektriker war, dachte ich, ich würde seinen Fußstapfen folgen und ebenfalls Elektriker oder Maurer werden. Die technische Oberschule hatte jedoch einen Kunstzweig. Und beim Aufnahmegespräch durfte ich eine Zeichenübung machen, und man nahm mich für den Kunstbereich an. Das war also Zufall.
Und wie haben Sie dann später die Pop-Art mit entwickelt?
Mein autobiografischer Weg zur Pop-Art war wie folgt: In der Kunstschule versuchte ich tagsüber, Kultur, Klassik und Kunst kennenzulernen. Doch am Abend war ich vor allem wieder ein Junge aus der Arbeiterklasse. Und der ging zum Fußball oder zum Wrestling und hörte Popmusik. An der Uni hatte man sich zwischen den „schönen Künsten“ und den angewandten, den „kommerziellen Künsten“, zu entscheiden. Ich wollte die schönen Künste wählen. Aber meine Lehrer rieten mir dazu, Werbezeichner zu werden, damit ich davon auch leben könnte. Als ich mich später am Royal College of Arts einschrieb, hatte ich diesen Hintergrund als Werbemaler, mit Kenntnissen in Typografie und Lettering. Mein Interesse an Populärkultur sowie meine Herkunft aus der Arbeiterklasse haben mich zum Pop-Art-Künstler werden lassen.
Was faszinierte Sie an Collagetechniken?
Ich lernte jemanden kennen, dessen Onkel und Tante mit Kurt Schwitters befreundet waren. Er zeigte mir ein paar Werke des früheren Dadaisten Schwitters. Damals verstand ich zum ersten Mal, dass man Kunst aus Abfall machen kann. Die Idee, dass ein Bild aus einem Holzstück, einem Busticket und einem Stück Papier bestehen kann, faszinierte mich. Das war 1954, damals machte ich meine erste Collage.
Und diese Technik ließ Sie nie mehr los?
Ich stelle ja ganz unterschiedliche Collagen her, neue Szenerien aus bestehenden Bildern zum Beispiel. Wenn ich ein Gemälde aus dem 19. Jahrhundert mit einem Bild von mir selbst kombiniere, ist es so, als ob man sich dort trifft und miteinander spricht. Zudem verwende ich oft Abfall. Eine Serie, an der ich arbeite, heißt „Memories of Place“. Wenn ich einen Tagesausflug mache, etwa in eine Küstenstadt, sammle ich am Strand Dinge nach bestimmten Regeln: Ich nehme nur mit, was ich später auch benutze. Der Prozess des Sammelns bestimmt so auch die Größe der Collage. Suche ich drei Stücke Treibholz aus oder nur eines, oder entscheide ich mich für ein Stück Plastikmüll? Das Herstellen von Collagen ähnelt dem Malen von Bildern, auch wenn man fertige Materialien und Formen dafür benutzt.
Ihre Werke sind also ein Mix aus Neugier, Kreativität und Zufall?
Der Zufall lässt einen schließlich zu einer bestimmten Zeit am Strand sein. Das ist ein wichtiger Punkt.
Waren Sie denn immer damit zufrieden, ein Pop-Art-Künstler genannt zu werden?
Ja, das habe ich immer akzeptiert. Meine eigene Theorie über die Entstehung dieses Begriffs geht auf einen englischen Kritiker zurück, Lawrence Alloway. Er war der Mentor einer Gruppe junger Studenten, zu denen auch ich gehörte. Bei einem Abendessen mit ihm sprachen wir darüber, was wir gern erreichen wollten. Ich sagte: Wenn ich ein Bild mit Elvis Presley mache, soll man es genauso wahrnehmen, wie man die Musik von Elvis wahrnehmen würde. Ein junger Elvis-Fan würde mein Bild also als Fan lesen. Lawrence sagte: Sozusagen als Pop-Art! Außerdem wollte ich, dass meine Kunst „populistisch“ im besten Sinne des Wortes ist. Menschen wie ich, aus der Arbeiterklasse, sollten sie verstehen und genießen, was ich tue. Und das dritte Element war, dass mich Populärkultur faszinierte.
Sie haben also Bilder von Marilyn Monroe genommen, weil sie so bekannt war?
Sie war das größte Idol, das es gab, genauso wie Elvis für die Musik. Von anderen wie Kim Novak war ich einfach Fan, darum integrierte ich sie in meine Bilder.
Sir Peter, geb. 1932 in Dartford, Grafschaft Kent, England. Trug maßgeblich zur Entstehung und Entfaltung der internationalen Pop-Art-Bewegung in der Kunst bei, insbesondere in Großbritannien. Eine seiner bekanntesten Collagen entwickelte er 1967 zusammen mit seiner damaligen Frau Jann Haworth für das Beatles-Album „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“. Ausstellung seiner Werke: bis 2. März in Berlin in The Browse Gallery
Bis heute entwerfen Sie „Hommagen“ an Künstler wie Kurt Schwitters, Robert Rauschenberg oder auc h Damien Hirst, warum?
Ich wurde von Robert Rauschenberg und Jasper Johns beeinflusst, die Anfang der 1950er in den USA Pop-Art machten. Später gab es Andy Warhol, Tom Wesselmann, Roy Lichtenstein – das war aber schon die zweite Welle. Auch in Großbritannien gab es eine zweite Welle, mit David Hockney, Derek Boshier und Pauline Boty. Diese zweite Generation hat mich nicht mehr beeinflusst. Ich habe zum Beispiel noch vor Andy Warhol eine dreidimensionale Box gemacht, die leider verloren gegangen ist. Aber ich habe schon damals jede Menge Anleihen beim Comic in meine Arbeiten integriert, die Justice Leage beispielsweise, oder Superman.
Können wir auch ganz kurz über das Sgt.-Pepper-Cover reden?
Wenn es sein muss … Die Beatles sah ich zum ersten Mal 1963, als sie als Vorband für Billy Fury auftraten, bei einer Probe für eine Fernsehshow. Sie spielten nur einen Song. Ich saß allein im leeren Zuschauerraum, nach der Probe setzten sie sich zufällig neben mich, um Interviews zu geben. So lernten wir uns kennen – aber sie wussten schon, dass ich Künstler war.
Wie stark war die Verbindung der Beatles zu Kunst?
Es gab jede Menge Verbindungen zwischen der Musik- und der Kunstszene. Damals hatte fast jede Beatband einen Kunststudenten – John Lennon bei den Beatles, Pete Townshend bei The Who. John und Paul interessierten sich beide immer sehr für Kunst. Sie suchten zusammen die Sgt.-Pepper-Figuren aus. Paul hat auch eine fantastische Kunstsammlung. Er ließ sich von dem Kunsthändler Robert Frasier beraten.
Muss Kunst politisch sein?
Nein, mein Motto war immer, die Politik aus der Kunst herauszuhalten, weil sie sonst langweilig wird. Meine Kunst war noch nie politisch.
Aber sie beschreibt schon einen gesellschaftlichen Zustand, indem sie zum Beispiel Ikonen einer bestimmten Zeit integriert …?
Ja, es gibt bestimmt einen Platz für Politik in der Kunst, aber mich interessiert Politik nicht.
Trennen Sie zwischen Person und Werk – etwa wenn einem Künstler Missbrauchsvorwürfe gemacht werden?
Wie bei dem Künstler Rolf Harris zum Beispiel? Ich musste das glücklicherweise noch nie tun. Ich glaube aber, wenn so etwas herauskommt, ändert das Ihre Einstellung zu dem Künstler – nicht aber zu seiner Kunst.
Würden Sie die Kunst eines solchen Künstlers noch schätzen können?
Es käme drauf an. Jemand wie Picasso, der Frauen unmöglich behandelt hat, ist darum kein schlechterer Künstler. Ich verurteile, was er tat – aber es mindert ihn nicht als Künstler.
Sie haben vor einigen Jahren Stoffe für Stella McCartney designt – wie viel künstlerische Freiheit hat sie Ihnen dabei gelassen?
Alles, was ich mache, ist selbstbestimmt. Aber ich habe mich beraten lassen, und sie wusste ja, wieso sie mich gefragt hat. Ich würde also nicht gegen sie arbeiten, sondern mit ihr.
Welche Ausstellung haben Sie selbst als letzte gesehen?
In der National Gallery habe ich vor zwei Wochen, interessanterweise kam das wieder über Paul [McCartney], eine Privatbegehung von Edward Landseer mitgemacht, der „The Monarch of the Glen“ gemalt hat, diesen großen Hirsch. Die Geschichte dahinter ist, dass Paul 1964 schon mal ein Bild von mir haben wollte. Wir redeten über Inhalte, und ich fragte ihn, was auf seinem letzten gekauften Bild zu sehen ist. Er sagte „The Mull of Kintyre“, ein Bild mit Vieh im schottischem Hochland. Ich sagte: Dann mal ich dir am besten einen hübschen Hirsch, der dazu passt.
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