piwik no script img

Kritikerin über Netanjahu-Besuch„Sie machen mich zur Staatsfeindin“

Die Professorin Rivka Feldhay sollte mit Benjamin Netanjahu und Angela Merkel sprechen. Doch Israel lud die Kritikerin der Politik im Westjordanland wieder aus.

Kritisierte Besatzung: Israel schottet sich mit einer Mauer vom Westjordanland ab. Bild: dapd
Interview von Susanne Knaul

taz: Frau Professorin Feldhay, Sie waren zu einem Gespräch am runden Tisch mit Regierungschef Benjamin Netanjahu, Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie israelischen und deutschen Akademikern eingeladen. Was ist passiert?

Rivka Feldhay: Am Mittwoch früh rief die deutsche Botschaft in Tel Aviv bei mir an und teilte mir mit, dass sie es sehr bedauerten, aber General Jakob Amidror, Chef des Nationalen Sicherheitsrats, habe meine Teilnahme verboten.

Mit welcher Begründung?

Es hieß, ich sei zu kritisch gegenüber der Regierungspolitik, was sehr richtig ist. Ich schreibe seit Jahren gegen die Besatzung und kämpfe gegen die Verletzung internationalen Rechts. Amidror beschuldigte mich speziell der Aufwiegelung israelischer Piloten. Ich hätte sie zur Befehlsverweigerung bei Operationen in den besetzten Gebieten aufgehetzt. So etwas hat es nie gegeben. Kritik ja. Amidror und Netanjahu können nicht unterscheiden zwischen Regierungskritikern und Staatsfeinden. Sie haben mich zur Staatsfeindin gemacht.

Der Chef der linken Meretz-Partei Sahava Galon zog einen Vergleich mit der McCarthy-Ära der 1950er Jahre in den USA. Halten Sie das für angemessen?

Absolut. Ich denke, wir befinden uns an einem gefährlichen Punkt für die israelische Demokratie. Ich glaube aber auch, dass die demokratischen Kräfte in Israel stärker sind. Der Protest geht durch alle liberalen Parteien. Auch meine Kollegen signalisieren mir Rückendeckung, und Kanzlerin Merkel schickte mir einen persönlichen Gruß. Es ist allen klar, dass hier etwas passiert ist, was nicht hätte passieren dürfen.

RIVKA FELDHAY

geboren 1947, ist Professorin für Geschichte an der israelischen Universität Tel Aviv. Sie ist Vorsitzende des Minerva-Zentrums für Menschenrechte in Tel Aviv.

Die Zeitung „Jediot Ahronot“ kommentierte gestern, dass Israel die diplomatische „Minikrise“ überstehen wird. Glauben Sie das auch?

Ich kann nicht sagen, ob es eine Krise gibt oder nicht, aber ich hoffe, dass es ausreichend kriselt, damit sich die Köpfe der Nationalen Sicherheit nicht länger damit beschäftigen, Regierungskritiker zu jagen, die vor Jahren eine Petition unterschrieben haben.

Glauben Sie, dass es sich die israelische Regierung erlauben kann, den diplomatischen Bogen noch stärker zu spannen?

Ich bin seit Langem der Überzeugung, dass dieses eklatante Verhalten dem internationalen Recht gegenüber und allem, was unter aufgeklärten Nationen üblich ist, unerträglich ist. Ob es eine Krise gibt, kann ich nicht voraussagen.

Israel steht vor den Wahlen. Wohin geht die Reise?

Es sieht so aus, dass die Rechte gewinnen wird. Viele denken, das sei ein Urteil des Himmels. Ich persönlich glaube nicht an himmlische Urteile, schon gar nicht, wenn die Sprache auf die Politik kommt. Am Ende werden die demokratischen Kräfte siegen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • M
    Marco

    Wäre ich Israel würde ich Antisemitsche HasspropagandistInnen auch als StaatsfeindInnen einstufen.

  • S
    SomaRiot

    @maoam: Ist Ihnen das nicht peinlich? Als nach eigenem Selbstverständnis vermutlich "Linker" meinen Sie, Avigdor Lieberman damit diffamieren zu müssen, dass er es vom Proleten zum Außenminister gebracht hat?

     

    Dankenswerterweise geben Sie ein Beispiel dafür, dass den Antizionisten kein Argument zu doof, zu widersprüchlich, zu falsch ist, um es nicht gegen Israel einsetzen zu können. Womit sich bestätigt, dass sich Ihre Haltung nicht auf Erkenntnis, sondern auf Ressentiment gründet.

  • LK
    Lenning Köstler

    Die dümmste Regierung der Welt

     

    Wenn jemand lernen möchte, wie man sich vollkommen isoliert, kann er bei Netanjahu in die Schule gehen.

     

    Die gemeinsamen Kabinettssitzungen mit der deutschen Regieungwaren seit langem geplant, und, ach wie gerne, hätte seine beste Freundin Angela Merkel wieder eine gemeinsame Erklärung zur "iranischen Bedrohung" abgegeben, seine "Anstrengungen im Friedensprozess" gelobt etc..

     

    Dass daraus nichts wurde, liegt sicher nicht an der fehlenden Bereitschaft der deutschen Kanzlerin. Netanjahu gibt auch den treuesten Israelunterstützern einfach keine Gelegenheit mehr, etwas an seiner Politik zu loben. Eine Koexistenz mit den Palästinensern ist weiterhin nicht vorgesehen; über dasn, was dann mit den Palästinensern geschehen soll, kann sich jeder seine eigenen Vorstellungen machen. So blieb es bei Merkels dünnem "Wir sind uns einig, das wir uns nicht einig sind", womit sie freundlicherweise offen läßt, wer von beiden unrecht hat.

     

    Zu allem Überfluss zeigte Netanjahu auch gleich, wie man bei ihm mit linken Gutmenschen umgeht, und befahl seiner Gastgeberin, einen anderen, ihm nicht genehmen, Gast wieder auszuladen, was Merkel dann auch noch tat.

     

    Außenminister Liebermann verzichtete gleich auf eine er seltenen Gelegenheiten, überhaupt einmal ins Ausland zu kommen - sonst lädt ihn ja niemand ein. Wahrscheinlich bereitet er sich schon auf seine Amt als Verteidigungsminister vor, das er nach den Neuwahlen erhalten wird. Damit ist er dann auch für die "Verwaltung" der besetzten Gebiete zuständig. Für die Palästinenser wird es dann noch schlimmer kommen.

  • H
    Harald

    "Kritisierte Besatzung: Israel schottet sich mit einer Mauer vom Westjordanland ab."

    Warum noch gleich wurde diese Mauer errichtet?

    Was kann seither nicht mehr passieren/passieren?

     

     

    Öffentlich ausgetragene, taffe politische Auseinandersetzungen sind in Israel an der Tagesordnung. Das liegt an der dort üblichen, politischen Kultur.

     

    Die Selbststilisierung Frau Professors zur 'gejagten Staatsfeindin' mag dem Zweck dienen, die eigene Bedeutung erhöhend einzuordnen. Gleichzeitig, unausgesprochen kommunizierend, will sie damit die Kategorie 'gejagter Staatsfeind' verharmlosen, die in Israel, wie in allen Demokratien, politischen Gewalttätern und Terroristen vorbehalten ist.

     

    Denn würde Frau Professor tatsächlich behandelt werden wie eine 'gejagte Staatsfeindin', hätte sie dem konkrete Taten vorausgehen lassen müssen, von denen sie annehmen könnte: " ... dass dieses eklatante Verhalten dem internationalen Recht gegenüber und allem, was unter aufgeklärten Nationen üblich ist, unerträglich ist."

  • M
    mehrdad

    ist schon komisch, dass die linke in deutschland sich langsam der taktik der neonazis in sachen israelhass angleicht.

     

    da gibt es einen winzigen pool von ein handvoll selbsthassende juden und israelis, die innerhalb israels und desjudentums eine verschwindend kleine midnerheit bilden, aber von den linken immer als israelische stimme rangezogen werden. avnery, primor...usw. die liste ist kurz.

     

    die linke in israel ist tot. findet euch damit ab, statt zu hyperventilieren. israelis wollen sicherheit und nicht irgendwelche linke gutmenschen, die deren sicherheit verschenken für "arabische garantien" oder gar "un garantien".

  • M
    maoam

    07.12.2012 00:12 Uhr

    von Serapio:

     

    "Wenn Frau Professor Feldhay (Anglizistin und damit perfekt ausgebildet in politischen Fragen...) schon selber einsieht, dass sie "zu kritisch" sei, warum beschwert sie sich dann? Und mal so nebenbei gefragt, wie steht sie zur Hamas?"

     

    Wie stehen SIE zu den Palästinensern? Ich vermute in ihrem Weltbild sind Palästinenser nicht existent.

     

    Anerkennung, Existenzrecht. Da war doch was.

     

    @Uggaaaaaah,

     

    "...auch wenn dabei der lezte israeli draufgeht, natürlich

    nur für den "frieden"!"

     

     

    "Freunde" Israels:

     

    Politik der Aggression tötet. Warum befürwortet man sie dennoch, wenn man weiß, das es Tote (natürlich auf beiden Seiten) geben wird?

    Zudem ermorden Ultra-Nationalisten auch ihr eigenes Volk und Ministerpräsidenten. Jitzhak Rabin, schon mal gehört?

     

    Man braucht nicht nach Russland gehen, für einen Vergleich. Den viele Russen sind nach Israel eingewandert, in den 90ern. So auch Avigdor Liebermann. Vom Proleten zum Außenminister.

     

     

     

    Anm. d. Red.: Wir haben den Kommentar von Uggaaaaaah nachträglich gelöscht.

  • M
    max

    Gute Frau. Wer den Rechten auch dann noch die Stirn bietet, wenn diese Mehrheitsmeinung sind und dem Diskurs ihre Handschrift aufgedrückt haben, kann nur richtig liegen.

    Ich empfinde es als Hoffnung gebend, dass sie noch den Glauben an den Sieg der Demokratie über die Reaktion in Israel hat.

  • W
    W.Behr

    Die durch Netanjahus angekündigten Siedlungsbau und die folgenden trotzigen Äusserungen geförderte Zuspitzung der Lage in Israel/Palästina hat zu scheinbar scharfen Reaktionen westlicher Staaten geführt. Das ist schon seit vielen Jahren nichts als Maskerade und Heuchelei, denn es führt ja nicht zu wirksamen Sanktionen. Netanjahu würde niemals eine solche Brüskierung der internationalen Gemeinschaft wagen, wenn nicht zwei von der Israellobby gesteuerte mächtige Staaten hinter ihm stehen würden: die USA und Deutschland. Israel ist nun einmal für die westliche Allianz ein geostrategisch wichtiger Brückenkopf im Nahen Osten, insbesondere wegen des möglichen Krieges gegen den Iran und wegen der Nähe begehrter Bodenschätze. Da drückt man nicht nur allzu gern die Augen zu, sondern belohnt Israel noch durch günstige Handelsverträge mit der EU und mit gesteigerten Lieferungen von Kriegsmaterial.

    Netanjahus Ankündigungen zeigen übrigens keine überraschende Trotzhaltung sondern führen das seit Jahrzehnten bestens dokumentierte Programm des Zionismus konsequent weiter, ganz Palästina, wenn möglich ohne Palästinenser, zu kolonisieren.

  • KS
    Kritische Stimme

    Also kann Netanjahu ruhig weiterbauen im Palestinenserland.

    Alles in guter Freundschaft mit Frau Merkel,beim Besuch wird es erwaehnt aber die gute Freundschaft bleibt.Vielleicht bekommt Israel noch ein Paar Subventionen+Handelsvertaege und zum Schluss noch ein Paar gratis Waffen um die Palestinenser weiter zu unterdruecken.Weiter ist es warten auf den Kriegsausbruch

  • K
    Kühlschrank

    Richtig, es gibt nur noch ein paar Maximen dieser Welt.

     

    Da die allgemeine Intelligenz ja abnimmt, wird vereinfacht.

     

    Wer zu kritisch ist, soll sein freches Maul halten, sonst wird er kalt gestellt.

     

    Und in der Kunst der Kalt Stellung ist auch nicht mehr viel Intelligenz vorhanden. Wie man sieht.

  • KK
    Karl K

    Was für eine Frau!

     

    Knochentrocken engagiert mit Herz.

    In dem gelebten Wissen - die Hoffnung stirbt zuletzt!

    …masseltoff !

  • S
    Serapio

    Wenn Frau Professor Feldhay (Anglizistin und damit perfekt ausgebildet in politischen Fragen...) schon selber einsieht, dass sie "zu kritisch" sei, warum beschwert sie sich dann? Und mal so nebenbei gefragt, wie steht sie zur Hamas?

  • IM
    Inge Mertes

    Ich bin vollkommen der Meinung von Frau Feldhay. Leider ist es so, dass durch das Stillhalten der internationalen Mächte sich Israel so weit vorwagen konnte. Dies hätte die internationale Weltgemeinschaft (in erster Linie auch Frau Merkel) schon wesentlich früher zu einem energischen Stop aufgerufen, wären die Menschenrechtsverletzungen, der Rassismus und die Landnahme (nennen wir es ruhig beim Namen: Landklau) und damit die Bebauung des widerrechtlich angeeignetem Länder nicht dieses Ausmaß erreicht.

    Ich sehe keine Möglichkeit (auch völkerrechtlich) die Siedlungen aufzulösen. Ich sehe keine Möglichkeiten zu einem einzigen Staat für Israelis und Palästinenser (Israel wid nie zustimmen). Leider! Insofern wird es nie Frieden geben. Die gegenseitigen Angriffe werden fortgesetzt werden. Leider! Ein jeder hätte sich ganz einfach über den Plan D (Dalet) informieren können: im Internet googeln oder das Buch von Ilan Pape:"Die ethnische Säuberung" lesen können.

    Ist es wirklich so, dass die Zivilgesellschaft besser informiert ist ales unsere Politiker?

  • H
    HHanseat

    Naja. Zu Zeiten des Kanzlers Helmut Kohl wurde

    Fr.Prof.Rita Süßmuth auch dauernd ausgeladen. Staatsfeindin war sie deshalb noch lange nicht. Kohl hatte einfach nur keinen Bock auf ihr rechthaberisches Gefasel. Hier wird der Fall ähnlich liegen.