Kritik nach Schröder-Bespitzelung: Zielperson Schröder
Angela Merkels Handy war nicht das erste, das für den US-Geheimdienst von Interesse war. Ebenfalls wenig überraschend wird erneut nach Aufklärung gerufen.
BERLIN taz | Nachdem bekannt wurde, dass auch das Handy des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) durch den US-Geheimdienst NSA ausgespäht wurde, reagiert die Bundesregierung mit Groll.
Er sei nicht erstaunt über die NSA-Spionage, sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Mittwochnachmittag. Schon länger habe er vermutet, dass die Abhöraktionen des US-Geheimdienstes bereits vor längerer Zeit begonnen hätten. Man werde die USA weiter darauf hinweisen, dass ein solches Vorgehen zwischen Freunden nicht gehe, so Steinmeier.
Auch Justizminister Heiko Maas (SPD) zeigte sich verärgert. „Der Schutz der Sicherheit darf kein Deckmantel sein“, //twitter.com/bmjfv:ließ er twittern. Wenn die USA Kanzlerhandys abhörten, sei dies jedenfalls kein Beitrag zum Schutz vor Terror.
Schon im Oktober hatten New York Times und Bild berichtet, dass nicht nur das Handy von Angela Merkel (CDU), sondern auch das ihres Vorgängers Gerhard Schröder angezapft wurde. Nun legten Süddeutsche und NDR nach. Spätestens seit 2002 habe Schröder unter der Nummer „388“ auf der Überwachungsliste der NSA gestanden, berichteten beide Medien. Grund sei dessen Ablehnung einer Irak-Invasion gewesen, werden NSA-Insider zitiert. Erfasst wurden nicht nur Verbindungsdaten, sondern auch Inhalte von Telefonaten und SMS.
Die Enthüllung beruht auf der Neuinterpretation des Snowden-Papiers, mit dem im Herbst die Merkel-Abhörung bekannt wurde. Laut NSA-Kennern richtete sich die Aktion nicht gegen konkrete Personen, sondern gegen deren Funktionen, also die jeweiligen Regierungschefs. Warum genau Merkel abgehört wurde, beantwortet die NSA bis heute nicht. US-Präsident Barack Obama versicherte nur, dass Merkels Handy nicht mehr ausgeforscht werde.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Mittwoch, das Kanzleramt habe keine eigenen Erkenntnisse zu dem Schröder-Vorgang. Es gehe in den derzeitigen Gesprächen mit den USA aber weniger um Regierungschefs als um den Schutz der Bürgerrechte und um Vertrauen in die transatlantische Partnerschaft.
Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele, der im Oktober Snowden besucht hatte, sagte, er könne bestätigen, dass Schröder „und vermutlich auch andere aus der damaligen rot-grünen Bundesregierung“ abgehört wurden. Konkret nannte Ströbele Ex-Außenminister Joschka Fischer.
Bleibt die Frage: Was folgt? Ein No-Spy-Abkommen mit den USA hält selbst die Bundesregierung inzwischen für unrealistisch. Auch beim geplanten NSA-Untersuchungsausschuss im Bundestag behakeln sich Opposition und Koalition über den genauen Auftrag. Offen ist, wie weit die Mitverantwortung der letzten Bundesregierungen aufgearbeitet werden soll.
Der SPD-Innenexperte Michael Hartmann sagte, „es verwundert doch in Wirklichkeit kaum noch, dass die NSA auch Kanzler Schröder ins Visier genommen hatte“. Hartmann forderte, die deutsche Spionageabwehr „schnellstens besser und unabhängiger“ zu machen. Auch müsse Deutschland eigenständig Informationen erheben und seine Kommunikation selbst sichern - ohne Unternehmen, die mit den USA "verbandelt" seien.
Auch der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums Clemens Binninger (CDU) zeigte sich enttäuscht. „Der Verlust an Vertrauen wird immer größer“. Das Informationsverhalten der USA nannte Binninger „in jeder Hinsicht unzureichend“. Er forderte weiter ein „verlässliches Abkommen“, um weitere Spionagefälle zu verhindern..
Auch die Bundesanwaltschaft, die seit Monaten die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens in Sachen NSA prüft, befasst sich mit der Schröder-Abhörung. Eine Sprecherin sagte, die aktuelle Berichterstattung werde in die Prüfung einbezogen.
Und Schröder? Der lässt sich zitieren, er sei damals nicht auf die Idee gekommen, von den USA überwacht zu werden. „Jetzt überrascht mich das nicht mehr.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge