Kritik an neuer Verteidigungsministerin: Gift und Galle für AKK
Annegret Kramp-Karrenbauer will ihr neues Amt mit „voller Überzeugung“ führen. Bei der Opposition stößt die Personalie dennoch auf derbe Ablehnung.
So schnell kann’s gehen. In einer zehnminütigen Zeremonie im Schloss Bellevue erhielt am späten Mittwochvormittag die bisherige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ihre Entlassungs- und Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer die Ernennungsurkunde. „Das ist ein besonderer Tag“, sagte die CDU-Vorsitzende in einem kurzen Statement. Sie gehe an ihre neue Aufgabe „mit einem hohen Respekt“, „mit vollem Herzen“ und „voller Überzeugung“. Auch sei sie sich der „hohen Verantwortung“ bewusst, versicherte Kramp-Karrenbauer.
Ihre Nominierung hatte am Dienstagabend für eine große Überraschung gesorgt. Denn bislang hatte sie stets den Eindruck vermittelt, einen Eintritt ins Bundeskabinett abzulehnen.
Sie habe sich „bewusst entschieden, aus einem Staatsamt in ein Parteiamt zu wechseln“, sagte die frühere saarländische Ministerpräsidentin noch Anfang des Monats auf die entsprechende Frage einer großen Boulevardzeitung. Es gäbe in der CDU „viel zu tun“. Auch ist Kramp-Karrenbauer verteidigungspolitisch bislang kaum in Erscheinung getreten.
Bei der Opposition stößt die Personalie denn auch auf derbe Ablehnung. Ihre Berufung sei „eine Zumutung für die Truppe und für unsere Nato-Partner“, ereiferte sich FDP-Vizefraktionschef Alexander Graf Lambsdorff. Die 56-jährige Saarländerin sei für ihren neuen Posten „völlig ungeeignet“, empörte sich auch der verteidigungspolitische Sprecher der Linksfraktion, Tobias Pflüger: „Hier paaren sich Inkompetenz und Aufrüstungswillen, ein gefährliches Gemisch.“
Demgegenüber zeigte sich die AfD äußerst besorgt darüber, dass Kramp-Karrenbauer „jeglicher Bezug zum Militär“ fehle, wie der Bundestagsabgeordnete Rüdiger Lucassen beklagte. Der rheinland-pfälzische AfD-Landtagsfraktionsvorsitzende Uwe Junge, ein ehemaliger Berufssoldat, twitterte gar erregt: „Wann kommt endlich der Aufstand der Generäle?“
„Das hat die Bundeswehr nicht verdient“
Temperierter äußerten sich die Grünen. „Im Verteidigungsressort liegt vieles im Argen und es gibt eine Reihe von großen Baustellen“, sagte Bundestagsfraktionsvize Agnieszka Brugger. Kramp-Karrenbauer müsse „mehr darauf achten, die Soldaten und Soldatinnen wieder mitzunehmen“ – ein unverhohlener Seitenhieb auf Vorgängerin von der Leyen.
Auch in den Reihen des Koalitionspartners fielen die Reaktionen nicht gerade euphorisch aus. „Das hat die Bundeswehr nicht verdient“, twitterte der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs. Außerdem spöttelte er: „Ob jetzt der Flugzeugträger ‚Helmut Schmidt‘ kommt?“
Damit spielte der Sprecher des Seeheimer Kreises auf einen höchst kostspieligen und entsprechend umstrittenen Vorschlag an, den die CDU-Chefin im März Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron in der Welt unterbreitet hatte: Deutschland und Frankreich könnten doch „mit dem symbolischen Projekt des Baus eines gemeinsamen europäischen Flugzeugträgers beginnen, um der globalen Rolle der Europäischen Union als Sicherheits- und Friedensmacht Ausdruck zu verleihen“.
Erwartungsgemäß Unterstützung kommt hingegen aus der Union. Als „ein gutes Signal“ bezeichnete der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Henning Otte, Kramp-Karrenbauers Amtsübernahme. „Damit ist klar: Für die Union ist die Bundeswehr Chefsache.“ Der CSU-Chef Markus Söder sprach von einer starken Entscheidung. Als Parteivorsitzende sei sie mit „der Wucht ausgestattet, Dinge voranzubringen“.
Kramp-Karrenbauer ist erst die zweite Frau an der Spitze des Verteidigungsressorts. Wie Ursula von der Leyen und vier ihrer insgesamt sechzehn Vorgänger hat sie nicht „gedient“ – wobei sieben Verteidigungsminister ihre militärischen Erfahrungen allerdings nicht bei der Bundeswehr, sondern während der Nazizeit in der Wehrmacht sammelten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen