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Kritik an Russlands Renten-ReformNawalny erneut festgenommen

30 Tage saß er in Haft – und rief dennoch zu weiteren Demonstrationen auf. Nun ist Kreml-Kritiker Alexej Nawalny gleich wieder abgeführt worden.

Raus-rein: Alexej Nawalny Foto: ap

Moskau dpa | Der Kremlkritiker Alexej Nawalny ist am Montag kurz nach seiner Entlassung aus einem Gefängnis erneut festgenommen worden. Er sei noch am Ausgang von Polizisten abgeführt worden, teilte seine Sprecherin über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. „Das ist erstaunlich.“ Normalerweise geschehe so etwas heimlich. Russlands führender Oppositioneller hatte zuvor 30 Tage in Haft gesessen. Er war in der Vergangenheit mehrfach festgenommen worden.

Nawalny war erst Ende August von einem Gericht zu einer 30-tägigen Arreststrafe verurteilt worden, weil er nach Ansicht der Richter bei den Organisationen landesweiter Demonstrationen im Januar gegen das Gesetz verstoßen hat. Er saß somit auch während der Gouverneurswahlen in vielen Regionen des Landes und der Bürgermeisterwahl in Moskau Anfang September. Damit wollten die Behörden offenbar verhindern, dass er erneut zu Demonstrationen aufruft.

Der Korruptionsbekämpfer hatte dennoch zu Protesten gegen die geplante Erhöhung des Rentenalters aufgerufen, über die viele Russen massiv verärgert sind. Nawalny gilt als wichtigster Kritiker von Präsident Wladimir Putin.

Am Samstag haben rund 3.000 Menschen in Moskau gegen die geplante Rentenreform protestiert. Die Proteste wurden von der Kommunistischen Partei angeführt. Mit Slogans wie „Feind des Volkes“ und „Schande“ zogen sie durch das Stadtzentrum. Bei verbotenen Demonstrationen gegen die Rentenreform, zu denen Nawalny aufgerufen hatte, waren Anfang des Monats hunderte Menschen festgenommen worden.

Massive Proteste gegen Rentenreform

Die am ersten Tag der Fußballweltmeisterschaft von Ministerpräsident Dmitri Medwedew verkündeten Rentenpläne sahen ursprünglich vor, das Renteneintrittsalter bei Frauen schrittweise von 55 auf 63 Jahre und bei Männern von 60 auf 65 Jahre anzuheben. Nach anhaltenden Protesten und einem massiven Umfrageeinbruch für Präsident Wladimir Putin milderte der Staatschef die Pläne leicht ab: Für Frauen soll das Renteneintrittsalter nun um fünf statt acht Jahre angehoben werden.

Es ist die erste Anhebung des Rentenalters in Russland seit fast 90 Jahren. Sie dürfte dazu führen, dass viele Männer kaum mehr den Renteneintritt erleben – sie werden im Durchschnitt nur 65 Jahre alt.

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3 Kommentare

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  • „Nawalny erneut festgenommen“



    Da im Beitrag nur Vermutungen über die Gründe enthalten sind, hoffte ich von Putins deutschsprachigem Propagandaorgan „SputnikNews“ mehr zu erfahren. Fehlanzeige! Die letzte Meldung, Nawalny betreffend, ist vom 11. November. Aber die hat es in sich! Titel: „Nationalgarde-Chef will aus Putin-Kritiker Nawalny ‚Frikassee machen‘“ de.sputniknews.com...-frikassee-machen/



    Der besagte Frikassierer, Viktor Solotow, gesteht zwar Korruptionsprobleme bei der Nationalgarde ein, fühlt sich aber dennoch persönlich angegriffen und fordert Nawalny zum „Zweikampf mit erwartbarem Ausgang“ heraus.



    Man könnte darüber lachen, wenn man nicht das Schicksal vieler russischer Oppositioneller vor Augen hätte! Auch Nawalny lässt sich nicht durch Haftstrafen einschüchtern, also müssen anscheinend andere Methoden her, um ihn mund- oder überhaupt tot zu machen!

  • Ich beneide die russischen RentnerInnen, die massenhaft auf die Straße gehen und -wie bei den Frauen- auch Erfolge erzielen. Bei uns undenkbar.



    Warum in DE die RentnerInnen mit ihrem kümmerlichen Los, das ihnen gerade mal 40% Rente garantiert, zufrieden sind, erschließt sich mir nicht. Haben unsere RentnerInnen Angst vor Wasserwerfern oder Tränengas?

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Rolf B.:

      Wer hätte nicht Angst vor Tränengas und Wasserwerfern?

      Vielleicht liegt es an der revolutionären Tradition oder daran, dass die alten Leute in Russland im Wortsinne nichts mehr zu verlieren haben.

      Und unsere, bis auf Ausnahmen wie die "Omas gegen Nazis" begehren nicht gegen die Obrigkeit auf.