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Kritik an JugendportalBöhmermanns Bento-Verriss ist schief

Jan Böhmermann schaltet sich mit einem seltsamen Beitrag in den Streit zwischen Verlagen und Öffentlich-Rechtlichen ein. Das geht daneben.

Kritisiert den Identitätsfetisch von Berufsjugendlichen auf Bento.de: Jan Böhmermann Foto: dpa

BERLIN taz | Jan Böhmermann, Moderator der Sendung Neo Magazin Royale, hat sich einen neuen Gegner gesucht. Nach dem türkischen Präsidenten Erdogan und der deutschen Musikindustrie hat er sich in seiner aktuellen Sendung einen kleineren Player vorgenommen: Bento.de, das Nachrichtenportal für junge Leser aus dem Spiegel-Verlag. Bento, kritisiert Böhmermann, veröffentliche banale Texte, die mit Journalismus nichts zu tun hätten, beschmutze den Ruf des Spiegel als Nachrichtenmagazin.

Es stimmt, dass vieles von dem, was auf bento.de (und auf ze.tt, jetzt.de, buzzfeed, Vice und anderen Portalen) steht, weder Minister stürzen noch Journalistenpreise gewinnen wird. Aber dafür ist bento.de auch nicht angetreten. All die Jugendseiten sind Versuche der Verlage, im Netz junge Leser zu erreichen. Sie kommen zu spät und sind noch lange nicht fertig.

Was ist schon „fertig“ im Internet? Wie sieht denn, abgesehen von einem Böhmermann im Nischensender, die Internetstrategie des ZDF aus? Wo erreichen die Öffentlich-Rechtlichen ihre jungen Zuschauer? Ach ja, bei Funk, dem jungen Angebot im Internet. Dort gibt es eine Talkshow auf dem Klo und Nachrichten, vorgetragen von einem pöbelnden Moderator. Sendungen, bei denen man sich auch fragen kann, welchen journalistischen Mehrwert sie haben.

Böhmermann jedenfalls muss nicht darüber nachdenken, wer seine Sendung bezahlt. Er hat den Gebührenzahler im Rücken. Das macht es leicht, sich über Strategien von Verlagen lustig zu machen.

Er sonnt sich in Döpfners Schein

Böhmermanns Kritik hat allerdings einen berechtigten Kern. Er beschreibt, wie bento mit Native Advertising Leser in die Irre führt. Das funktioniert so: Bento schaltet Werbung, die aussieht wie redaktioneller Inhalt. Diese bezahlten Inhalte sind zwar irgendwie gekennzeichnet, werden aber als Artikel dargestellt. Untersuchungen zeigen, dass Leser diese Form der Werbung nicht erkennen. Dem Leser wird vorgegaukelt, er lese Journalismus. Das ist mies und gehört geächtet.

Falsch wird seine Kritik aber dort, wo er den moralischen Zeigefinger erhebt, ohne den seine Sendung seit einiger Zeit nicht mehr auskommt. Statt bei der berechtigten Kritik an bento zu bleiben, schwingt er sich zum Retter des Journalismus auf, zitiert Hans-Joachim Friedrichs und sorgt sich um das Erbe von Rudolf Augstein. Das nervt.

Völlig absurd ist die Wahl Döpfners als Posterboy des Journalismus aber, weil Döpfner auch Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger ist

Für seine moralische Anklage verwendet Böhmermann immer wieder Ausschnitte aus Reden von Matthias Döpfner, dem Vorstandsvorsitzenden des Axel-Springer-Verlags. Der spricht pathetisch über die Rolle des Journalismus, Licht in die Dunkelheit zu bringen, und Böhmermann sonnt sich in Döpfners Schein. Das allein wäre unpassend genug, schließlich ist Döpfner Verleger, kein Journalist, und gibt in seinem Verlag auch den Kampagnenjournalismus der Bild-Zeitung heraus.

Journalismus und Lobbyismus vermischt

Völlig absurd ist die Wahl Döpfners als Posterboy des Journalismus aber, weil Döpfner auch Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger ist. Er ist also nicht nur kein Journalist, er ist Lobbyist. Döpfners Job ist es, die ökonomischen Interessen der Zeitungsverleger zu vertreten.

Und das tut er im Moment vor allem mit populistischen Tiraden in Kampf gegen die Öffentlich-Rechtlichen und ihr Angebot im Netz. Er bezeichnet ARD und ZDF dabei als „Staatsfunk“, benutzt den gleichen Duktus wie die AfD. Und mit so einem will Böhmermann den Journalismus verteidigen? Böhmermann kritisiert die Vermischung von Werbung und Inhalt und vermischt dabei selbst Journalismus und Lobbyismus.

Sein Bento-Verriss erscheint in einer Zeit, in der gerungen wird um die Rolle der Öffentlich-Rechtlichen und ihr Verhältnis zu den Zeitungsverlagen. Der Spiegel schrieb eine viel kritisierte Titelgeschichte, Politiker suchen nach Grenzen für die Öffentlich-Rechtlichen und die wiederum geben sich hilflos. Böhmermanns Beitrag zu dieser Debatte ist misslungen und peinlich.

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