Kritik an Heimpolitik: Senator redet nicht mit jedem
Detlef Scheele lehnt ein Gespräch mit Müttern von Ex-Haasenburg-Bewohnern ab. Zwei Mitarbeiterinnern der Stadt halten sich auf Facebook aber nicht an den Maulkorb.
HAMBURG taz | Regina Schunk und Eva Lobermeyer haben einen offenen Brief an Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) geschrieben, in dem sie ihm vorwerfen, nicht im nötigen Maß die Verantwortung für die Vorgänge in der Haasenburg übernommen zu haben. In den drei Brandenburgischen Heimen waren bekanntlich auch 52 Hamburger Kinder – darunter die Söhne der beiden Frauen.
Scheele habe sich weder bei den Betroffenen entschuldigt noch mit ihnen gesprochen, kritisieren die Mütter. Zudem hatte er im Sommer 2013 behauptet, keine Hamburger seien von Missständen betroffen. Auch später revidierte er diese Einschätzung nicht. „Man muss sich an dieser Stelle fragen, mit wem sie darüber gesprochen haben“, schreiben die beiden. „Mit uns und unseren Kindern nicht!“ Der Senator habe es versäumt, mit den Betroffenen Kontakt aufzunehmen. „Politisch sitzen Sie diese Angelegenheit einfach aus“, schreiben Schunk und Lobermeyer und fordern Scheele zum Rücktritt auf.
Doch gefragt, ob sie nicht doch erst noch mal zu einem Gespräch mit dem Senator bereit wären, um ihm ihre Sichtweise zu erklären, sagten beide: Ja. Die taz fragte bei Senator Scheele an. Doch der ließ seinen Sprecher Marcel Schweitzer mitteilen, dass es kein Gespräch gebe. Wie berichtet, hatten die beiden Mütter mit ihren Söhnen Strafanzeigen gestellt, die zu Ermittlungen bei Kripo und Staatsanwaltschaft führten. Weil diese Ermittlungen bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder noch nicht abgeschlossen seien, könne „kein Meinungsaustausch stattfinden“, so Schweitzer. Gefragt, ob der Senator von diesen Ermittlungen betroffen sei, verneint sein Sprecher. Es könnte aber jede Äußerung „Auswirkung auf die Ermittlungen haben“. Auch sei die Sache „für uns nicht so das Thema“.
Feige Abfuhr
Eva Lobermeyer nennt die Abfuhr feige. Regina Schunk ist enttäuscht: „Es hätte ja auch ein vertrauliches Gespräch sein können.“ Sie bemängelt, dass es von staatlicher Seite keine Unterstützung für die Opfer gebe. Sie und ihr Sohn hätten fast ein Dutzend Vernehmungstermine wahrnehmen müssen, das könnten andere Jugendliche, die allein da stünden, gar nicht schaffen.
„Ich finde es schade, dass der Scheele nicht mit den Betroffenen spricht“, sagt auch die Grünen-Jugendpolitikerin Christiane Blömeke. „Hamburg hat eine Verantwortung dafür, dass die Kinder dorthingekommen sind.“ Die Angehörigen hätten Sorgen und Ärger, da müsse der zuständige Senator ein offenes Ohr haben. „Das Mindeste ist, dass der Senator diesen Menschen zuhört. Er muss ja nicht ihrer Meinung sein“, sagt Mehmet Yildiz (Linke). Er hat in die Jugendamtsakten zur Haasenburg geschaut, die dem Parlament seit über einem Jahr vorliegen, und sieht auch Versäumnisse bei Hamburger Behörden. „Wenn Scheele sich mit den Eltern treffen würde, würde er ihnen eine Wertschätzung entgegenbringen, die er ihnen aber offenbar nicht zugestehen möchte“, folgert Yildiz. „Das tut er, um ungestört ein neues geschlossenes Heim einrichten zu können.“
Dass Mütter von Kindern, die in einem Heim waren, sich öffentlich nicht zu beschweren haben, scheint eine weit verbreitete Sicht zu sein. Schunk und Lobermeyer hatten ihre Kritik vergangenen Samstag auch in der Hamburger Morgenpost (Mopo) geäußert. Die Leserreaktionen nennt Lobermeyer einen „Shit-Storm“.
Auf einer Facebook-Seite, auf der dieser Mopo-Artikel gepostet wurde, äußerte sich auch eine Mitarbeiterin der Stadt. „Nicht das Heim, sondern ihr habt eure Kinder schon kaputt gemacht“, schreibt sie. Ein Kind komme nicht ins Heim, wenn zu Hause alles in Ordnung sei. Und: „... solche Mütter haben hier mal gar nichts zu sagen“. Eine zweite Person, die nach taz-Information auch bei der Stadt arbeitet, schreibt daraufhin: „Genau...Ich stimme dir voll zu.“
Gefragt, ob die Sozialbehörde die Einstellung, Mütter von ehemaligen Heimkindern hätten kein Recht, sich zu beklagen, teilt, beantwortet Behördensprecher Schweitzer mit „Nein“. Die Betreffenden hätten deutlich gemacht, dass sie sich als Privatpersonen äußern.
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