Kritik an Fahrradkurierdiensten: „Die Leute wollen ja fahren“
Wegen mieser Arbeitsbedingungen stehen Rad-Essenslieferdienste im Fokus. Darf man noch bestellen? Ein Treffen mit Ridern.
„Das ist trotzdem der beste Job, den ich jemals hatte“, sagt eine Studentin. Ein anderer fügt hinzu: „Es hat was für sich, dass einem nicht ständig der Chef über die Schulter schaut.“ Ein eigenes Fahrrad müssen die Rider mitbringen und regelmäßig warten – auf eigene Kosten und in der Freizeit.
Zwar gibt es eine Verschleißpauschale von 25 Cent pro Stunde für die Kuriere. Die kann in Leipzig aber nirgends eingelöst werden. Einen Teil des Stundenlohns von neun Euro brutto müssen die Rider also in Fahrradteile investieren – und in ein Smartphone, denn der Liefervorgang wird per App abgewickelt. Umso wichtiger ist es für die Fahrer, Trinkgeld zu bekommen.
Keine Selbstverständlichkeit, erzählt einer der Rider: „Manche behandeln einen wie den Paketdienst. Da wird einem das Essen aus der Hand gerissen und die Tür zugeschlagen.“ Nur etwa jeder zweite Kunde gibt Trinkgeld, im Schnitt fünf Prozent des Bestellwerts, schätzen die Rider. Das könnte daran liegen, dass die Kunden glauben, schon mit der Liefergebühr Trinkgeld gezahlt zu haben.
Im Rahmen der „Zukunftswerkstatt“ der taz erscheint jeden Freitag statt der Neuland-Seite eine eigene Seite für Leipzig, die taz.leipzig: geplant, produziert und geschrieben von jungen Journalist*innen vor Ort.
Sie haben Anregungen, Kritik oder Wünsche an die Zukunftswerkstatt der taz? Schreiben Sie an: neuland@taz.de. Das Team der taz.leipzig erreichen sie unter leipzig@taz.de
Dass sich Kunden aufgrund der Arbeitsbedingungen von den Lieferdiensten abwenden, findet Theresa Ingendaay von der Deliverunion schade. Seit Oktober 2017 ist die junge Fahrradkurier-Gewerkschaft in Leipzig organisiert. „Die Leute wollen ja fahren“, sagt sie. Wenn weniger bestellt wird, entziehe das den Kurieren die Grundlage. Bei schlechter Auftragslage verfällt der Bonus, den erfolgreiche Fahrer erhalten, wenn sie neben weiteren Kriterien mehr als zwei Lieferungen pro Stunde schaffen. Wer als Kunde seine Unterstützung zeigen will, solle also lieber Trinkgeld geben, als Foodora zu boykottieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?