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Kritik an Döpfner aus dem eigenen VerlagGespenst der inneren Pressefreiheit

Ein Buch von Benjamin von Stuckrad-Barre und mehrere Recherchen zu Mathias Döpfner belasten Springer. Und im Verlag regt sich plötzlich Kritik.

Tief einatmen: Springer-Chef Mathias Döpfner Foto: Kay Nietfeld/dpa

D ie folgende Nachricht darf nur von all jenen Menschen gelesen werden, die tatsächlich nie etwas mitbekommen. Sie lautet: „Benjamin von Stuckrad-Barre hat ein neues Buch geschrieben. Es handelt vom Axel Springer Verlag.“

Aber ist es nach dem ganzen wochenlangen Vorabzirkus inklusive Prominenten, die jedes Kapitel des Buchs bei Instagram bewarben, und langem Spiegel-Gespräch überhaupt noch nötig, dass es erscheint? Es ist doch mal wieder längst alles gesagt. Und außerdem wehrt sich der Autor beharrlich gegen die Unterstellung, er habe hier einen Schlüsselroman geschrieben. Stuckrad-Barre ist doch kein Klaus Mann!

Im Spiegel sagt Stucki immerhin so blumige Sätze wie: „Wer mich der Illoyalität zeihen möchte, dem helfe ich gern in den Lodenmantel.“ Oder: „Ein Hofnarr hat Präsenzpflicht, ich dagegen war nie im Haus.“ Aus dem Buch und der Begleitmusik quillt ansonsten vor allem große Enttäuschung über den früheren Freund und Mentor Mathias Döpfner. Und vielleicht hat Döpfner dieser Tage tatsächlich Glück, dass sein eigenes Diktum „Wer mit der Bild-Zeitung im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihr im Aufzug nach unten“ für ihn natürlich nicht gilt. Denn wie bei jedem guten Preisausschreiben sind Springer-Mitarbeitende und deren Angehörige von der Teilnahme ausgeschlossen.

Redaktionsstatut aus dem Dornröschenschlaf küssen

Ihn einfach rausschmeißen und ansonsten so weitermachen wie bisher wäre sowieso keine Lösung. Umso schöner ist, dass sich jetzt plötzlich auch mal bei Springer Kritik im Konzern regt. Und das sogar öffentlich. Bild berichtet in eigener Sache. Bei der Welt erinnern sie sich dran, dass sie dank der Übernahme des Nachrichtenkanals N24 irgendwo noch ein Redak­tionsstatut rumliegen haben und es jetzt aus dem Dornröschenschlaf wachküssen könnten. Regt sich da am Ende das Gespenst der inneren Pressefreiheit?

Und manch Re­dak­teu­r*in kann jetzt sogar die lieben Kol­le­g*in­nen vom rbb besser ­verstehen, weil Ge­sprächs­part­ne­r*in­nen vor allem bei kritischen Anrufen nun auch bei Springer wissen wollen, was denn da los ist und ob nicht besser erst mal vor der eigenen Tür gekehrt würde.

Und Döpfner? Fühlt sich wahrscheinlich wie damals bei der Wochenpost, wo er von lauter Ossis umgeben auch keine Füße auf den Boden bekommen hat, sondern richtig schön scheiterte. Das lässt sich mit ein paar guten Gläsern Roten aber locker runterspülen. Wirklich ändern wird sich nämlich nichts, weder bei Springer noch bei Döpfner. Nur wenn dann im Laufe des Abends irgendwann wieder die ganz große Welterkenntnis kommt, sollte das besser nicht als SMS oder per Mail geteilt werden. Döpfi kann ja bei Stucki anrufen und auf die Mailbox lallen. Wie früher der Christian beim Kai. Oder war es damals schon eine Fehlprogrammierung der KI?, fragt die Mitbewohnerin.

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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2 Kommentare

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  • Mich hatte es immer irritiert, wenn Filmemacher Filme über Filmemacher gedreht hatten (in wenigstens unterhaltsamer Weise: "Pastewka"). Wie gern kommuniziert man doch in eigener Sache und denkt, alle #WELT interessiert das (jetzt musste ich auch mal auf den Hashtag-Großbuchstaben-HYPE aufspringen). Wenn man also als Autor will, dass alle Zeitungen über einen schreiben, schreibt man offenbar am besten über Zeitungen. Und dann über natürlich rein fiktive Leute, die schon immer keiner leiden konnte, aber die alle neiden konnten, damit die Wettbewerber tagelang Honig saugen können und kostenlos Werbung im redaktionellen Teil schalten. Und da alle aus der kaufkräftigen Generation die Blum vom Böll in der Schule lesen mussten, kann man dann noch ein paar Stilelemente übernehmen und übertreiben, damit das Ergebnis als "Hochliteratur" gilt und Feuilleton-würdig wird. Ach so: Den "Du-Prolog" gab es schon einmal, sogar in einen #metoo-Buch. Einfach mal "Bittersüßer Nachtschatten" von Ann-Kathrin Wasle anschauen; die Parallelen sind sichtbar (keine Werbung; ich verdiene an dem Buch nichts). Beste Grüße - Alexander Dawian

  • Stuckrad- Barre war natürlich schon da. Und Döpfner war damals vermutlich auch nicht anders. Freundschaft? Enttäuschte? Muss man sich so irren? Dürfen? Was interessiert ist offensichtlich ja auch die Fallhöhe. Döpfner scheint doch enttäuscht zu haben. Reichelt hingegen nicht. Reichelts Widerlichkeiten waren vielleicht auch zu bekannt, mehr Achselzucken war aber auf jeden Fall. Aber vielleicht ist es der inneren Freiheit einfach auch wichtiger, dass die Mutter aus dem Osten kommt, als das sie eine Frau ist. Ist schon merkwürdig, wann man wach wird. Aber merke: es ist eigentlich kein Unterschied zwischen scheinbar schöngeistigen Großbürgern und frauenverachten Krawalljunkies. Selbstherrliche Prolls alle beide, der Herr wie’s Gescherr.