Krisenproteste von links: Ohne Despoten und fossile Energien

Die gesellschaftliche Linke will mit der soziale Frage durchdringen. Dafür aber muss sie aber mehr anbieten als ein Zurück zum Status quo.

EIn Demonstrant hält ein Schild in Form eines Ortsausgangsschildes. Habeck ist durchgestrichen, der Pfeil zeigt in RIchtung Nord-Stream 2

Nicht jede Position auf linken Demos ist eine linke Foto: Florian Boillot

In Berlin und bundesweit bemühen sich Linke, die mit der Inflation und Energiekrise wieder virulent gewordene soziale Frage auf die Straße zu tragen und allen Gebeutelten dieser Krise ein demokratisches Protestangebot zu machen. Ohne Zweifel, die Notwendigkeit dafür ist groß.

Die Ampelkoalition im Bund hat keine zufriedenstellenden Antworten darauf, den Zumutungen zu begegnen, die die Preissteigerungen für Gering- und Normalverdienende bedeuten. Daran ändert auch ihr drittes Entlastungspaket nichts, das für die einzelnen nicht mehr als ein paar Almosen übrig hat.

Schon gar nicht hat die regierende Politik eine Vorstellung davon, wo und wie das System grundsätzlich neu justiert werden muss, damit nicht jede Krise von Neuem dazu führt, dass die Mehrheit der Gesellschaft zahlt, während die Reichen noch reicher werden und Konzerne entweder besonders absahnen oder gerettet werden müssen.

Es ist also an den Linken, diese Missstände zu thematisieren, Forderungen für wirksame Sozialpolitik stark zu machen und das Bild einer gerechteren Zukunft zu zeichnen. Eine, in der man nicht abhängig von Despoten oder fossilen Energien ist und in denen alle Bereiche der Grundversorgung – Energie, Wohnen, Mobilität, Gesundheit – nicht mehr privat und damit gewinnmaximierend organisiert sind. All das wäre zugleich die richtige Antwort auf rechtspopulistische Untergangsphantasien und deren populistischen Pseudo-Antworten.

Zukunfsvisionen formulieren

Für alternative Ideen birgt jede Krise auch Chancen, auch wenn das zynisch ist. Doch diese Erkenntnis ist in der gesellschaftlichen Linken keineswegs überall angekommen. Dass nach der Kundgebung, die das neue Berliner Protestbündnis „Heizung, Brot und Frieden“ am Montag vor der Parteizentrale der Grünen organisierte, kaum über deren soziale Forderungen gesprochen wurde, sondern über deren Verhältnis zu Russland, ist eine selbstverschuldete Niederlage. Solange Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen und Teil­neh­me­r:in­nen einen Stopp der Russland-Sanktionen oder die Öffnung von Nord-Stream 2 fordern, können die eigentlich wichtigen Forderungen nicht durchdringen.

Das Problem dabei ist nicht nur, dass man sich für die Geg­ne­r:in­nen echter Sozialpolitik angreifbar macht, sondern vor allem, dass eine damit geforderte Rückkehr zum Vorkriegs-Status quo keine linke Krisenantwort sein kann. Weder die Abhängigkeit vom russischen Gas und die damit verbundene Klimazerstörung, noch der Pakt mit Menschenfeinden wie Putin sind Perspektiven, die überzeugen und zukunftsorientiert sind. Auch sind es genau die Positionen, die sich von rechts am schwersten abgrenzen lassen.

Dass zumindest ein paar Antifas bekannte An­hän­ge­r:in­nen rechtsoffener Schwurbelei von der Kundgebung fernhielten, ist zumindest eine positive Nachricht. Eine linke Krisenantwort ist aber auch das nicht. Statt weitere Positionen zu tolerieren, die nach rechts anschlussfähig sind und sich in der Russland-Frage, die für deutsche Innenpolitik kaum steuerbar ist, zu verheddern, sollten Linke die soziale Frage auf die Themen Umverteilung und Klimagerechtigkeit zuspitzen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.