Krisenbewältigung in Österreich: Forderung nach Energiepreisdeckel
Auch in Österreich dreht sich die politische Debatte um Energiekrise und Inflation. Manche Konservative klingen auf einmal wie Sozialdemokraten.
Als wäre es zeitlich abgesprochen, legte die Statistik Austria am Tag darauf die offiziellen Zahlen vor. Im Juni wurde demnach eine Inflation von 8,7 Prozent verzeichnet – die höchste seit der Energiekrise im September 1975. Preistreiber sind – wie damals – die Energieträger. Auswirkungen auf fast alle Artikel des täglichen Bedarfs blieben nicht aus. Der Preis des Miniwarenkorbs, der neben Nahrungsmitteln und Dienstleistungen auch Treibstoff enthält, stieg im Jahresvergleich um fast 19 Prozent. Experten rechnen mit einem weiteren Anstieg der Teuerung bis zum ersten Quartal 2023.
Die Kosten, die mit Schulbeginn auf die Familien zukommen, werden mit einem Zuschuss von 120 Euro aus dem Sozialministerium teilweise abgefedert. Aber wirkliche Existenzängste lösen die Energierechnungen aus, die bei immer mehr Menschen unbezahlt auf der To-do-Liste landen. Die Regierung von ÖVP und Grünen steht zunehmend unter Handlungsdruck.
Dementsprechend forsch tritt die Opposition auf. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner fordert zum wiederholten Mal eine Senkung der Umsatzsteuer auf Lebensmittel sowie der Mineralölsteuer, während Herbert Kickl von der rechten FPÖ die Sanktionen gegen Russland als Wurzel allen Übels identifiziert und eine sofortige Normalisierung der Beziehungen zum Kriegsherrn Putin begehrt: Österreich solle mit Ungarn eine „Partnerschaft der Vernunft gegen die moralische Heuchlerei der EU“ eingehen.
Konservative für Energiepreisdeckel
Druck auf Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) kommt aber nicht nur von der Opposition, sondern auch aus den eigenen Reihen. Mehrere Landeshauptleute, die sich bald Wahlen stellen müssen, sind mit populistischen Rezepten an die Öffentlichkeit gegangen. Allen voran Johanna Mikl-Leitner, die in Niederösterreich mit absoluter Mehrheit regiert und als starke Frau hinter dem Kanzler gilt. Mit ihrer Forderung nach einem Energiepreisdeckel klang sie, als wäre sie ins Lager der Sozialdemokraten gewechselt.
Für Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) tut sich eine Kluft zwischen ökonomischer Vernunft und politischem Sachzwang auf: „In der aktuellen Lage prognostizieren uns die Experten, dass die ökonomischen Nachteile einer nationalen Preisdeckelung überwiegen. Wir müssen aufpassen, dass die Maßnahmen der Politik gegen die Teuerung nicht unserer Gesellschaft und letztlich den Menschen mehr schaden als helfen.“ Die Erfahrungen mit einer Treibstoffpreisdeckelung in Deutschland und Ungarn sind ernüchternd und die energiepolitische Vernetzung mit den Nachbarländern würde bewirken, dass die österreichischen Steuerzahler letztlich auch Konsumenten jenseits der Grenzen subventionieren würden.
Einen möglichen Ausweg aus dem Dilemma hat Gabriel Felbermayr, der Chef des unabhängigen Instituts für Wirtschaftsforschung (wifo), gewiesen. Er schlägt vor, die Energierechnungen zu begrenzen, aber gleichzeitig Anreize zum Energiesparen zu setzen. So sollen die Strom- und Gasrechnungen für durchschnittliche Haushalte um nicht mehr als 10 oder 20 Prozent steigen. Energieversorger, so Felbermayr, sollten „einen Teil des Energieverbrauchs der Haushalte kostenfrei abgeben, für den Rest aber Marktpreise verrechnen.“
Damit ist er nicht weit entfernt von Wolfgang Katzian, dem sozialdemokratischen Präsidenten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), der jedem Haushalt den Grundbedarf für Kochen, Heizen, Waschen subventionieren will: „Wer darüber hinaus Strom und Gas verbraucht, weil er oder sie etwa einen Pool beheizt oder die Klimaanlage 24 Stunden lang durchlaufen lassen will, zahlt für diesen Mehrverbrauch den weitaus höheren Marktpreis.“ Als angemessen schwebt ihm ein Preis von 20 Cent pro Kilowattstunde vor. Zur Finanzierung der Subvention sollten, so Katzian, die durch die Preissteigerungen generierten Übergewinne von Energieversorgern abgeschöpft werden. Das können sich auch die Grünen gut vorstellen. In den nächsten Tagen will die Regierung über alle auf dem Tisch liegenden Vorschläge beraten.
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