piwik no script img

Krise zwischen China und LitauenSignal an das „alte Europa“

Fabian Kretschmer
Kommentar von Fabian Kretschmer

Litauen provoziert China, weil es Taiwan aufwertet. Es ist ein richtiger Schritt, der für das baltische Land verschmerzbare Konsequenzen hat.

Fährt einen zunehmend harten Kurs gegen Taiwan: Chinas Präsident Xi Jinping Foto: Shen Hong/XinHua/dpa

W elche Zukunft sich Pekings Staatsführung für Taiwan ausmalt, beschreibt der chinesische Botschafter in Deutschland in einem Gastbeitrag der Berliner Zeitung. Darin schreibt Wu Ken über seine Freude für die Deutschen, „ihre Wiedervereinigung erreicht zu haben“. Und fährt dann fort: „Genauso sehe ich der baldmöglichsten vollständigen Wiedervereinigung meines Landes entgegen.“ Dass eine Wiedervereinigung mit Taiwan nur unter militärischem Zwang erfolgen könnte, liegt auf der Hand.

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass China empfindlich reagiert, wenn andere Länder ihre diplomatischen Beziehungen zu Taiwan aufwerten. Normalerweise laufen die Repräsentanzen des Inselstaats unter dem Namen „Taipeh-Vertretung“. Die neue Landesvertretung in Litauen hingegen wird unter der offiziellen Bezeichnung Taiwans geführt.

Litauen wird es verschmerzen können, dass Peking künftig keinen Botschafter mehr entsenden wird. Die Provokation fußt auf einer wirtschaftlichen Kalkulation: Chinas Investitionsversprechungen an den baltischen Staat haben sich als heiße Luft herausgestellt, Taiwan erscheint angesichts dessen als vielversprechenderer Handelspartner – auch, weil es dieselben demokratischen Werte teilt.

Doch Litauens Standfestigkeit gegenüber China ist vor allem als Signal für andere osteuropäische Staaten wichtig. Pekings Charmeoffensive ist bereits bei den Regierungen in Ungarn und Serbien auf fruchtbaren Boden gefallen. Je mehr politischen Einfluss die Volksrepublik in Europa ausübt, desto schwieriger wird es, eine geeinte EU-Position zu kritischen China-Themen zu finden.

Diese wird jedoch in Zukunft bedeutsamer. Längst stellt nämlich auch das „alte Europa“ fest, dass es sich bei der Volksrepublik nicht vorrangig um einen Partner handelt, sondern vielmehr um einen systemischen Herausforderer. Litauen kann es sich freilich leisten, diese Erkenntnis auch in seiner Außenpolitik zu artikulieren.

Für Deutschland, dessen Volkswirtschaft ungleich abhängiger von China ist, wäre eine vergleichbare Solidarität gegenüber Taiwan mit einem deutlich höheren Preisschild versehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Fabian Kretschmer
Korrespondent in Südkorea
Seit 2024 Korrespondent für die koreanische Halbinsel und China mit Sitz in Seoul. Berichtete zuvor fünf Jahre lang von Peking aus. Seit 2014 als freier Journalist in Ostasien tätig. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Betreibt nebenbei den Podcast "Beijing Briefing". Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Haben wir da einen Schreibfehler im ersten Absatz? "... baldmöglichsten vollständigen Wiedervereinigung meines Landes Litauensentgegen."

    • @Christian Lange:

      danke für den hinweis, ist korrigiert

  • Auch der Westen könnte das machen, sicher wäre die Politik bereit dazu; aber die Politik steht nun mal unter dem Kuratel des "Mammon", allen voran die in ihrem Wahlkampf schon gekauften amerikanischen Präsidenten; und wenn der "Mammon" Geschäfte machen kann treten ethische, menschliche Gründe automatisch in den Hintergrund. Insofern kann China auch mit dem Tibet, Uiguren und anderen machen, was es will. Sicher würde sich der westliche "Mammon" diesen Bereich gern einverleiben, aber dazu ist China inzwischen in allen Belangen zu stark. - Russland ist weniger stark, und deshalb tritt der "Mammon", vertreten durch seine Vasallen, die Politiker, hier gänzlich aggressiver auf. - Daran aber sieht man auch, wie feige der "Mammon" ist; die Schwachen greift er an, vor den Starken zeiht er den Schwanz ein.

    • @palu:

      Richtig geschrieben...



      Aber die Angst vor China ist nur ein Grund, warum DE und EU so "scheulich" sind...

      Der andere Grund, viel wichtiger: Unser Land und die Industrie machen riesige Geschäfte mit China...



      So viele €€€ würden sie sehr ungern verlieren..



      Egal was den Uiguren, Tibetaner oder Hongkonger passiert...

      Das Doppelmoral in DE und EU kennt keine Grenzen... Wir, die Bürger und die Bürgerinnen, haben auch den Schuld dran..

  • "Und fährt dann fort: „Genauso sehe ich der baldmöglichsten vollständigen Wiedervereinigung meines Landes Litauensentgegen.“" ???



    Schreibfehler oder versteckt sich hier ein tieferer mir unergründlicher Sinn?