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Krise vor dem NationalfeiertagGedrückte Stimmung bei Macron

Frankreich feiert am 14. Juli seinen Nationalfeiertag. Doch diesmal dominiert die Angst vor neuen Krawallen. Und Präsident Macron hat nichts zu sagen.

Nicht sehr feierlich: Der sonst so wortreiche Präsident Emmanuel Macron schweigt Foto: Lewis Joly/ap/dpa

Paris taz | Es wird zum Nationalfeiertag am 14. Juli kein Interview mit dem Staatschef geben, hat der Elysée-Palast den Medien mitgeteilt. Präsident Emmanuel Macron hält den Zeitpunkt einer Bilanz nach den schweren Unruhen im Land offenbar für verfrüht. Und neue Ankündigungen kann oder will er seinen Landsleuten nicht machen. Er möchte abwarten, wie der „Quatorze Juillet“ verläuft, der vom Innenministerium wegen des Risikos neuer Krawalle als brandgefährlich eingestuft wird. Deswegen bietet das Innenministerium alle verfügbaren Ordnungskräfte auf.

Viele Städte und vor allem Vororte rund um Paris haben aus diesem Grund kurzerhand ihr traditionelles Feuerwerk und manchmal auch den Ball abgesagt. So auch im Provinzstädtchen Montargis, wo eine Feststimmung nach den schweren Verwüstungen von 80 Geschäften nicht aufkomme, meint der konservativ-bürgerliche Bürgermeister Benoît Digeon. Ähnlich argumentierte sein kommunistischer Amtskollege Patrick Jarry in Nanterre, wo der Tod des 17-jährigen Nahel bei einer Polizeikontrolle der Auslöser einer Welle von Gewalt und Plünderungen war.

In der Politik ist die Stimmung gereizt. Die politischen Antagonisten reden aneinander vorbei, die Diskussion wird auf identitäre Klischees reduziert. Gegenseitig droht man sich in der Nationalversammlung und in den Medien mit Strafanzeigen wegen Verleumdung des Jugendlichen Nahel oder umgekehrt wegen Beteiligung (linker Abgeordneter) an einer nicht genehmigten Demonstration.

Die nach ganz rechts abdriftenden Polizeigewerkschaften Alliance und UNSA erklären in einer Medienmitteilung, sie wollten diese „Horden von Wilden“ wie „Schädlinge“ bekämpfen. Gegenseitig beschuldigt sich die linke und die rechte Parteipolitik, mit demagogischen Worten Öl ins Feuer zu gießen.

Macron sucht Erfolge in der Außenpolitik

Staatspräsident Macron wollte eigentlich an diesem Nationalfeiertag nach vorn blicken. Er hatte am Ende des Streits um die Rentenreform die Nation um eine Frist von „hundert Tagen“ ersucht, um seiner Reformpolitik einen neuen Elan zu geben. Am 14. Juli läuft diese Frist ab, und nichts ist so, wie sich das der Präsident ausgemalt hatte. Die Jugendkrawalle haben das Arbeitsprogramm durcheinander gebracht und die Autorität der Staatsführung zusätzlich geschwächt. Macrons Hauptgegnerin, die Rechtsextreme Marine Le Pen, steht dagegen in den Wählerumfragen besser da denn je.

Im Elysée-Palast will darum zum Nationalfeiertag keine rechte Festfreude aufkommen. Der sonst so wortreiche Macron schweigt, er hat seinen Landsleuten vorerst nichts zu sagen. Da in der Innenpolitik derzeit keine Lorbeeren zu gewinnen sind, setzt der französische Präsident mit selbstbewussten Auftritten in Brüssel und am Nato-Gipfel lieber auf die Außenpolitik.

Auch der Nationalfeiertag dient der Diplomatie. Sein Ehrengast beim traditionellen Defilee ist der indische Premierminister Narendra Modi. Er wird, so hofft Macron, nach der eindrücklichen Parade und einem prachtvollen Diner im Louvre-Palast ein paar Verträge für die französische Industrie unterzeichnen. Damit hätte Macron am Nationalfeiertag dennoch ein paar Punkte gewonnen und Grund zum Feiern.

Dass das EU-Parlament in einer Resolution die „schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen“ durch die indische Regierung im Bundesstaat Manipur und Narendras „nationalistische Rhetorik“ in diesem Zusammenhang verurteilt hat, stört den Gastgeber nicht.

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3 Kommentare

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  • Da es weltweit immer mehr Menschen gibt, sich der Reichtum aber auf immer weniger davon konzentriert, die aber keinen Bock auf Teilen haben, lassen sich die dummen Armen gegeneinander aufhetzen, wählen "Rechts" und es gibt unter dem Deckmantel von "Nationalitäten" immer mehr Kriege und Bürgerkrieges. Die kosten irres Geld, das man wesentlich klüger einsetzten könnte und verschärfen die Klimakatastrophe. Und das nennt sich in seiner Verblendung " Homo sapiens"? So nicht überlebensfähig! Es lebe die menschliche Revolution, denn neue Menschen braucht der Planet.



    DIE

  • Doppeltes Déjà-vu



    //



    taz am 15.07.2009:



    taz.de/Nationalfei...ankreich/!5159857/



    //



    "Angesichts der explosiven Stimmung in zahlreichen französischen Vorstädten will Innenminister Brice Hortefeux am Mittwoch seine Präfekten versammeln. Der langjährige enge Vertraute von Staatspräsident Nicolas Sarkozy will bei dem Treffen auf der Notwendigkeit einer "Mobilisierung gegen die Delinquenz" bestehen. In den vergangenen Monaten ist in Frankreich die Gewaltstatistik, die der Öffentlichkeit regelmäßig vorgeführt wird, gestiegen. Fast jede Nacht werden Autos abgebrannt. Alljährliche Höhepunkte sind der 31. Dezember und der 14. Juli."



    //



    "Liberte, egalite, modernite! - Frankreich im Umbruch"



    aus taz 1987



    Fraternité adé?



    //



    "Dass das EU-Parlament in einer Resolution die „schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen“ durch die indische Regierung im Bundesstaat Manipur und Narendras „nationalistische Rhetorik“ in diesem Zusammenhang verurteilt hat, stört den Gastgeber nicht."



    Ein Tag des Nationalstolzes soll es wohl sein, ohne Misstöne oder unliebsame Rechtfertigungen. Bestimmt gibt es schöne bunte Bilder. Ob die kritischen Medien Frankreichs das mitmachen?

  • Da kann einem wirklich Angst und Bange werden, wenn man die Innenpolitik in Frankreich sieht. Macron lässt kaum einen Fehler aus, der jedes Mal aufs Konto der Rechtspopulisten einzahlt. Seine En-Marche-Partei wird mit seiner poltischen Karriere enden, Konservative und Sozialisten spielen keine Rolle mehr, die Linke ist einmal mehr damit beschäftigt, sich selbst zu zerlegen. Es wirkt fast wie eine konzertierte Aktion, um das Land in einen Bürgerkrieg und die Rechte an die Macht zu bringen, mit katastrophalen Auswirkungen auf die EU.



    Man hat keine Antworten auf die die drängenden sozialen Probleme, Macron wirkt hilflos und abgehoben, leichter kann man es den Rechten kaum machen.